Claus Bünnagel
In diesem Bericht soll das Schicksal der katholisch geprägten Tageszeitungen des Landkreises Ahrweiler. der Rhein- und Ahr-Zeitung, der Adenauer Zeitung und der Sinziger Zeitung, während der nationalsozialistischen Zeit geschildert werden, ihre Aktionen und Reaktionen, ihr Anpassen und Widerstehen. ihr Kampf ums Überleben, aber auch ihr Scheitern. In den Augen der örtlichen Nationalsozialisten waren diese Blätter die Ursache für ihr schlechtes regionales Abschneiden in den Wahlen vor 1933 gewesen, und sie wollten es ihnen mit doppelter Münze heimzahlen.
Der Kreisgeschäftsführer Peter Klaes schrieb 1936. Weiterhin war die hier beheimatete Presse in ihrem Kampf gegen uns furchtbar gemein und verlogen. Bis zur Machtübernahme konnten wir daher auch nur 210 Parteigenossen bei uns aufnehmen, im Verhältnis zur Bevölkerungszahl unseres Kreises mit 67.000 recht wenig."
Von der Republik zur Diktatur
Die Ahrregion war eines der am stärksten katholisch geprägten Gebiete Deutschlands. was während der Weimarer Republik ihren Niederschlag in der dominierenden Rolle von Zemrumspartei und katholischer Presse in der Region fand. Die hier gedruckten. katholischen Blätter Adenauer Zeitung. Ahrweiler Zeitung, Rhein- und Ahr-Zeitung und Sinziger Zeitung beherrschten den Markt (Auflage zwischen 900 und 4000), verstanden sich zudem überwiegend als Sprachrohre der Zentrumspartei.
Relativ leise vollzog sich der Regierungswechsel am 30. Januar 1933 in den Kreiszeitungen. Doch bereits in den nächsten Tagen sollte sich der künftige Weg der Rechtsregierung zeigen. Am 2. Februar druckten A/mrei'/erund Sinziger Zeitung den am Vortag von Hitler im deutschen Rundfunk vorgelesenen Aufruf an das deutsche Volk" ab. in dem dieser einen deutlichen Schlußstrich unter die Weimarer Republik setzte. Trotz der zu gewärtigenden Strafmaßnahmen durch staatliche Stellen wurde der Ton der Kreis-
Zeitungen im Fortgang des Wahlkampfes spürbar kritischer, was jedoch nicht unbedingt aus einer bewußten Resistenz gegen die neue Regierung entsprungen sein muß, sondern seinen Grund in der jahrzehntelangen Gewohnheit gehabt haben kann, in den Artikeln die Arbeit des Zentrums positiv darzustellen. Am 4. März gab die Ahrweiler Zeitung in einem Artikel unter anderem die Rede des Ahrwei-ler Zentrumsvorsitzenden Dechant Dickopf wieder: Die auf christlich-katholische Grundlage aufgebaute Zentrumspartei widersetze sich jeder Diktatur und erstrebe einzig und allein ein einiges Deutschland." Eine deutlichere Absage an den Nationalsozialismus konnte man von einer kleinen Provinzzeitung wie der Ahrweiler Zeitung kaum erwarten.Die Sinziger Zeitung wird verboten
Ende Februar 1933 lief der Wahlkampf im gesamten Reich auf vollen Touren. Da brannte am 28. Februar der Reichstag in Berlin. Als Reaktion erließ die Regierung die Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat, durch die wesentliche Menschen- und Bürgerrechte der Weimarer Verfassung praktisch aufgehoben wurden, insbesondere in Paragraph l die schon vorher eingeschränkte Pressefreiheit. In der Endphase des Wahlkampfs mehrten sich die Artikel in der Ahnreiler und Sinziger Zeitung über Wahlveranstaltungen der Zentrumspartei, und auch die katholische Kirche meldete sich in verschiedenen Beiträgen zum Zeilgeschehen zu Wort. Dabei trat die Sinziger Zeitung noch um eine Spur entschiedener als die Ahrweiler Zeitung für die Zentrumspartei ein.
