Als die Arenburg zur Ruine wurde Eisenhüttenbesitzer Poensgen durfte die Mauern 1813 niederreißen

Dr. Peter Neu

„Auf dem Plateau von Arenberg prangte ehedem das prächtige, den Wettern und Stürmen trotzende Schloss der Durchlauchtigsten Herrschaft gleichen Namens, prachtvoll erhob es sich über sämtliche Gebirge der nahen und fernen Umgegend, und jetzt, nach wenigen Jahren, sieht man an seiner Stelle nur noch eine - Ruine. Die Kuppe des Berges ist seltsam durch einen ungeheuren und aus weiter Ferne bemerkbaren Ring von Basalt-Blöcken größten Theils begrenzt, beträgt etwa 50 Morgen und ist über dem mittleren Rheinstrom zu Koblenz 1817 und über dem Meeresspiegel 2.022 Rheinische Fuß erhaben."

So beschrieb im Dezember 1827 Förster Haack aus Monschau die Reste der einst so prächtigen Burg auf dem Arenberg. Haack hatte im Auftrag der Arenberger Kanzlei in Brüssel das ehemalige Herzogtum an der Ahr und die alte Burg aufgesucht.

Wenn man bedenkt, dass die herzogliche Familie damals gerade erst 33 Jahre lang die Burg verlassen hatte und wenn man sich vorstellt, wie mächtig die Mauern der Anlage gewesen sein müssen, dann verwundert es sehr, dass der Zerfall so rasch vor sich gehen konnte. Wie war es dazu gekommen?

Die Ruinen der Arenburg um 1820. Gemälde eines unbekannten Malers

In der gängigen Literatur über das Schloss liest man immer wieder, dass die französischen Behörden 1803 das Schloss einem gewissen Willmart für rund 3.000 Franken verkauften und dass dieser den Bau als Steinbruch benutzt habe. Bei einer näheren Untersuchung der Vorgänge zeigt sich jedoch sehr rasch, dass sich hier Wahres und Falsches miteinander vermischt haben. Willmart, ein Wirt aus Koblenz, dürfte die Arenburg wahrscheinlich nie gesehen oder besucht haben.

Nachdem im Herbst 1794 der blinde Herzog Ludwig Engelbert von Arenberg mit seiner Familie die Eifel verlassen hatte, wohnten zunächst noch treue Beamte des Herzogs in dem prächtigen Bau. Die beiden Räte Landschütz und Kreutzberg versuchten nicht nur an Kunstgegenständen, Möbel oder Schriften zu retten, was zu retten war, sie steigerten auch insgeheim bei den öffentlichen Versteigerungen im eigenen Namen Ländereien an. Dabei bestand fast ständig Kontakt zum Herzog selbst oder zu seinen in Brüssel zurückgelassenen Beratern. Das Geld für die Versteigerungen erhielten die Arenberger Räte in der Regel aus Brüssel, und als 1803 der gesamte Burgberg mit dem Schloss zur Versteigerung anstand, berichtete Kreutzberg sofort über den Mittelmann, den Dr. G. Daniels, Köln, nach Brüssel. Er schrieb: „So finde ich es … rathsam, das Schloß anzusteigern, weilen die taxe von 3.000 Franken1) bey der wirklichen Versteigerung nicht viel überstiegen werden kann und diese Summe sehr leicht aus den Materialien hergenommen werden könnte." Und auch Rat Landschütz berichtete schriftlich, „man müsse es kaufen, es möge auch kosten, was es wolle."

Von der Ankündigung der Versteigerung bis zum Termin aber blieb nur eine Frist von rund 10 Tagen. Als so die Versteigerung in Koblenz vor sich ging, lag die Erlaubnis des blinden Herzogs noch nicht vor. Dennoch gestattete Daniels dem treuen Kreutzberg, wie gewohnt in eigenem Namen steigern zu lassen und bis zu einem Preise von 4.500 Franken mitzusteigern. Für rund 3.000 Franken ließ Kreutzberg den Bau am 15. September 1803 von einem gewissen Jean Gaspar Willmart, Gastwirt aus Koblenz, steigern. Der Wirt gab zu Protokoll, im Namen eines Johann Michael Kreutzberg aus Aremberg gesteigert zu haben.

