Eisenbahnromantik: Eine Dampfzug-Fahrt von Remagen nach Kreuzberg

Dr. Wolfgang Dietz

Als bahnnostalgisches Angebot führte die Deutsche Bahn AG an den Wochenenden der Monate September und Oktober 1996 und 1997 Dampflok-Sonderfahrten auf der Ahrtalbahn zwischen Remagen und Kreuzberg durch.

Die Heißdampf-Tenderlok

Zuglok war die Personenzugtenderlok 62 015, eine auch als »kleine 01 «1) bekanntgewordene schnellfahrende Lok (Höchstgeschwindigkeit 100 km/h) der Bauart 2' C 2' h21. Dies bedeutet, daß es sich um eine zweizylindrige Heißdampf-Tenderlok (h21) mit symmetrischer Achsfolge -2 Laufachsen im Drehgestell vorne, 3 gekuppelte Treibachsen, 2 Laufachsen im Drehgestell hinten (2' C 2') - handelt. Treib- und Kuppelräderweisen den beachtlichen Durchmesser von 1,75 m auf. Die Lok 62 015 ist die letztgebaute und einzige erhalten gebliebene Maschine ihrer Baureihe, von der in den Jahren 1928 und 1929 insgesamt nur 15 Stück von Henschel und Sohn in Kassel gebaut und ausgeliefert wurden. In Form und Technik entspricht sie der Einheitsbauart der ehemaligen Deutschen Reichsbahn Gesellschaft. Mit einer Länge über Puffer von 17,14 m und einem Dienstgewicht (mit 2/3 Vorräten) von 123,6 to zählt sie schon zu den imposanten Erscheinungen. Ihr Kessel arbeitet mit einem Betriebsdruck von max. 14 Atü und erreicht eine Leistung von 1.680 PS.2)

Nach dem Zweiten Weltkrieg verblieben 7 Loks dieser Baureihe bei der DB, 8 bei der Deutschen Reichsbahn (DR) in der SBZ/DDR. Die DB setzte ihre Maschinen in Düsseldorf, Dortmund, Essen und Krefeld ein, von wo aus sie auch die linke Rheinstrecke befuhren. Vor Eilzügen verkehrten sie regelmäßig »zwischen Dortmund und Koblenz über Köln-Bonn-Remagen mit einer Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h.«3) »Die DB musterte die letzten Lokomotiven 1956 aus; die 62 003 diente noch einige Zeit als Lehrobjekt der Lokführerschule in Troisdorf«4), stand 1968 kalt abgestellt im Ausbesserungswerk (AW) Sehweite5) und wurde später leider verschrottet.

»Bei der DR standen die Fahrzeuge bis Ende 1968 im Einsatz. (Dort ist allerdings) die 62015 () als Museumslokerhalten geblieben.«6) Wenn nun zwischen dem 7.9. und 27.10.1996 diese Lok von Köln kommend die Ahrstrecke Remagen-Kreuzberg befuhr, kehrte zwar die Baureihe 62, nicht jedoch die Maschine 62 015 in ihre alte Heimat zurück.

Der Zug selbst - der sogenannte »Berliner Traditionszug« - bestand aus 2-achsigen Personen-, Pack- und Büffetwagen der Baujahre 1928 -1931, also den ersten Ganzmetall-Reisezugwagen der ehemaligen DRG. Wegen ihrer gegenüber den früher gebräuchlichen Holzaufbauten härteren, knatternden Ablaufgeräusche im Fahrbetrieb erhielten die Wagen dieser Bauarten den Spitznamen »Donnerbüchsen«. Da an fast allen Wochenenden im September und Oktober in den Gemeinden entlang der Strecke Winzerfeste, Weinfeste bzw. Sonderveranstaltungen stattfanden, waren die Züge sehr gut ausgelastet, so daß sie z. T. durch zusätzliche Wagen jüngerer Bauarten (Umbauwagen bzw. Mitteleinstiegswagen aus den 1950er Jahren) verstärkt werden mußten.

Eisenbahnromantik pur

An den Betriebstagen herrschte bereits lange vor der Ankunft des Dampf-Sonderzuges reger Andrang im Bahnhof Remagen. Auf Bahnsteig 3 - für die Gleise 4 und 5 / Ahrtalstrecke -versammelten sich die zahlreich erschienenen Eisenbahnfreunde. Die Lautsprecherankündigung von der bevorstehenden Einfahrt des Zuges war für viele von ihnen das Startzeichen, sich eine gute Schußposition für Fotoapparat oder Videokamera zu sichern. Kurz darauf lief denn auch - mit weißer Dampffahne und fast ebenso leise wie eine Ellok - die formschöne Tenderlok an Gleis 5 ein. Während die Fahrgäste zustiegen, begaben sich einige Eisenbahnfans auf Bahnsteig 2, um die Lok besser ablichten zu können. Die Ausfahrt auf die Ahrstrecke war dann stets ein spannender Augenblick.