Anzeige aus dem Jahre 1934.
Am 2. März veröffentlichte das Blatt unter der harmlosen Überschrift Die Zentrumsfrauen eröffnen den Wahlkampf" eine schonungslose Abrechnung mit den nationalsozialistischen Versprechungen vor der Wahl. Eine weitere scharfe Auseinandersetzung der Sinziger Zeitung mit dem Nationalsozialismus schloß sich in der folgenden Ausgabe an. Unter dem nunmehr programmatischen Titel Das Zentrum von Sinzig steht felsenfest" bekräftigte die Zeitung die zuvor eingenommene Position und wies erneut auf die Verdienste des Zentrums in der Vergangenheit hin. Die Quittung für ihre Loyalität zur Zentrumspartei im Wahlkampf erhielt die Sinziger Zeitung bereits unmittelbar nach der Reichstagswahl am 5. März 1933. Sie wurde für den Zeitraum vom 6. bis 10. März 1933 verboten, als erstes Zentrumsorgan Deutschlands nach der Märzwahl.
Die Anzeige. Wirtschaftliche Grundlage und politisches SpiegelbildNach der 'Machtergreifung' der Nationalsozialisten entstanden den Zeitungen Probleme auf dem für die Existenz der Zeitungen höchst wichtigen Anzeigensektor. Bereits im April 1933 begann der nationalsozialistische Staat damit, den Boykottjüdischer Geschäfte systematisch durchzusetzen. Indem die Kreiszeitungen nach wie vor in ihrem Anzeigenteil jüdischen Geschäfte eine Werbefläche boten, gerieten sie in Konflikt mit der nationalsozialistischen Weltanschauung. Die Zeitungen befanden sich jetzt in einem Zwiespalt: Einerseits wollten sie als ehemals gegnerische Zentrumsorgane den Nationalsozialisten nicht weitere Angriffsfläche bieten, auf der anderen Seite waren sie auf ihre jüdischen Anzeigenpartner angewiesen. Daß sich alle Kreiszeitungen für die weitere Veröffentlichung jüdischer Anzeigen entschieden, ist sicher nicht als Resistenz den Nationalsozialisten gegenüber zu verstehen, sondern die Entscheidung erwuchs aus einer ökonomischen Zwangslage.
Nach dem Boykott fanden sich nur noch selten Anzeigen der Häuser Cahn und Friesem im Inseratenteil, meist nur noch vor großen Festen (Weihnachten, Ostern) und zum Sommer- und Winterschlußverkauf. Das Kaufhaus Tietz jedoch gab weiterhin regelmäßig Inserate an die Kreiszeitungen. Doch bereits im Juli 1933 verkaufte die Leonard Tierz AG ihr Unternehmen an die neu geschaffene Westdeutsche Kaufhof AG. Doch obwohl dadurch ab Herbst 1933 nur noch äußerst selten Anzeigen jüdischer Geschäfte in den Zeitungen des Kreises erschienen, sorgten sie weiterhin für Spannungen. Noch im Mai 1935 prangerte Kreisleiter und Landrat Simmer in einem Tätigkeitsbericht an die 'Gauleitung' in Koblenz die fortdauernde Veröffentlichung von Annoncen jüdischer Geschäfte in den Zeitungen seines Kreises an. Im Umfeld der Nürnberger Gesetze", (15. September 1935) wurde es jüdischen Firmen verboten, in Zeitungen zu inserieren.