Nachdem die politische Situation sich in Mitteleuropa wieder beruhigt hatte, übertrug Kreutzberg das Anwesen dem Herzog von Arenberg, der ihm auch die Kaufsumme 1803/04 zur Verfügung gestellt hatte.

Inzwischen hatte der Herzog von Arenberg in Westfalen und im Emsland als Entschädigung für die auf dem linken Rheinufer verlorenen Güter neue Besitzungen erhalten. Was also sollte mit den im Stammland an der Ahr erworbenen Ländereien geschehen? Kreutzberg wohnte anscheinend bald allein auf der Burg, denn Landschütz war nach Recklinghausen in das „neue Herzogtum" umgezogen. 1804 berichtete Kreutzberg nach Brüssel: „Ich lebe übrigens in einer ständigen Ungewißheit, ich bivaquiere - wenn man es so nennen kann - auf diesem Berg (= Arenberg)." Er klagte darüber, dass man ihn anscheinend vergessen habe, obwohl er doch in Sorge um die zurückgebliebenen Güter des Herzogs manche Gefahr und manches persönliche Opfer auf sich genommen habe.

Um die Gemäuer selbst sah es um 1803/04 schlecht aus. Kreutzberg schrieb so im Sommer 1804 an Daniels, das Haus benötigte dringend ein neues Dach. Seit 15 Tagen habe er Handwerker am Bau, die nötigen Materialien habe er sich besorgt. Obwohl er jeden Pfennig für den Bau ausgebe, fielen die Mauern mehr und mehr zusammen. Es fehle ihm auch an Geld, um die Handwerker zu bezahlen.

Offenbar dachte man im Sommer 1804 also noch daran, die Gebäude zu erhalten. Aber schon im Herbst desselben Jahres berichten die Quellen immer wieder von Wagen, die von der alten Arenburg nach Düsseldorf unterwegs waren. So wurden zwei große Bibliotheksschränke im Oktober auf den Weg gebracht.

Im Dezember wandte sich der blinde Herzog direkt an Kreutzberg. Er bat ihn und den ehemaligen Schlossverwalter Trautmann, der damals auch auf der Burg wohnte, alle noch vorhandenen Möbelstücke nach Köln oder Düsseldorf zu senden. Dem „alten Trautmann" solle man nur so viel an Möbel lassen, als er unbedingt brauche. Im gleichen Sinne schrieb der Herzog an seinen Rat Thomas Stock, der in Düsseldorf weilte. Er wünschte, das Schloss ganz zu „demeublieren", so dass man nicht mehr nötig habe, noch einmal auf den „Berg" zu fahren.

Im Sommer 1808 berichtete G. Michels aus Antweiler dem Arenberger Rat Georg Peter Landschütz, der damals schon längst in Recklinghausen heimisch geworden war, über einen Besuch in der Burg: „Herr Trautmann hat uns alles gezeigt. … Deine alte Wohnung bewohnt jetzt der Feldwebel Moers. Die Gebäude fangen an zu verfallen. Sie werden bald ganz zusammengefallen sein, wenn sie nicht bald repariert werden."

Vier Jahre später sah es noch wesentlich schlimmer auf dem Burgberg aus. Der Arenberger Rentmeister N. Marchal, der den Besitz besucht hatte, berichtete dem Juristen Mary, Enghien, über seine Reise in die Eifel:

„Hautepenne, 22. Nov. 1812

Monsieur,

Das Schloß in Arenberg zerfällt zusehends. Dort lebt nur noch der alte Sergeant Mörsch, um es zu bewachen. Aber es wird schlecht gehütet, denn er fürchtet sich und wagt es nicht, den Bau zu verlassen, wenn er bei Nacht hört, daß am Bau abgerissen wird. Und Sie wissen ja, daß die Burg ziemlich entfernt vom Dorf liegt. Und das Elend der Leute ist so groß, daß sie sich leicht zu Diebstahl hinreißen lassen. Man hat mir geschrieben, daß am Tag nach meiner Abreise bei Nacht Blei und Balken gestohlen wurden. Der Regen und die anderen Unwetter tun auch unablässig ihr Werk, um die völlige Verwüstung zu beschleunigen …

Als ich das letzte Mal im Herzogtum war, haben mir zahlungskräftige Leute Angebote gemacht für den Fall, daß der Herzog sich dazu entschließen könnte, sich vom Schloß zu trennen. Ich denke, daß wir gut 8.000 bis 9.000 Franken für alles zusammen bekommen können, was wir in Koblenz für 3.000 Franken gekauft haben. Das ganze bringt jetzt (nur) 128 Franken Pacht. Wenn man dieses Kapital in Belgien einsetzen könnte, würde es sicherlich mehr eintragen, während es in Arenberg immer ein totes Kapital sein wird, eben wegen der Lage. Man könnte öffentlich verkaufen, aber dann müßte man auch damit rechnen, daß insolvable Spekulanten kommen.

