Bericht eines alten Eiflers über den Buchweizenanbau

Peter Weber

In der Vergangenheit war der Buchweizenanbau im Rheinland und vor allem in der Eifel ein wichtiger Bestandteil der Fruchtfolge. Er diente zu ihrer Auflockerung, zur Reinigung verunkrauteter Felder und nicht zuletzt zur Erzeugung von Buchweizenmehl. Aus diesem Mehl wurde der Buchweizenpfannkuchen gebacken, der hier und da heutzutage wieder in Mode gekommen ist. Während früher das Buchweizenmehl als Füllstoff bei der Zubereitung von Speisen und Wurstwaren in der Küche diente und als Pfannkuchen nachmittags bzw. abends warm oder kalt verzehrt wurde, gilt er heute hier und da als eine Abwechslung auf der Speisekarte.

In Müsch an der Oberahr befragte ich vor Jahren den inzwischen verstorbenen 85jährigen Jakob Gerhartz, der sich an den Buchweizenanbau erinnerte und an die Zeit, in der häufig Buchweizenpfannkuchen gegessen wurde.

In der Eifel und an der Oberahr, der Heimat des Erzählers, war der Buchweizenanbau weit verbreitet und er diente gleich mehreren Zwecken. Da waren zunächst große, kinderreiche Familien, deren Mitglieder mit Nahrung zu versorgen waren. Sie mußten wohl oder übel anstelle von Brot mit einer Ersatznahrung zufrieden sein.

Zum Anbau

Auf den kargen Eifelböden, die keine mineralische und kaum organische Düngung erhielten, gedieh der Buchweizen einigermaßen gut. Bei der Dreifelderwirtschaft folgte nach der Winterung, die mit Weizen, Spelz, Roggen, Gerste und seltener Rübsen oder Raps bestellt wurde, die Sommerung. Diese Flächen, ein Drittel der Feldmark, wurden mit Hafer, Sommergerste und Sommerraps bestellt. Das letzte Drittel, die sogenannte Brache, wurde häufig mit Buchweizen besät. Diese Flächen waren meistens sehr verunkrautet, zumal die Bodenbearbeitung infolge der Geräte und der Zugkräfte nur mäßig durchgeführt und kaum etwas gegen das Unkraut unternommen wurde. Dafür hatte man den Buchweizen; wenn er gut geraten war, hatte er das Unkraut unter sich erstickt und das Feld war sauber.

Aufgrund der Flurverhältnisse mußte man bei der Dreifelderwirtschaft bei Bestellung und Ernte Rücksicht aufeinander nehmen. Es gab keine Feld- oder Wirtschaftswege, deshalb mußten die Grundstückseigentümer entweder an den Kopfenden der Felder oder an den Längsseiten, und zwar die jeweiligen Anlieger, einen Streifen zum Befahren abtreten. Herr Gerhartz berichtet, daß dies ein ungeschriebenes Gesetz war, das immer beachtet wurde. Der Buchweizen war für die damaligen Verhältnisse eine ideale Pflanze, die den Bedürfnissen der Menschen vom Land in jeder Weise Rechnung trug. Als Vorfrucht dienten die Felder, die vorher mit Sommergetreide bepflanzt waren. Diese wurden im Herbst meistens gepflügt, in Ausnahmefällen auch mal im Frühjahr, wenn im Herbst wegen der Witterung oder dem Ausfall des Gespanns das Pflügen unterblieb.

Zum Pflügen benutzte man den sogenannten Hundspflug, einen Holzpflug, der leicht war und kein allzu tiefes Pflügen ermöglichte. Als Zugkräfte dienten meistens Kuh- und Ochsengespanne. Es kam auch vor, daß Kuh und Ochse gemeinsam den Pflug zogen. In diesem Falle wurde dem Ochsen durch Verstellen der Anspannung mehr Last zugeteilt. Größere Betriebe hielten auch Pferde als Zugtiere. Der Einsatz von Ochsen hatte für die meisten Betriebe folgende Vorteile. Wenn die Ochsen auch nicht so schnell wie die Pferde arbeiteten, so nutzte man sie auch als Geldbringer. Junge, angelernte Ochsen waren nämlich gesucht. Sie wuchsen also während der „Lehrzeit" ins Geld, verwerteten das Futter und konnten als zusätzliche Arbeitskraft und Einnahmequelle betrachtet werden. Wenn man sich diesen Wechsel nicht leisten konnte, so hatte man schließlich ein Tier, das ein großes Gewicht auf die Waage brachte, wenn es an den Metzger verkauft wurde. Die Arbeitskühe waren am meisten beansprucht. Sie wurden gemolken und sollten jährlich ein Kalb bringen. Man muß aber sagen, daß der Milchertrag nicht sehr hoch war, wohl aber der Fettgehalt der Milch. Nach dem Pflügen der Stoppeln blieben die Felder rauh liegen. Es wurde keine Düngung ausgestreut oder eingearbeitet.