Inhaltliche Veränderungen
Der Einfluß der örtlichen Nationalsozialisten auf den lokalen Teil der Kreiszeitungen blieb in den ersten drei Monaten der nationalsozialistischen Herrschaft auffallend gering. Erstmals in größerem Umfang über nationalsozialistische Aktivitäten berichtete die Ahru'eiler Zeitung in der zweiten Aprilhälfte 1933. Anläßlich des Geburtstages Adolf Hitlers veröffentlichten Kreisleitung und Ortsgruppe Ahr-weiler-Bad Neuenahr eine Grußadresse, die erste Anzeige der Nationalsozialisten in dem Ahrweiler Blatt. Doch obwohl den Nationalsozialisten nun mehr Raum in der Zeitung zugestanden wurde, erschienen in der Ahru'eiler Zeitung und der Sinziger Zeitung noch bis 1936 regelmäßig halbseitige Berichte über Veranstaltungen katholischer Vereine. Konzessionen an die Nationalsozialisten, wahrscheinlich unter Druck, waren jedoch unumgänglich. So erschien vom 27. Juli 1933 an in der Ahrweiler Zeitung die Rubrik Aus der NSDAP" mit einem Hakenkreuz als Blickfang für den Leser. Ab dem 19. Oktober 1933 konnte die Reichspropagandastelle Koblenz-Trier-Birkenfeld" unter einem eigenen Logo ihre Amtlichen Anordnungen und Bekanntmachungen" in der Ahrweiler und Sinziger Zeitung veröffentlichen.
Eigenwerbung zum 70jährigen Bestehen der Ahrweiler Zeitung (Nr. 96 vom 12.8.1933).
Die amtlichen Bekanntmachungen
Anfang 1933 hatten alle Zeitungen des Kreises Ahrweiler amtlichen Charakter, jedoch durfte sich nur die Ahrweiler Zeitung als Amtliches Kreisblatt" bezeichnen, was ihr den Großteil der amtlichen Veröffentlichungen auf Kreisebene sicherte. Nach der 'Machtergreifung' der Nationalsozialisten erhielt jede Gauzeitung den amtlichen Titel, sofern sie ihn nicht schon vorher für sich beanspruchen konnte. Auf das ehemalige amtliche Kreisblatt, die Ahrweiler Zeitung, schien der Entzug des offiziellen Titels, jedenfalls vom Umfang der amtlichen Anzeigen her, vorerst keine Wirkung zu haben, da ihre durchschnittliche tägliche Anzahl noch bis Mai 1934 in etwa gleichblieb. Im nationalsozialistischen Koblenzer Nationalblatt findet man für den selben Zeitraum nur wenige amtliche Bekanntmachungen aus dem Kreis Ahrweiler. Die Behörden des Kreises scheinen ihre Praxis bei der Vergabe der Anzeigen nicht geändert und weiterhin die bürgerlichen Blätter Adenauer, Ahrweiler und Sinziger Zeitung bevorzugt zu haben - trotz anderslautenden Anordnungen von Regierungsstellen. Eine Reihe von Beschwerden des Nationalblatts oder nationalsozialistischer Ortsgruppen in den folgenden Jahren verraten, daß verschiedene Behörden, insbesondere im Amtsbezirk Adenau, die Regierungsanweisungen ignorierten und weiterhin in den nichtnationalsozialistischen Kleinzeitungen des Kreises veröffentlichten.
Bezugszwang für BeamteNach der Machtübernahme begannen die Nationalsozialisten schon bald. massiv auf die öffentlichen Bediensteten einzuwirken, nur die Staatspresse zu lesen. Für die Kreiszeitungen - insbesondere für das ehemals amtliche Kreisblatt Ahrweiler Zeitung - bedeutete der unter Druck von Regierungs- und Parteistellen zustandekommende Wechsel vieler Beamter zur narionalsozialistischen Zeitung erhebliche wirtschaftliche Einbußen. nicht nur durch die sinkenden Abonnenteneinnahmen, sondern auch aufgrund der wachsenden Unattraktivität der Zeitungen für die Inserenten. Allerdings scheinen bis 1935 die häufigen Aufforderungen zum Bezug der Parteizeitungen unter der Beamtenschaft des K-reises Ahrweiler wenig Wirkung gezeigt zu haben, denn der Kreisleiter sah sich mehrmals gezwungen, in Rundschreiben die Behörden und Ämter anzumahnen, das Nationalblatt zu beziehen. Ähnlich wie im Fall der amtlichen Bekanntmachungen schienen sich also auch beim Bezug ihrer Zeitung ganze Behörden nicht an verbindliche Beschlüsse gehalten und trotz angedrohter Strafmaßnahmen weiterhin die gewohnten Blätter - in der Hauptsache wohl das ehemalige amtliche Kreisblatt Ahrweiler Zeitung - abonniert zu haben. In den Behörden des Kreises Ahrweiler wurde das Klima seit der Ernennung von Dr. Peter Simmer zum Landrat und Kreisleiter im Februar 1934 aber rauher.