Im übrigen werde ich Ihre Entscheidung abwarten.

Am 16. Juli 1809 habe ich bereits einen Bericht zu derselben Sache gemacht: Gemäß Ihrer Äußerung habe ich es Seiner Durchlaucht zur Entscheidung vorgelegt, der die Erlaubnis gab, alles zu verkaufen. Aber 1809 hat man mir nur 4.800 Franken für alles zusammen geboten, und dann verkaufte ich nicht, ausgenommen die Gebäude der großen Pferdeställe, wofür ich einen sehr guten Preis erzielte, wie Sie in den Kassenrechnungen nachlesen können. …

Wegen des Verkaufs der Wiesen zu Antweiler, die ich durch Janssen bekommen habe, stehe ich in Briefwechsel. Wenn ich dafür einen annehmbaren Preis bekommen kann, werde ich vor einem Abschluß Sie benachrichtigen. Der Pfarrer von Arenberg2) ist vorstellig geworden wegen der Erwerbung, denn er will eine Bleibe für seinen Neffen in Antweiler kaufen.

Ich habe die Ehre, Ihnen meinen Respekt zu vermelden.

N. Marchal"

Dieser Bericht von 1812 bezeugt wiederholte Diebstähle auf der Burg; dabei ging es sicher immer um Baumaterial. Trautmann und Mörsch waren ihrer Aufgabe nicht mehr gewachsen, den ganzen Berg konnten sie unmöglich vollständig überwachen. Was sollten sie auch bei finsterer Nacht tun, wenn ganze Mannschaften vermutlich mit Pferd und Wagen anrückten, Türen und Fenster ausbauten, Mauersteine aufluden und anderes Baumaterial stahlen?

Wann Feldwebel Moersch endgültig den Berg verließ, ist unbekannt, es dürfte etwa 1813/14 gewesen sein.

N. Marchal schloss endlich im Juni 1813 mit Erlaubnis des Herzogs Ludwig Engelbert von Arenberg einen Vertrag mit dem Eisenhüttenbesitzer J. A. Poensgen3) aus Schleiden. Poensgen erhielt die Erlaubnis, innerhalb von zwei Jahren die alten Gebäude der Burg auf dem Arenberg abzureißen („démolir") und das Baumaterial abzufahren. Allerdings waren einige Einschränkungen schriftlich fixiert:

  1. Die Mauern sollen, wenn irgend möglich, stehen bleiben und nur soweit abgerissen werden, dass man die Dachkonstruktionen abbauen kann,

  2. das große Eingangstor, über dem das Arenberger Wappen eingemeißelt war, darf nicht abgerissen werden und muss erhalten bleiben,

  3. Schutt oder Steine dürfen weder in den Teich noch in den Brunnen geworfen werden,

  4. die Umfassungsmauern des großen Hofes sollen nicht angetastet werden.

Poensgen zahlte für die Baumaterialien 4.500 Franken. Poensgen begann noch im selben Jahr mit dem Abriss.

Johann Abraham Poensgen (1772 - 1819), Eisenhüttenbesitzer in Hellenthal und Gangfort bei Schleiden, erhielt vom Herzog von Arenberg 1813 die Erlaubnis, die Burg weitgehend abzubrechen. Nach den Befreiungskriegen wurden die Arbeiten auf Anweisung des Herzogs unterbrochen.