Während des Winters oder im Frühjahr wurde das Buchweizensaatgut vorbereitet. Der Buchweizen wurde nach dem Dreschen mit dem Dreschflegel auf dem Speicher aufbewahrt und nach Bedarf zur Mühle gebracht.

Von diesem Vorrat nahm man den Buchweizen zum Säen. Sofern er unsauber war, hat man ihn mit einem Wann, Regge oder einer Windfege gereinigt. Oft begnügte man sich auch mit einem Sieb. Das Beizen wurde selten durchgeführt, wenn man Krankheiten vorbeugen wollte. Dann wandte man das Naßbeizverfahren an. Der zur Saat gereinigte Buchweizen wurde während des Umschaufeins mit Jauche übergossen, später wurde Kupfervitriollösung dazu benutzt. Das auf diese Art und Weise vorbereitete Saatgut wurde nach der Hafersaat ausgesät. Die Witterung mußte frostfrei sein. Das im Herbst gepflügte Feld wurde mit einer Holzegge eingeebnet und gelockert. Nach Angaben des Berichters nahm man keine Rücksicht auf das „Licht", also den Stand des Mondes. Er schloß aber eine Rücksichtnahme in einzelnen Fällen nicht aus. Auf alle Fälle wußte man, daß der Buchweizen warmes Wetter brauchte und säte ihn deshalb spät, und zwar mit der Hand. Man hängte sich einen Sack so um die Schultern, daß ein Zipfel der Öffnung mit dem geschlossenen Ende vorne zusammengebunden werden konnte. Durch Verlagerung des Inhalts konnte man immer mit der Hand das Saatgut greifen. Seltener wurden auch Saatkörbe und Saatkästen verwandt. Man säte je Morgen (25 ar) 80 Pfund, also 160 kg/ha. Das war eine geringere Menge als bei Roggen und Weizen. Nach der Saat eggte man das Feld und ließ es rauh liegen; im Gegensatz zur Hafersaat, die immer angewalzt wurde. Die Holzeggenrahmen wurden später auch mit Eisenzinken versehen und schließlich wurde auch der Holzrahmen durch einen Eisenrahmen ersetzt.

Der Buchweizen wurde nicht gedüngt, wenigstens nicht im Betrieb des Berichters. Die mit Buchweizen bestellten Felderwuchsen bei günstigen Voraussetzungen zu und erstickten das Unkraut.

Ernte

Mit der Ernte begann man, wenn die Blätter braun wurden und diese teilweise abfielen. Es war nach der Haferernte. Gemäht wurde mit dem sogenannten Hafergeschirr. Das war eine Sense an dessen Stiel ein Gestell mit langen hölzernen Zähnen befestigt war, die als Auffangvorrichtung dienten. Der gemähte Buchweizen fiel bei entsprechender Handhabung auf dieses Gestell und wurde dann vom Mäher mit einem Schwung zur Seite abgelegt. So legte man Haufen neben Haufen, im Gegensatz zur Hafermahd, bei der das Getreide in Spreiten abgelegt wurde. Je nach Witterung blieben diese Haufen ein paar Tage liegen und wurden dann, ohne zusammengebunden zu werden, gegeneinander aufgestellt. In einigen Fällen wurden auch Frauen neben den Männern zum Mähen eingesetzt. Wenn der Buchweizen, je nach Witterung, etwa eine Woche gestanden hatte, wurde er geerntet. Da die Körner leicht ausfielen, hat man auf dem Boden des Erntewagens Tücher ausgebreitet. Man fuhr entweder morgens oder abends, wenn der Tau den Buchweizen angefeuchtet hatte. Um weitere Verluste beim Fahren mit den eisenbereiften Wagen über die holprigen Feldwege zu vermeiden, legte man beim Laden die Stoppeln nach außen. So war es auch bei den anderen Getreidearten üblich.

Dreschen

Wie Herr Gerhartz berichtete, wurde der Buchweizen sofort gedroschen. Man kann sich vorstellen, wie sehr er von manchen Familien erwartet wurde, wenn die Familie groß und der Speicher leer war.