Berufsverbot: Die Rhein-und Ahr-Zeitung soll lahmgelegt werdenAm 4. Oktober 1933 erließ Goebbels das Schriftleitergesetz. Der Beruf des Schriftleiters wurde zur öffentlichen Aufgabe" deklariert und die Zulassung zu diesem Beruf gesetzlich geregelt. Einem ehemaligen Redakteur einer Zentrumszeitung etwa, der sich weiterhin für katholische Belange einsetzte, konnte der Eintrag in die Berufsliste verweigert werden. Ein Blatt im Kreis geriet jetzt besonders ins Blickfeld: Die Rhein- und Ahr-Zeitung war vor 1933 die am stärksten vom politischen Katholizismus geprägte Zeitung der Ahrregion gewesen. Hatten bis dahin die Verbotsgründe nicht ausgereicht, so gab das Schriflleitergesetz vom 4. Oktober 1933 den Nationalsozialisten ein Instrument in die Hand. um die Rhein- und Ahr-Zeitung dauerhaft auszuschalten. Im Januar 1934 wurde der Antrag Kirfels und Dreesbachs auf Eintrag in die Berufsliste der Schriftleiter vom Landesver-band der deutschen Presse abgelehnt. Dies war ein schwerer Schlag für die Zeitung, da für die beiden Verleger eine Anstellung hauptberuflicher Redakteure als Ersatz aus finanziellen Gründen nicht möglich war. Doch die Zeitung reagierte schnell und flexibel: Sie tauschte die Hauptschriftleitung aus. ohne daß sich die Kompetenzen de facto veränderten.
Als neuer Hauptschriftleiter setzte der Verlag den bisherigen freien Mitarbeiter Karl Holtz ein. der alle Auflagen des Schriftleitergesetzes erfüllte. Die Redaktionsarbeit änderte sich durch den vordergründigen Austausch in der Hauptschriftleitung nur wenig, da Kirfel und Dreesbach, jetzt als freie Mitarbeiter. weiterhin ihre gewohnte redaktionelle Arbeit durchführten.
Betonung des heimatlichen ElementsSeit April 1933 fanden sich in den Kreiszeitungen vermehrt Eigenanzeigen. mit denen die Verlage für ihr publizistisches Produkt warben. Die am häufigsten verwendete Anzeige der Ahrweiler Zeitung lautete folgendermaßen: Wer seine Heimat liebt, der liest auch sein Heimatblatt! die Ahrweiler Zeitung - Bad Neuenahrer Zeitung mit ihren Nebenausgaben". Vorwiegend wurde wie hier die Treue des heimatverbundenen Menschens zu seinem 'angestammten' Heimatblatt in den Anzeigen beschworen. Im ungleichen Wettbewerb mit den nationalsozialistischen Blättern mußten die Kreiszeitungen, um wirtschaftlich zu überleben. ihre Stärken ausspielen, die in der ausgeprägten Lokalberichterstattung und im engen Verhältnis zur Leserschaft und zu den Anzeigenkunden lagen. Insbesondere die Ahrweiler Zeitung setzte in hohem Maße auf die Identifizierung des Leserkreises mit ihrem gewohnten Heimatblatt. Ab Ende 1933 wuchs ihr Lokalteil deutlich.
