Botschafter entschieden sich für den Kreis Ahrweiler

Doris Pfaff

Jeder, der einmal den Kreis Ahrweiler besucht hat, lernt ihn lieben. Die landschaftliche Vielfalt, die Ahr, die Weinberge und den Rhein. Seine Attraktivität übt der Kreis nicht nur auf Gäste und Touristen aus, sondern auch auf diejenigen, die eine schöne, repräsentative Gegend suchen -auf Botschafter. Besonders Remagen und Oberwinter scheinen dies zu erfüllen. Neben der räumlichen Nähe zu Bonn, boten sich dort zudem in Abgeschiedenheit angemessene Bauten.

Schloß Ernich bei Remagen als französische Residenz

Erster Botschafter im Kreis war der Franzose M. Francois Poncet, der auf Schloß Ernich in Remagen zog. Ende 1949 wurde das zu Beginn dieses Jahrhunderts im Auftrag der Großindustriellen-Familie von Guilleaumegebaute Schloß den Vertretern Frankreichs zugesprochen. Die französische Regierung kaufte 1959 das Schloß und stellt es seitdem als Residenz den französischen Botschaftern zur Verfügung. Das zweistöckige Schloß mit einer Grundfläche von 120 Quadratmetern steht hoch über Remagen auf einem Anwesen von 18 Hektar Fläche. Der Blick aus dem Salon reicht weiter über den Rhein hinaus.

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Schloß Ernich bei Remagen, Residenz des französischen Botschafters.

Schloß Ernich bietet seit November 1993 seiner Exzellenz Francois Scheer, Botschafter von Frankreich, ein Zuhause. Zusammen mit seiner Frau, seiner Tochter und seinem Sohn bewohnt er das riesige Anwesen. Insgesamtzwölf Dienstboten und ein Verwalter stehen ihnen zur Verfügung. Die Residenz gibt daneben das richtige Ambiente, um Gäste aus dem In- und Ausland zu empfangen. Sieben Zimmer des Schlosses können als Gästezimmer benutzt werden. Mehr als 500 Mittagessen und Abendessen pro Jahr nimmt der Botschafter in der Residenz mit seinen Gästen ein. Bis zum Bau des Hotels auf dem Petersberg waren alle französischen Regierungschefs von de Gaulle bis Mitterand, während ihren Staatsbesuchen im Schloß Ernich untergebracht. Höhepunkt eines jeden Jahres ist der französische Nationalfeiertag am 14. Juli. Diesen hohen Feiertag begeht der Botschafter traditionell auf Schloß Ernich zusammen mit mehr als 2500 Gästen. Unter seinen Gästen befinden sich viele Amtskollegen sowie deutsche und französische Regierungsvertreter. Aber dennoch. Die Zukunft der französischen Residenz auf Schloß ist ungewiß. Mit der Bonn/ Berlin-Entscheidung steht auch dem französischen Botschafter zusammen mit der Bundesregierung ein baldiger Umzug ins Haus. Ob das Schloß auch weiterhin in französischem Besitz bleiben wird, istfraglich. Allein die Kosten fürdie Unterhaltung des Schlosses sind sehr hoch, vom Kaufpreis ganz zu schweigen. Außerdem würde, nach Angaben des Schloßverwalters, Francois Keller, bald eine umfangreiche Renovierung des Schlosses notwendig werden. Ob die französisches Regierung diese Kosten noch investiert, bezweifelt Keller.

Schloß Marienfels als erste Botschaft im Kreis

Neben der französischen Residenz wurde im Dezember 1994 auch die erste Botschaft im Kreis Ahrweiler eingerichtet: die Botschaft Kasachstans.

Die diplomatische Vertretung richtete die junge Republik auf Schloß Marienfels bei Remagen ein. Ein Schild - „Botschaft Kasachstan 300 Meter" - wurde an der B 9 aufgestellt. Täglich fahren dort viele tausend Autos vorbei. „Kasachstan, wo ist das überhaupt?", werden sich viele Autofahrer gefragt haben. Wer wußte, daß auf dem Territorium von Kasachstan in Mittelasien die Staaten Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Spanien, Österreich, Holland und Dänemark zugleich Platz finden könnten? Wer wußte, daß Kasachstan an Rußland, an China und am Kaspischen Meer angrenzt?

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Schloß Marienfels bei Remagen, Botschaft von Kasachstan

Bis zum Zerfall der UdSSR war Kasachstan Unionsmitglied der Sowjetunion. Im Dezember 1991 wurde in Kasachstan die Unabhängigkeit verkündet. Seit seinem Amtsantritt versucht der Präsident der Republik, Nursulatan Nasbarjew, den Souveränitätsanspruch Kasachstans mit der Forderung nach ethnischer Toleranz in der multinationalen Republik zu verbinden. Basierend auf der Notwendigkeit sollen die zwischenstaatlichen Beziehungen unter den Nachfolgestaaten der UdSSR vernünftig gestaltet werden. In Kasachstan leben neben den Kasachen (40 Prozent), den Russen (38 Prozent), auch Deutsche (6 Prozent), Ukrainer, Usbesken, Tataren und Koreaner.

