Start und Ziel des Nürburgrings unter Panzerbeschuß

Dr. Peter Neu

März 1945: Amerikanische Verbände hatten endgültig nach zum Teil verlustreichen Kämpfen den Westwall überwunden. Auch die zweite deutsche Abwehrstellung an der Kyll hatte die vorrückenden Verbände nicht aufhalten können -zum Glückfür viele Eifeldörter und ihre Bewohner.

Einige deutsche Generäle haben später in Gefangenschaft auf Befragung ausführlich über ihre Erlebnisse in der Eifel in diesen bewegten Tagen und Wochen berichtet. Diese Aufzeichnungen, die sich seit einigen Jahren als Kopien auch in Deutschland befinden, sind heute eine wertvolle Geschichtsquelle, zumal die schriftlichen Unterlagen der deutschen Verbände fast alle als verloren angesehen werden müssen. Befehlshaber der 326. deutsehen Volksgrenadierdivision war damals Dr. Erwin Kaschner, Generalmajor. Im Februar 1945 stand er noch mit seinen Einheiten im Raum Wallersheim-Prüm, mußte dann aber Ende des Monats nach Osten ausweichen und hatte seinen Kommandoposten zeitweise in Birresborn. Nach seiner Gefangennahme berichtete er über seinen gefahrvollen Rückzug in der Eifel:

„In dieser für die Division völlig hoffnungslosen Lage stieß am 7. März (1945) ein anscheinend von Gerolstein-Pelm ausgehender starker Pan-zeranghff über Hintemeiler- Dockweiler- Dreis in Richtung Boxberg (Korpsgefechtsstand), dem nur bei Dockweiler zwei nicht mehr fahrbereite Tigerpanzer mit beschränkter Munitionsausstattung entgegengesetzt werden konnten, und zerschlug die letzten, noch Widerstand leistenden Truppen der Division. Der Divisionskommandeur wich mit seinem Führungsstab sprungweise über Brück - Bongard nach Müllenbach aus und konnte dem Führer des 53. Armeekorps Generalleutnant Botsch in Kelberg persönlich Meldung von dem feindlichen Panzerdurchbruch erstatten, als die Panzer ihr Feuer auf Kelberg eröffneten.

Von diesem Tag ab bestand keine Möglichkeit mehr, die versprengten kleineren Gruppen der Division irr die Hand zu bekommen und eine irgendwie wirksame Gegenwehr zu organisieren, da auch der Artillerie jegliche Munition mangelte und mit Nachschub nicht mehr zu rechnen war. Deshalb entschloß sich der Kommandeur der Division, die Geschütze und Fahrzeuge, soweit sie noch fahrbereit waren, nach dem Rhein in Marsch zu setzen, damit sie dort für die Verteidigung zur Verfügung standen.

Der Gegner setzte am nächsten Tag (8. März) seinen Panzerangriff fort, überfuhr in den Morgenstunden die Panzersperre bei Müllenbach und eröffnete überraschend mit seiner Panzerspitze das Feuer auf „Start und Ziel" des Nürburgrings, wo sich (unser) Divisionsgefechtsstand befand. Es gelang dem Divisionsgefechtsstand im letzten Augenblick auszuweichen und sich sprungweise über Döttingen - Engeln auf Acht abzusetzen. Am Abend erging an den Divisionsstab, der von der 15. Armee beim 53. Armeekorps eingetroffene Befehl, sich durch die vorgestoßenen feindlichen Panzerkolonnen nach Süden durchzuschlagen und Anschluß an die zwischen Driesch und Cochem noch stehenden Teile der 7. Armee zu gewinnen.

Der Stab wurde in kleinere Gruppen zerlegt und mit entsprechender Weisung in Marsch gesetzt. Am 11. März erreichte der Kommandeur der 326. Volksgrenadierdivision mit einer kleinen Gruppe nach mühseliger und gefahrvoller Wanderung durch das vom Feind beherrschte Gebiet über Kürrenberg - Niederelz - Hauroth -Alflen - Lutzerath (brennend) - Kennfus, wo sich noch eine letzte Sicherung derauf das Südufer gerade ausweichenden Truppe befand. Nach Meldung bei dem 13. Armeekorps in Zell an der Mosel fuhr der Kommandeur mit la und Adjutant zur 15. Armee und traf auftragsgemäß am 14. März beim 67. Armeekorps in Linkenbach, 18 km nordwestlich von Neuwied, ein, wo er den Befehl erhielt, den Abschnitt von Neuwied bis Engers an der Rheinfront zu übernehmen."

Der Fußmarsch des Generals und seines Stabes vom Nürburgring zur Mosel hin verlief, wenn die Ortsangaben des Generals stimmen, also ziemlich im Zickzack. Zunächst ging es bis fast vor die Tore von Mayen, dann wieder nach Südwesten in Richtung Wittlich. Wenn man bedenkt, daß die Gruppe wahrscheinlich vor allem bei Nacht und in der Dämmerung unterwegs war und daß sie die wichtigsten Durchgangsstraßen meiden mußte, verwundert es, daß der Marsch offenbar dennoch ohne Verluste und aus der Sicht des Generals erfolgreich verlief. Drei Tage waren die Offiziere zu Fuß unterwegs, bevor sie bei Kennfus nördlich von Bad Bertrich wieder auf deutsche Einheiten stießen.

Quelle:
Militärarchiv Freiburg. Military-Studies Akte B-561 S.12-14.

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Beseitigung der Kriegsschäden auf dem Nürburgring in der frühen Nachkriegszeit.