Ein neuer Abschnitt der Gaupresse": Das Nationalblatt in Bad Neuenahr
"In stetem, zielbewußtem Kampfe eroberten wir einen Kreis nach dem ändern." So beschrieb der Verlagsleiter des Nationalblatts bei der Eröffnungsfeier der Bad Neuenahrer Geschäftsstelle am l. Mai 1934 die Expansion der nationalsozialistischen Zeitung, in deren Verlauf der Nationalverlag im rheinisch-pfälzischen Raum ein Netz von Nebenausgaben aufbaute. Mit dem neuen Kreisleiter und Landrat Dr. Simmer konnte der Nationalverlag auf einen Bundesgenossen im Kampf um den Leser im Kreis Ahr-weiler zählen, der mit allen Mitteln für die Verbreitung der Zeitung sorgen würde. Es ging nicht um fairen Konkurrenzkampf. in dem die Konkurrenzzeitungen möglichst zurückgedrängt werden sollten, sondern das Ziel der Nationalsozialisten war die völlige Vernichtung der katholischen Zeitungen im Kreis Ahrweiler.
Inhaltliche Unterschiede zum NationalblattWas Layout, Aufbau und Umfang betraf, waren die Kreiszeitungen dem Nationalblatt klar unterlegen. Das Nationalblau präsentierte sich in seiner Gestaltung als moderne Regionalzeitung mit fortschrittlichem Layout, umfangreichem Bildmaterial in jeder Ausgabe und seitenumfassenden Rubriken. In seiner klaren äußeren Gestaltung war das Nationalblatt nicht zu vergleichen mit den katholischen Zeitungen im Kreis Ahrweiler, denen immer ein wenig der Anschein des Provisorischen anhaftete. Inhaltlich waren die Unterschiede zwischen dem Nationalblatt und den katholischen Kreiszeitungen noch eklatanter. Erging sich das Nationalblatt in jeder Ausgabe in Lobeshymnen über die Arbeit der nationalsozialistischen Regierung und die Errungenschaften des 'neuen' Deutschland und heizte gegen Staatsfeinde und die europäischen Nachbarn, so erschienen vergleichbare Inhalte in den katholischen Zeitungen, die sichtlich um Objektivität bemüht waren, viel seltener. Nur zu besonderen Anlässen wurden lokalen Veranstaltungen der Nationalsozialisten größerer Raum zubemessen, etwa zum l. Mai oder zum Erntedankfest. Trotz der Überwachung durch die örtlichen Nationalsozialisten erschienen gelegentlich Artikel mit kritischem Unterton im lokalen Teil der Kreiszeitungen. Man darf aber nicht den Fehler begehen, die katholischen Zeitungen des Kreises deshalb zu Trägern des Widerstandes hochzustilisieren. Diese Resistenzformen erwuchsen im wesentlichen nicht aus einer bewußten aktiven Opposition, sondern aus einer Haltung, die man mit dem Begriff 'Beharren auf dem traditionell Überlieferten' umschreiben könnte und die sowohl die Leser als auch die Zeitungsmacher im Kreis Ahrweiler prägte.