Seit 1991 richtete die Republik Kasachstan in 33 Staaten diplomatische Vertretungen ein. Die Botschaft in der Bundesrepublik bezog seine Exzellenz Botschafter Dr. Saginbek Tursunov im Mai 1994 in Remagen auf Schloß Marienfels. 14 Diplomaten und 50 Mitarbeiter betreuen seitdem etwa 150 Klienten täglich. Die Anliegen der Besucher betreffen meist Visaausgaben, Paßangelegenheiten und Probleme, die bei der Eingliederung entstehen. In Deutschland leben 690 Kasachen, davon 260 in Köln und 220 in München, sowie 400 000 Aussiedler aus Kasachstan. Das Büro für Konsularangelegenhei-ten verlegte die Botschaft im März 1995 vor allem wegen Platzmangels in die ehemaligen Landeszentralbank Remagen. In Remagen ist bisher das einzige konsularische Büro der Kasachen in der Bundesrepublik Deutschland eingerichtet. Für die nächsten Jahre sind allerdings weitere Konsulate in Düsseldorf, Hannover, Frankfurt und Berlin geplant. Von Anfang an stand jedoch für die Diplomaten fest, daß ein Umzug der Botschaft, aufgrund des Bonn/Berlin Beschlusses, auch für sie in den nächsten fünf bis zehn Jahren unvermeidbar ist.

Ukrainer wählten Oberwinter für ihre diplomatische Vertretung

Neben der Botschaft von Kasachstan ist die ukrainische Botschaft die zweite im Kreis Ahr-weiler. Im Dezember 1994 zog der Botschafter des, mit 604 000 Quadratkilometern, zweitgrößten Flächenstaates in Europa von Bonn nach Oberwinter.

Im August 1991 erklärte die Ukraine ihre Unabhängigkeit und gehört seitdem der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) an. Die Bundesrepublik Deutschland zählte mit zu den ersten Staaten, in denen die Ukraine eine diplomatische Vertretung einrichtete. Ab März 1992 residierte der Botschafter der Ukraine vorübergehend in Bonn. In Remagen-Oberwinter wurde dann das ehemalige Restaurant „Zur Waldheide" gekauft.

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Botschaft der Ukraine in Oberwinter, 1995

Nach einem geschmackvollen Umbau in ein Botschaftsgebäude konnten die Diplomaten schließlich im Dezember 1994 einziehen. Der derzeitige Botschafter Jurij Kostenko kam im Januar 1995 nach Oberwinter.

Bis dahin war er Botschafter in Österreich. Obwohl er erst so kurz im Kreis Ahrweiler tätig ist, hat er ihn schon ins Herz geschlossen. Maria Laach gehört zu seinen Lieblingsplätzen. Zur schnelleren Eingewöhnung schenkte ihm Landrat Joachim Weiler ein Heimatbuch über den Kreis. Konstenko sagt: „Ich bin froh, daß sich mein Vorgänger für diesen Ort entschieden hat." Vor allem die schöne Landschaft an Rhein und Ahr diene ihm zur Entspannung - nicht zuletzt auch der edle Rebensaft von der Ahr. Denn Entspannung sei wichtig für ihn, denn seine Amtsgeschäfte seien nicht leicht zu führen. Doch die Bilanz der Republik seit ihrem Bestehen wertet der Botschafter als „bisher gut". Dazu habe auch die deutsche Hilfe beigetragen. Derzeit zählt Kostenko 109 deutsche Firmen in der Ukraine. Deutsche Unterstützung im finanziellen und humanitären Bereich habe mit zur Stabilität der jungen Republik beigetragen.

Zum schwersten Erbe der Ukraine zählt der Atomunfall im Kraftwerk Tschernobyl am 26. April 1986. „Wenn ich an Tschernobyl denke, dann fallen mirzuerst meine Familie und Freunde ein, die in dem 140 Kilometer entfernten Kiew wohnen", sagt Kostenko nachdenklich. Fest stehe, daß das Atomkraftwerk geschlossen werde. Präsident Leonid Kutschmas sicherte im April 1995 den Vertretern der Europäischen Union die Stillegung des Kernkraftwerkes bis zum Jahre 2000 zu. Trotz allem, so Kostenko, blieben zwölf Prozent der Fläche der Ukraine über Jahrhunderte hinweg verseucht. Laut Kostenko gebe es noch insgesamt fünf Kernkraftwerke des Typs „Tschernobyl" in der Ukraine, weitere zehn auf dem übrigen Gebiet der ehemaligen Sowjetunion. International werden diese Typen als Kernkraftwerke mit dem niedrigsten Sicherheitsniveau eingeschätzt. Für die Ukraine bedeute die Schließung eines Kernkraftwerkes aber gleichzeitig einen Energieverlust von zehn Prozent. Damit sei die frühere „Kornkammer Europas" noch stärker auf die Energielieferung von Rußland angewiesen. Und das sei, laut Kostenko, eine der Hauptschwierigkeiten der Ukrainer. Je größer die Abhängigkeit würde, so glaubt er, desto stärker könnte die Ukraine von den Russen unter Druck gesetzt werden. Für die Menschen in Westeuropa sei dies schwer zu verstehen. „Es gehört mit zu meiner Aufgabe hier, den Menschen in der Bundesrepublik die Schwierigkeiten dieser Probleme zu zeigen und damit mehr Verständnis und Hilfe zu finden", erklärt der Botschafter.