Beim Dreschen auf der Tenne halfen alle, auch Frauen und Kinder. Es gab ja unterschiedlich große und schwere Dreschflegel. Der Einsatz von Frauen und Kindern war deshalb möglich, weil die Körner leicht auszudreschen waren. Der Berichter meinte, wenn man ein paarmal über den Buchweizen gelaufen wäre, hätte man die meisten Körner schon auf der Tenne liegen sehen. Er schätzte den Ertrag auf etwa 8 bis 11 Zentner je Morgen, 16-22 dt/ha.

Mahlen

Da in Müsch eine Mühle stand, war es bis zum Buchweizenmehl nicht mehr weit. Die Körner mußten erst in einem Reservegang der Mühle geschält werden. Damals wurde gemöllert, d. h. der Müller behielt einen Teil des zu mahlenden Getreides als Mahllohn.

Daheim freute man sich schon darauf, sich an Buchweizenpfannkuchen satt essen zu können. Wenn der erste Buchweizenpfannkuchen nach der Ernte gebacken und gegessen wurde, lud man dazu die Nachbarschaft ein.

Verwertung des Buchweizenmehles

Wie sah es nun um die Verwertung des Buchweizenmehles aus? Das grünlich-graue Mehl wurde als Suppeneinlage verwandt oder als Streckungsmittel zur Wurstherstellung bei der Hausschlachtung. Man mischte es auch unter Roggenmehl. Dadurch streckte man den Roggenvorrat, denn Brotgetreide war rar und das Brot knapp. Es wurde rationiert und als Zugabe ausgeteilt. Somit diente das Buchweizenmehl als Ersatz für fehlendes Brotgetreide. Die Qualität und der Geschmack waren sehr unterschiedlich. Sie waren von verschiedenen Faktoren abhängig. Anfangs backte man große Pfannkuchen. Dabei konnte man Fett sparen, denn auch das war knapp. Waren die Kuchen dick und fettarm, schmeckten sie nicht gut. Ein Bruder des Berichters warf, nachdem er den Rand des Pfannkuchens gegessen hatte, den mittleren Teil unter den Tisch, wo ihn der Kund verzehrte. - Der Rand des Pfannkuchens war dünner, hatte mehr Fett mitbekommen und schmeckte besser als das mittlere Stück. Der Vater, der das bemerkte, sagte daraufhin zu ihm: Junge, du kannst froh sein, wenn du im Leben immer sowas zu essen hast. Der so Getadelte mußte an diese Worte im Ersten Weltkrieg denken, als er keine Buchweizenpfannkuchen hatte, die er jetzt gerne gegessen hätte.

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Buchweizenpflanzen in Blüte.

Verbessert wurde der Buchweizenpfannkuchen durch die Zugabe von Sauerteig oder kohlen-säurehaltigem Wasser. Man ließ den Teig zwei Stunden gären, wodurch er lockerer wurde. Noch besser geriet der Teig durch die Zugabe von Hefe. In vielen Fällen hatte man kein Geld, um Hefe zu kaufen. Weiter war das Fett entscheidend, das man zum Einfetten der Pfanne benötigte. Oft begnügte man sich mit einer Speckschwarte, die ungezählte Male in der Pfanne hin und her bewegt wurde. Zu einem späteren Zeitpunkt hat man statt einem großen drei kleine Kuchen gebacken. Die kleinen Pfannkuchen schmeckten schon besser. Als man vor dem ersten Weltkrieg noch Sirup auf die Buchweizenpfannkuchen strich, fand das den Beifall aller, die auf diese Speise angewiesen waren. Wer Ölfrüchte anbaute, hatte Pflanzenöl zum Backen. Es wurde vor seiner Verwendung erhitzt und mit Brotkrusten angereichert, um den Geschmack zu verbessern.

Eine Verwendung des Buchweizens gab es auch im Rahmen der Volksmedizin. Bei Erkältungen wurde ein Beutel erhitztes Buchweizenmehl aufgelegt.

Die Kleie des Buchweizens diente auch als Schweinefutter. Sie wurde mit gekochten Kartoffeln und Abfällen oder Futterrüben gemischt verfüttert. Je nach Schweinebestand hielt man sich einen Kleievorrat. Nach dem Ersten Weltkrieg ging der Buchweizenanbau stark zurück. An Brauchtum im Zusammenhang mit dem Buchweizenanbau ist folgendes zu erwähnen. Vor dem Säen machte man das Kreuzzeichen mit der Hand über das Feld.

Wenn wir rückschauend die ehemalige Bedeutung des Buchweizenanbaues betrachten, können wir froh sein, daß die Zeiten hinter uns liegen, in der Buchweizenpfannkuchen und andere Buchweizenprodukte für viele Menschen eine Notlösung darstellten.