Nach den Amann-Anordnungen: Die Rhein- und Ahr-Zeitung reagiert
Am 24. April 1935 erließ der Präsident der Reichspressekammer. Max Amann, drei Anordnungen. Mit ihrer Hilfe konnte Amann fast jede ihm unliebsame Zeitung schließen. Sie richteten sich gegen die noch bestehende Presse, die nicht nationalsozialistisch war, vor allem die katholischer Prägung. Für jeden Verleger einer katholischen Zeitung gab es nur eine Konsequenz:
Er mußte religiöse, insbesondere religiös-politische Beiträge weitgehend aus dem Zeitungsinhalt herauslassen, wollte er die weitere Existenz seiner Zeitung sichern. Trotz der auch weiterhin fortgesetzten Bemühungen der Kreiszeitungen um die Bewahrung ihres katholischen Charakters mußten sie den Nationalsozialisten nach den Anordnungen eine Reihe von Zugeständnissen machen. Der letzte Abdruck eines Hirtenbriefes datiert auf den 26. Februar 1935, das letzte Hirtenwort der Fuldaer Bischofskonferenz erschien am 9. März 1935. Seit dem 27. Juli 1935. genau nach Ablauf der von Amann verfügten dreimontigen Übergangsfrist, fehlte in der Ahr-weiler-Bad Neuenahrer Zeitung (so hieß die Ahrweiler Zeitung seit März 1934) und der Sinziger Zeitung die Rubrik Sonntagsgedanken", die seit den zwanziger Jahren jeden Samstag Besinnliches oder Auslegungen von Bibelstellen präsentiert hatte. Der Handlungsspielraum für die Rhein- und Ahr-Zeitung wurde durch die neuen Bestimmungen immer enger. Als Verleger einer ehemals zentrumsnahen Zeitung und mit journalistischem Berufsverbot belegt, mußten Dreesbach und Kirfel jederzeit damit rechnen, bei geringfügigen Verstößen gegen die Anordnungen aus dem Reichsverband der Zeitungsverleger ausgeschlossen zu werden, was das Ende der Zeitung und die Existenzgefährdung aller Mitarbeiter bedeutet hätte. Die beiden Verleger vollzogen daher einen geschickten Schachzug: Sie verzichteten auf ihre Verlagsrechte zugunsten Dreesbachs 21jährigen Sohnes Karl, der politisch unbelastet war. Die Leitung von Verlag und Redaktion war durch die Personalmaßnahmen der Altverleger für die Nationalsozialisten unangreifbarer geworden.
1934-1936: Die Auseinandersetzung mit dem Nationalblatt auf ihrem Höhepunkt
Die Alleinherrschaft unserer Presse im Kreise Ahrweiler" war im Mai 1934 als Ziel von Landrat und Kreisleiter Dr. Simmer ausgegeben worden, und nach der Einrichtung der Lokalredaktion in Bad Neu-enahr machte sich das Nationalblatt daran, mittels aggressiver Werbung die ehemals zentrumsnahen Kreiszeitungen völlig zu verdrängen. Leser konkurrierender Zeitungen wurden von Werbern massiv unter Druck gesetzt. Im Jahre 1935 intensivierten Gau- und Kreisleitung ihre Werbung für das Nationalblatt. Kreisleiter Simmer regte immer wieder -auch nach nationalsozialistischem Recht - ungesetzliche Methoden an. Dazu gehörte das Mittel des Boykotts: Einen konkreten Fall schildert der Lagebericht Niederbreisig des Amtsbürgermeisters vom 27. Juni 1935: Den Pg. und Mitgliedern der Gliederungen und betrauten Organisationen war vom 15.-19.6. das Betreten des Lokales 'Zur alten Post' in Niederbreisig verboten, weil der Wirt es nicht für nötig hielt, eine nationalsozialistische Zeitung zu halten." In allen Bereichen des öffentlichen Lebens sollte also Druck ausgeübt werden, um die konkurrierenden Zeitungen endgültig vom Markt zu verdrängen. Doch trotz gelegentlicher Erfolge mußte Simmer in steigendem Maße Rückschläge an die Gauleitung melden. Tief bedauerlich" sei es, daß 90 % der [nationalsozialistischen] Gliederungen noch nicht Bezieher unserer Gaupresse sind", schrieb er im November 1935. Trotz der intensiven Werbebemühungen Simmers und des Nationalverlags bezogen zum 20. September 1935 nur 19,5 °/o der Haushalte (2.656 Vollbezieher, 369 Wochenendbezieher) im Kreis Ahrweiler das Nationalblatt.