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Eisenbahnromantik im Ahrtal an der Bunten Kuh: Nostalgiefahrt 1997.

Unterwegs bot sich von der Bundesstraße 266 immer wieder Gelegenheit zu besonderen Fotohalten und Schnappschüssen. Aber was ist eine Parallelfahrt mit dem Pkw gegen eine Mitfahrt im Zug? Um Eisenbahnromantik pur und die einmalige Ahrlandschaft genießen zu können, muß man selbst von Remagen bis Kreuzberg im Zug gesessen haben.

So ließen sich selbst Frauen, Kinder und Senioren, die ja eigentlich nicht zum harten Kern der Eisenbahnfreunde zählen, weder von Kälte, noch von Regen abhalten. Sowohl in Remagen, als auch in Kreuzberg warteten alle geduldig und in guter Laune auf ihre Mitfahrgelegenheit. Rasch waren die Plätze - vorzugsweise am Fenster -eingenommen und der Zug setzte sich nach einem Pfiff der Lok ruckfrei in Bewegung.

Anmerkungen zu den Bahnhöfen

Die Bahnhöfe Bad Bodendorf, Heimersheim (trotz Rückbau zum Haltepunkt) sowie Bad Neuenahr machten einen einladenden Eindruck, während der Bahnhof Ahrweiler durch den weit fortgeschrittenen Gleisrückbau und die Umwandlung des schönen Empfangsgebäudes zu einem Restaurant viel von seiner früheren Ausstrahlung eingebüßt hat, zumal hier auch nicht mehr angehalten wurde. Ahrweiler-Markt als letzter Haltepunkt auf dem verbliebenen zweigleisigen Abschnitt hatte ihm bereits den Rang abgelaufen. Wenige hundert Meter hinter Ahrweiler-Markt wird die Strecke eingleisig - ein betrieblich völlig unsinniger Rückbau, denn im ehemaligen Bahnhof Walporzheim war ja lange Zeit eine viel bessere Möglichkeit gegeben, Züge vom zweigleisigen Abschnitt in den eingleisigen einzufädeln und dabei Züge ohne Blokkierung der Strecke zu »parken". Das ist heute alles nicht mehr möglich. Dementsprechend bietet die rückgebaute Station derzeit ein ebenso trostloses Bild, wie die meisten noch folgenden Stationen auf der Reststrecke bis Hönnin-gen/Ahr, wo seit 1986 das Gleis endet.

Besonders niederschmetternd ist der Eindruck, der sich einem beim Anblick des völlig heruntergekommenen und verwahrlosten Bahnhofsgebäudes von Mayschoß aufdrängt. Mit im Erdgeschoß zugemauerten Fenstern und Türen, besprüht mit Graftitti ist es heute ganz sicher kein Werbeträger mehr für Ahrtalromantik und Deutsche Bahn AG. Unterstrichen wird die Tristesse noch durch die isolierte Lage vom Ort jenseits der Ahr sowie die Entfernung aller Nebengleise. Diese wurden zwarbereits im Juli 1971 nurnoch selten genutzt7) und daher im Sommer 1977 samt zugehörigen Formsignalen entfernt8), zurück aber blieb ein verödetes Planum bis hin zum funktionslos gewordenen Empfangsgebäude. Seit der Aufnahme im Buch von Klaus Kemp über die Ahrtalbahnen vom 21. Mai 19789) hat sich das Aussehen der Restanlage u. a. durch Müllablagerung bis Oktober 1996 noch ganz entschieden verschlimmert und konterkariert so die Intention des Veranstaltungsprospektes:

»Schnuppern Sie lebendige Eisenbahn-Geschichte"10), denn die Station Mayschoß repräsentiert inzwischen wohl eher eine tote Eisenbahn.

Rech ist ein in einer Kurve gelegener Haltepunkt auf freier Strecke, wo nur noch das Strekkengleis liegt, wie auch in Altenahr. Im Gegensatz zu Mayschoß machen aber die Empfangsgebäude von Altenahr und der in seiner Funktion erhaltenen gebliebene Kreuzungsbahnhof Dernau einen gepflegten Eindruck, der durch die Festivitäten neben dem Bahnsteig am 27. 10. 1996 noch unterstrichen wurde.