Die umwälzenden Ereignisse der Jahre 1813 und 1814 aber brachten die Arbeiten ins Stocken: Das Ende der Ära Napoleons zeichnete sich ab. Die Franzosen hatten im Winter 1813/14 das Rheinland verlassen. Johann Abraham Poensgen selbst wandte sich deshalb am 6. April 1814 - inzwischen war die französische Herrschaft im Rheinland endgültig zu Ende - an seinen Vertragspartner N. Marchal und meinte, dass durch die besonderen politischen Veränderungen der Herzog nun vielleicht doch noch Wert darauf lege, die besten Bauwerke auf dem Arenberg zu erhalten. Noch sei es früh genug, einiges zu retten; er bat um eine möglichst schnelle Entscheidung des Herzogs. Poensgen berichtete, dass er zunächst denjenigen Bau abgerissen habe, in dem zuletzt der Rat Kreutzberg gewohnt habe. Dort seien alle Fenster, die Fußböden und sonstige Holzteile abgebaut, das Dach aber sei noch vorhanden.

Die Entscheidung des Herzogs kam noch Ende April 1814: Der Abriss wurde sofort eingestellt. Poensgen schrieb: „Das genannte Gebäude vonKreutzberg ist noch so, daß es wieder hergestellt werden kann." Allerdings musste der Herzog an Poensgen eine Entschädigung von 100 Louis4) zahlen.

Im Oktober 1816 bot ein konvertierter Jude aus Dollendorf dem Herzog 6.000 Franken für den Burgberg U. N. Marchal, der sich von Hautepenne aus erneut der Sache annahm, war nicht abgeneigt. Sein Kommentar zum Arenberger Land: „Das Herzogtum Arenberg ist ärmer, als es je war." Marchal scheint mit den Erträgen, die dem Herzog aus seinem Stammhaus um 1820 zuflossen, sehr unzufrieden gewesen zu sein.

Der alte, blinde Herzog Ludwig Engelbert ließ noch kurz vor seinem Tod bei der Aufzählung seiner Besitzungen niederschreiben: „Das Schloß Arenberg, das heute nur noch eine Ruine ohne Wert ist und das keinen Ertrag bringt, habe ich in meinem Namen von der französischen Verwaltung während des Sequesters gekauft, damit niemand sich Eigentümer des Schlosses nennen könne, zum Preis von 3.025 Franken."

Noch 1826 plädierte Marchal für den Verkauf aller Grundstücke an und auf dem Arenberg. Zum Burgberg selbst schrieb denn auch damals Sekretär Thomas Stock: „Der Herzog behielt den Burgberg in seiner ganzen Integrität, weil er seinen Namen trägt. Um aber auch hier nicht mehr mit verschiedenen Pächtern zu tun zu haben, die zum Theil schlecht und langsam zahlen, wären nach Ende der laufenden Pachtzeit die Stücke, welche sich zur Waldkultur eignen, … dazu zu bestimmen."

So wurde der Burgberg im Laufe des vergangenen Jahrhunderts völlig mit Wald bepflanzt. Das alte Gemäuer auf der Höhe aber zerfiel mehr und mehr. Heute sind nur noch die überwucherten Mauerreste zu erkennen.

Anmerkungen:

  1. Der Burgberg und die Gebäude waren mit 3.000 Franken taxiert und wurden zu diesem Preis in der Versteigerung angeboten.

  2. Pfarrer in Aremberg war 1799-1841 Chris-toph Neubusch, der aus Beßlingen/Luxemburg (*1766) stammte, 1841 in Aremberg starb und dort beerdigt wurde: Schug, Geschichte Pfarreien kurkölnisches Dekanat S. 83.

  3. Zweifellos handelte es sich um Johann Abraham Poensgen (1772-1819) aus Hellenthal, der ein Eisenwerk in Hellenthal besaß, aber auch zeitweise zusammen mit dem Herzog von Arenberg ein Werk in Gangfort bei Schleiden betrieb: Eifeler Geschlechterbuch Bd. 2, Glücksburg 1958, S. 348 - 349.

  4. In den Arenberger Ländern galt 1809 1 Louisdor = 7 Reichstaler, 20 Stüber, oder 20 Franken = 6 Reichstaler 12 Stüber: J. J. Scotti, Sammlung der Gesetze und Verordnungen, welche in dem vormaligen Churfürstenthum Cöln, im rheinischen Erzstift Cöln, im Herzogthum Westphalen und im Veste Recklinghausen … ergangen sind, Düsseldorf 1830.

Quelle:

Herzoglich Arenbergisches Archiv, Enghien, Besitz Aremberg/Arenberg 1812-1826, AR 132, 70/5.