1935: Die Ahrweiler-Bad Neuenahrer Zeitung kämpft ums Überleben
Im Jahre 1934 mehrten sich die Zeichen, daß die Ahru'ei-ler-Bad Neuenahrer Zeitung am finanziellen Limit agierte. Eigenwerbung. die Vokabeln wie 'Treue' und 'Arbeitslosigkeit' enthielt, wurde insbesondere nach Einrichtung der Lokalausgabe des Nationalblattes immer häufiger in dem Ahrweiler Blatt. Gewinne waren, wie der Plachner- Verlag selber bekundete, mit der Zeitung nicht mehr möglich, sein vorrangiges Ziel für die Zukunft war der Erhalt seiner Arbeitsplätze. Nicht nur in Eigenanzeigen kündigte der Verlag daher an. weiter für den Erhalt der Ahrweiler-Bad Neuenahrer Zeitung zu kämpfen. Hauptschriftführer Alfred Plachner stellte in einem Schreiben an den (nationalsozialistischen) Brohler Bürgermeister Felinger klar: Sie werden verstehen können, daß wir um die Erhaltung unserer stark gefährdeten Existenz alle uns zu Gebote stehenden Mittel ergreifen." Das Krisenjahr des Plachner-Ver-lages sollte jedoch erst noch kommen. Hatten die Anzeigen 1933 noch 2 bis 2 1/2 Seiten samstags und eine halbe bis eine Seite werktags umfaßt. gingen Anfang 1935 die Anzeigenerlöse noch weiter zurück. Samstags druckte die Zeitung nur noch selten l 1/2 Seilen Anzeigen, an Werktagen gar nur noch 1/4 Seite. Am 7. Januar 1935 unterrichtete der Gauamtsleiter Landrat Simmer in einem Schreiben mit dem Vermerk vertraulich" über das finanzielle Dilemma des Plachner-Verlages:
Wie mir aus zuverlässiger Quelle mitgeteilt wird. tragen seit Wochen die Rechnungen der Firma Plachner, Ahrweiler, den Stempelvermerk: Alle Zahlungen bitten wir nur auf unser Postscheckkonto und nicht auf unser Konto bei der Kreissparkasse einzuzahlen.' Die Firma Plachner. die bei der dortigen Kreissparkasse sicherlich hohe Schulden hat. wird auf diese Weise wohl einem Zugriff zu entgehen versuchen." Alfred Plachner hatte seine Ankündigung aus seinem Schreiben an Felinger also wahrgemacht, mit allen 'zu Gebote stehenden Mittel' gegen den drohenden Konkurs des Verlages anzukämpfen.
Trotz seiner Finanziellen Probleme ging der Verlag jetzt in die Offensive. Er erhöhte die Attraktivität der Ahrweiler-Bad Neuenahrer Zeitung durch die Intensivierung der Lokalberichterstattung und erweiterte, trotz der damit verbundenen Steigerung der Papierkosten, den Umfang der Samstagsausgabe von 12 auf 14 Seiten. Aber erst Anfang 1936 konnte die finanzielle Abwärtsbewegung aufgehalten werden. Erstes Anzeichen dafür war die weitere Umfangssteigerung der Samstagsausgabe auf 16 Seiten. Im Verlaufe des Jahres konsolidierten sich dann die Anzeigenerlöse. Die bis dahin schwerwiegendste Krise der Verlagsgeschichte war überwunden.
Anzeigentext vom Sept. 1993.
Zuversicht strahlte daher die 36seitige "Fest-Ausgabe der Ahrweiler-Bad Neuenahrer Zeitung anläßlich ihres 75jährigen Bestehens" aus, in der auf über 20 Seiten praktisch die gesamte Geschäftswelt der näheren Region inserierte.