Nach mehrfacher Überquerung der Ahr und der Durchfahrt durch einige Tunnel erreichten wir nach ca. 50 Minuten Fahrtzeit und ca. 15 Minuten Kreuzungsaufenthalt in Dernau das Ziel unserer Reise, den Bahnhof Kreuzberg. Hier endete auch seit 1985 der Personenverkehr, nachdem am 1. 6. 1985 letztmalig der Nahverkehrszug N 7337 (Remagen-Adenau) die Teilstrecke Kreuzberg-Adenau befahren hatte. Die Teilstrecke Kreuzberg-Hönningen wurde zum Güteranschluß degradiert, das Gleis von Hön-ningen bis Adenau 1986 abgebaut. »Landesregierung, Landkreis, Politiker und Verwaltungen vor Ort hatten sich bis zuletzt bemüht, die Verantwortlichen bei der Bundesbahn zu einem Einlenken zu bewegen, leider umsonst.«11)

»Die Zugstrecke der Deutschen Bahn AG zwischen Kreuzberg und Ahrbrück wurde im Juni 1996 offiziell reaktiviert. Die Ortsgemeinde Ahrbrück hatte sich für die Wiederinbetriebnahme des elf Jahre zuvor stillgelegten Teilstücks der Bahn eingesetzt. Die Verantwortlichen versprechen sich durch die Bahn-Reaktivierung eine Entlastung des Straßenverkehrs, der parallel zur Schiene durchs Ahrtal verläuft. Ein zwischen Bussen und Bahn abgestimmterTaktverkehr soll möglichst viele Bürger davon überzeugen, aus dem Auto in öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen.«12)

Ausblick

Es steht zu hoffen, daß diese punktuelle Abkehr von der 3 Jahrzehnte lang praktizierten verfehlten Politik des "Rückzugs aus der Fläche« von Dauer ist und auch andernorts Schule macht. Vielleicht trägt auch die große Resonanz, der sich allenthalben die Dampfsonderfahrten - nicht nur auf der Reststrecke der Ahrtalbahn - erfreuen und der damit verbundene unbestreitbare wirtschaftliche Erfolg dazu bei, daß bei den Verantwortlichen der Deutschen Bahn AG endlich die Einsicht reift, daß es auf Dauer nicht genügt, nur in ICE-Neubaustrecken zu investieren und alles andere (historische Fahrzeuge, reizvolle Strecken, technische Anlagen, Denkmäler und Betriebsgebäude) einfach »plattzumachen«. Immerhin wiederholte die Deutsche Bahn AG in der Zeit vom 6. 9. bis 26. 10. 1997 unter dem Motto "Ahrtal-Kurier - das Dampfzug-Erlebnis im Ahrtal" ihr attraktives Dampflok-Nostalgiereisen-Angebot.

Anmerkungen:

  1. Die Baureihe 01 war mit der BR 02 die erste und wohl die bekannteste Schnellzug-Schlepptenderlok der ehemaligen DRG, Bei der DB waren die 130 km/h schnellen Maschinen bis in die 1970er Jahre unentbehrlich, das letzte Exemplar dieser Baureihe, die 01 111, wurde erst 1974 beim Bahnbetriebswerk (Bw) Hof / Oberpfalz ausgemustert. Auf hügeligen und kürzeren Strecken versahen die 62er ähnlich hochwertige Reisezugdienste wie die 01er vorwiegend im Flachland.
  2. Vgl.: Obermayer, Horst J , Taschenbuch Deutsche Dampflokomotiven - Regelspur, 10. erweiterte und überarbeitete Aufl.. Stuttgart 1988,S.151
  3. Deutsche Bahn AG (Hg.), Das Dampfzug-Erlebnis im Ahrtal - Eine romantische Tagesreise durch das Wein- und Wanderparadies der Eifel (Programm mit Fahrplan), S. 4
  4. Eisenbahn-Journal 3/1996. S. 62
  5. Vgl.: Obermayer, Dampflokomotiven, S. 151
  6. Eisenbahn-Journal 3/1996, S. 62
  7. Vgl.: Kemp, Klaus, Die Ahrtalbahnen, Freiburg 1983, S 114. Foto 110
  8. Vgl.: Kemp, Ahrtalbahnen, S. 186. Foto 180
  9. Vgl.: Kemp, Ahrtalbahnen, S. 174. Foto 162
  10. DB AG. Ahrtal, S. 3
  11. Kess, Detlev, Aus Kreis und Gemeinden - Aktuelle Chronik -Schienenverkehr zwischen Kreuzberg und Adenau eingestellt, in: Heimat-Jahrbuch 1986 des Kreises Ahrweiler, Jg. 43, S. 27
  12. Kempenich, Jürgen, Vergangenes mit neuem Leben gefüllt - Die aktuelle Chronik aus Kreis und Gemeinden - Bahn und Busse haben Vorfahrt, in: Heimat-Jahrbuch 1997 des Kreises Ahrweiler, Jg. 54, S. 13