Puniel, Röckelche und Schladderbotz, Kinderkleidung anno dazumal

Hermann Josef Fuchs

In der rheinischen Mundart gibt es eine Fülle von Begriffen und Ausdrücken, die im alltäglichen Sprachgebrauch gang und gäbe sind, deren Deutung gegebenenfalls auch Herkunft aber nur wenige von uns kennen. Heute tragen die Kinder farblich und bunt gemusterte Schlafanzüge. In Großmutters Zeiten war das Nachtkleid der Kinder ein Puniel, ein langes, nach Art eines weitärmeligen japanischen Gewandes geschneidertes Nachtkleid.

Was die Kleidung angeht, so waren anno dazumal Geldbeutel und praktischer Nutzten entscheidend für die Anschaffung.

Da wird von einem "Schiadder" gesprochen, womit heute allgemeih eine gewisse Unordentlichkeit gemeint ist. Schiadder ist hier und da noch gebräuchlich als Spitzname, und eine nicht maßgerecht sitzende Hose trägt den Namen Schladderbotz. Anders war das jedoch vor 60 und mehr Jahren. Wer erinnert sich noch an die damalige Kindermode, wo Mädchen wie Jungen "Röckelche" trugen? In dieser Zeit war auch die Schladderbotz bei Kindern ein praktisches Kleidungsstück. Bedenken muß man hierbei, daß es in damaliger Zeit in vielen Familien mit den Finanzen schlecht bestellt war. Folglich fiel auch die Kinderkleidung recht ärmlich aus. Trotzdem war sie praktisch.

Wenn heute Ohrringe und lange Haare zum Beispiel kein Kennzeichen für die Geschlechtsunterschiede sind, wie das früher war, so war das Tragen eines Kleidchen damals kein Zeichen dafür, daß man ein kleines Mädchen vor sich hatte. Es war für die Mütter, die nicht selten einige Kleinkinder hatten, eine Erleichterung, wenn sie nicht mehrmals am Tage nasse oder "bekleckerte" Hosen zu säubern hatten. Den Jungen wies das Kleidchen dennoch als "Hosensch..." aus. Besagtes Röckelchen reichte mindestens bis über die Knie, war also wesentlich länger als die Miniröcke heutzutage.

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Kindergarten Birresdorf, 1939.

Glaubte man sicher zu sein, daß der Knirps sich melden wird, wenn er mal "mußte", dann erhielt er eine Schladderbotz mit Leibchen. Die Bezeichnung rührte von einer Vorrichtung an der Hinterseite der Hose her. Scherzweise nannte man das auch Falltür, denn der Stofflappen, der Hosenboden also, wurde an dem die Hose tragenden Leibchen mit Knöpfen befestigt, etwa in Höhe der Gürtellinie. Wurde das Schiadder losgeknöpft, so fiel das ganze Bekleidungsstück nach unten. Das Hochknöpfen erforderte allerdings Hilfe. Es war ein spaßiges Bild, wenn so ein Hosenmatz mit offener, in die Kniekehlen schlagender Hosenklappe umherlief, bis ihm jemand zu Hilfe kam.

Mit der Unterwäsche hatte es folgende Bewandtnis. Die Unterhose, die nur zur kalten Jahreszeit angezogen wurde, hatte keine Klappe, sondern einen vertikal verlaufenden Schlitz, der nach beiden Seiten auseinandergezogen werden konnte. Alles war damals auf rasche Bedienung abgestellt. Da kein Junge einen Mantel besaß, mußte die übrige Kleidung der winterlichen Kälte Rechnung tragen. Die selbstgestrickten wollenen Strümpfe, waren derb und reichten bis unterhalb der Knie, wo sie mit einem Strumpfband gehalten wurden. Die Beine der Unterhose steckten in den Strümpfen und reichten bis über die Waden. Auch die Beine der vom Schneider angefertigten Hose reichen bis in die Hälfte der Unterschenkel. So kam es, daß sich bald die Knie in die Hosenbeine eindrückten und dort unschöne Beutel hervorbrachten. Der Rock war meist vom selben Stoff wie die Hose, ohne besonderes Merkmal.

Wie das Röckelche, so saß auch die Schladderbotz locker am Körper. Das Leibchen, an dem die eigentliche Hose festgenäht war, hielt diese sicher und erfüllte in der kalten Jahreszeit die Funktion einer ärmellosen Weste. Es gab kein Abrutschen wie bei der "Helpebotz". Nur wenn ein Knopf am Schiadder verlorenging, wurde die Sache unangenehm. Dann suchte nämlich beim munteren Spiel nicht selten das Hemd den Weg ins Freie und hing oberhalb oder seitlich am Schiadder heraus. Der so auffallende Junge wurde dann mit dem Reim: "Do kütt de Tant Major jejange und hat et Hemp an der Botz erus hange" geneckt. Auch reizte die offene Luke dazu, dort weniger angenehme Dinge einzuwerten, etwa Sand oder Gras, und im Winter war ein Schneeball in der Hose kein angenehmes Gefühl. Puniel, Leibchen, Röckelche und Schladderbotz sind heute nicht mehr in Gebrauch.

Zum Begriff "Schiader", von dem in der Mundart die Bezeichnung "Schiadder" abgeleitet ist, trifft Professor Dr. Adam Wrede in seinem Nachschlagwerk "Neuer kölnischer Sprachschatz" die Feststellung, daß Schiader ein altkölnisches Wort ist, bezeugt durch den Hausnamen "zome slaeder" aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Verglichen wird "slaeder" mit dem Namen Schlageter, dessen "eter" Zaun bedeutet, das ganze etwa als Schlag- oder Falltor in einer Grenzhecke, einem Zaun als Durchlaß und Sperre zu verstehen ist. In Schiader könnte Schlag verborgen sein, meint der Autor. Schiader gleich hintere Hosenklappe, der aus einem Stück gemachten Knabenhose; Klappbrett am Auslaß des "Duffes", gleich Taubenhaus; Aufschlagbrett über dem Schweinetrog, Klappdeckel, durch den das Futter von außen in den Trog geschüttet wird, damit die Schweine in Ruhe das Futter ohne gegenseitige Störung erhalten und einnehmen können; obere Hälfte der Gattertür; umgebogene Ecke am Papier-, Heftoder Buchblatt. Die Bezeichnung Schiader hierfür ist längst durch das Wort Eselsohr verdrängt worden.