Die Kriegszeit 1939-1945Der Kriegsbeginn 1939 hinterließ auch bei den drei verbliebenen Kriegszeitungen - die Adenauer Zeitung hatte zum l. Februar 1938 ihr Erscheinen aus wirtschaftlichen Gründen eingestellt - seine Spuren. Das Aussehen der Zeitungen wandelte sich. Papierkontingentierung und dünne Mitarbeiterdecke bewirken. daß der Umfang der Zeitungen deutlich sank. 1940 druckte die Ahrweiler-Bad Neuenahrer Zeitung nur noch 8 Seiten, sowohl samstags als auch an Werktagen. Vier Jahre später bildeten nur noch 4 Seiten eine werktägliche Ausgabe, samstags hatte die Redaktion 8 Seiten zur Verfügunginhaltlich boten die Kreiszeitungen über die nächsten Jahre ein Spiegelbild der Kriegslage. Bestimmten 1939 bis 1942 Jubelberichte über deutsche Siege den Zeitungsinhalt, so machten sie nach der Niederlage von Stalingrad im Januar 1943 mehr und mehr Durchhalteparolen Platz. Zu den bisher beschriebenen Lenkungsmechanismen kam ab dem 26. August 1939 die Militärzensur und ab September 1939 die Überwachung durch die Gestapo hinzu. Viel Freiraum blieb den Redakteuren zwischen Militärzensur und Gestapoüberwachung also nicht. Dennoch versuchten die Kreiszeitungen, ihren treuen Lesern ein wenig von ihrem alten Erscheinungsbild zu bewahren. Die Lokalberichterstattung füllte bei allen überlebenden Zeitungen noch bis zum Kriegsende mindestens eine Seite. Ahrweiler-Bad Neuenahrer Zeitung wie auch Sinziger Zeitung erschienen noch bis zum Einrücken der Amerikaner im März 1945, die Einstellung erfolgte auf deren Befehl.
Das Ende der Rhein- und Ahr-Zeitung
1939 wechselte die Hauptschriftleitung der Rhein- und Ahr-Zeitung. Alfons Witsch übernahm deren Leitung. Witsch war zuvor beim Westdeutschen Beobachter und beim Nationalblatt tätig gewesen. wurde jedoch im März 1937 von der Bad Neuenahrer Schriftleitung der Gauzeitung entlassen, da es anscheinend zu Differenzen zwischen ihm und der Kreisleitung gekommen war. Der seit 1933 schwelende Konflikt zwischen der Kreisleitung und der Rhein-und Ahr-Zeitung mußte durch die Einstellung Witschs als Hauptschriftleiter der Zeitung neue Nahrung bekommen. Und tatsächlich betrieb die Kreisleitung während des Krieges zusammen mit dem Nationalverlag intensiv die Übernahme der Zeitung. Im Mai 1942 war es soweit: Karl Dreesbach wurde davon unterrichtet. daß er seine Zeitung an den Nationalverlag zu verkaufen habe. Alternativen gab es nicht, der Übernahmevertrag war bereits fertig aufgesetzt. So blieb ihm nichts anderes übrig, als mit seiner Unterschrift am 28. Mai 1942 das Ende der Rhein- und Ahr-Zeitung zu besiegeln. Wie wichtig dem Nationalverlag die Übernahme der Rhein- und Ahr-Zeitung war, beweist der Kaufpreis. Dreesbach erhielt 10 Reichsmark pro Abonnement. insgesamt 20.000 Reichsmark, üblich waren normalerweise 3 Reichsmark pro Bezieher. Laut Kaufvertrag mußte am 30. Juni 1942 in der Rhein- und Ahr-Zeitung ein Aufruf erscheinen, in dem der Verlag seine Leser aufforderte, geschlossen zum Nationalblatt überzugehen. Doch gerade das tat ein erheblicher Teil der Leser nicht. Dies geht aus der Tatsache hervor, daß die Auflage der Ahrweiler-Bad Neuenahrer Zeitung im Krieg sprunghaft nach oben schnellte, was nicht alleine aus einem erhöhten Informationsbedürfnis zur Kriegslage zu erklären ist. Im Oktober 1944 betrug die Auflage der Zeitung 3.549 Exemplare und hatte damit den absoluten Höchststand der gesamten Verlagsgeschichte erreicht.
Literatur: