„Trink Wein der Ahr, dass Absatz kommt!"

Weinpatenschaften, Weinpropaganda und Weinfeste an der Ahr in der NS-Zeit

Dr. Alois Döring

In einem Bericht über das Heimersheimer Winzerfest 1936 heißt es: Heimersheim, der größte Wein- und Winzerort im Ahrgebiet, eröffnet in diesem Jahre den Reigen der beliebten Winzerfeste, die seit der Machtergreifung durch die nationalsozialistische Bewegung wieder an der Ahr eingeführt worden sind und sich überraschend schnell eingebürgert haben. Nicht nur für die eingesessenen Winzerfamilien und Volksgenossen werden sie veranstaltet, sondern man will in erster Linie Gäste von nah und fern heranziehen, damit sie einmal die vorzüglichen Qualitäten unsres köstlichen Ahrburgunders näher kennen und schätzen lernen, und einmal, um sie mit den Sorgen und Nöten unserer Winzer bekannt zu machen. (AZ, 22.8.1936)

Die Winzerfeste sollten dazu beitragen, so führt Bürgermeister Pg. Eiden in seinem Willkommens-Grußwort zum Ahrweiler Winzerfest 1937 aus, dass jeder deutsche Mann und jede deutsche Frau sich des Wertes der im Weinbau und besonders der im Ahrrotweinbau ruhenden Volkskräfte und Volksgüter bewusst machen. Auch dieses - nach einem an Mühe und Sorge reichen Arbeitsjahr - gefeiertes Winzer- und Weinfest will reden dafür, daß jeder deutsche Volksgenosse seinerseits zu der Erhaltung und Stärkung des deutschen Rotweinbaues, dieses so wertvollen Gliedes des Reichsnährstandes bewirkt. Unser aus dem Heimatboden gewachsenes Winzerfest ist sich bewusst fern aller großstädtischen Sensationen und betont den geschichtlichen Charakter des Weinbaues. (AZ, 4.9.1937)

Die Weinfeste dienten also dazu, nationalsozialistische Ideen zu propagieren. Zwischen 1934 und 1939 nutzten die Nationalsozialisten die Winzernot, um mit Patenweinaktionen, Weinwerbewochen und Winzerfesten nicht nur vordergründig die wirtschaftliche Lage der Winzer zu verbessern, sondern auch den Winzerstand - speziell an Mosel, Saar und Ruwer, Nahe und Ahr- politisch-ideologisch zu instrumentalisieren. Wie das Erntedankfest unter der Blut-und-Boden-Mythologie eine eigene weltanschaulich-politische Sinngebung erfuhr,1) wurden Wein- und Winzerfeste als Tag der Volksgemeinschaft deklariert. Im Folgenden soll dies am Beispiel der Weinbauregion an der Ahr näher beleuchtet werden.2)

Rotweinpropaganda (1933)

Schon bald nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten unterbreitete der damalige Bürgermeister von Bad Neuenahr Dr. Felix Meyer dem Reichsnährstandministerium Vorschläge für die deut-sche Rotweinpropaganda. Wäh­rend seiner Amtszeit in der Rotweinstadt Bad Neuenahr war dem ehemaligen Gaupropagandaleiter die Förderung des deutschen Weins, insbesondere die Konsumförderung des Ahrburgunders ein Anliegen nach dem Motto: Trink Wein der Ahr, der nutzt und frommt, drum trinkt und trinkt, dass Absatz kommt! (AZ, 17.8.1934)

Posthum veröffentlichte die Ahrweiler Zeitung seinen 25-Punkte-Plan zur Hebung des Weinabsatzes. Darin schlägt Dr. Meyer u.a. vor:

Um das Interesse des deutschen Volkes im Sinne der nat.-soz. Anschauung näher für die Produkte der heimischen Scholle, insbesondere für das Produkt der schwer bedrängten und notleidenden deutschen Winzer, nämlich für den deutschen Wein, zu werben, schlage ich vor, einen Tag des deutschen Weines zu veranstalten, der von reichswegen organisiert und aufgezogen sein könnte:

1. An diesem Tage […] es ist Ehrenpflicht aller deutscher Männer und Frauen über 20 Jahre, wenigstens einen Pokal deutschen Weines zu trinken […]

7. Alle Wirte schenken den Pokal Wein aus zu volkstümlichem Preis, der durch die Organisation von Weinbau und Weinhandel einheitlich im ganzen Reich festzulegen ist […] 13. Um einer Zersplitterung der örtlichen Winzerfeste vorzubeugen, und die Propaganda schlagkräftig zu gestalten, veranstalten Weinhändler und Winzerorganisationen an einem Tage in allen Städten des Reiches Winzerfestzüge und Winzerfeste […]

21. Alle Kabaretts und Gaststätten halten einen Weinabend und die Woche über Winzerfeste […]

24. Der Tag des Weines soll jedes Jahr nach der Weinlese, wenn der neue Most im Keller gärt und zu Wein wird, abgehalten werden zur Erinnerung an die nationale Revolution von 1933, die auch nichts anderes als eine stürmische Gärung im deutschen Volke war, welche den trüben Most zu kristallklaren Wein werden ließ. (AZ, 18.8.1934)

Von diesen Vorschlägen finden sich manche beim 1. Deutschen Weinwerbetag (1934) sowie in dem „Fest der deutschen Traube und des Weines" (1935-1937) wieder.

Deutscher Weinwerbetag (1934)

Die erste reichsweite nationalsozialistische Propaganda-Aktion für den deutschen Weinbau lief mit dem 1. deutschen Weinwerbetag am 1. und 2. September 1934 ab. Es sollten die von der Reichsbetriebsgemeinschaft „Landwirtschaft" der deutschen Arbeitsfront zusammen mit der Reichsbetriebsgemeinschaft „Nahrung und Genuss", der NS-Hago und dem Reichseinheitsverband des Gaststättengewerbes unter der Gesamtleitung des Reichsnährstandes durchgeführten Veranstaltungen nicht nur eine kulturelle Angelegenheit, sondern darüber hinaus eine Absatzpropaganda unter dem Stichwort, trinkt deutschen Wein, sein. Deutscher Wein soll ein Volksgetränk werden. (AZ, 1.9.1934)

Ahrweiler organisierte sein ers-tes großes Wein- und Winzerinnen-Fest, zu dem die Oberbürgermeister von Bonn und Köln als Ehrengäste geladen waren, historische Reigen junger schöner Winzerinnen wurden vorgeführt. Alles in allem, ein Fest der Ahrwein-Propaganda: Außer der Deutschen Arbeitsfront und der Organisation ‘Kraft durch Freude’ als Träger der Veranstaltung, werden sich sämtliche NS-Organisationen in den Dienst d. Sache stellen. Vor allem gilt es, alle deutsche Volksgenossen zu überzeugen, dass der Wein kein Luxusgetränk ist. In diesem Sinne werden auch Werbeschriften, Plakate, Presse und Rundfunk werberisch aufklären. Sommerfeste, Platzkonzerte, Festzüge, Sonderveranstaltungen in Gaststätten und auf öffentlichen Plätzen sollen überall unter dem Gesichtspunkte einer durchgreifenden Weinpropaganda arrangiert werden. (AZ, 16.8.1934)

Das Weinwerbefest der Kreisstadt sollte mit Gemütlichkeit und Frohsinn von der Alltagswirklichkeit ablenken: Mit der Einführung des deutschen Weintages ist ein neuer Weg beschritten worden, um den Winzer wieder lebensfroh zu machen, ihm wieder die Lust und Liebe zur schweren Bearbeitung seiner Weinberge zu geben, die diese erfordern. Er soll alle deutschen Volksgenossen einmal zu der Erkenntnis bringen, dass der Wein kein Luxusgetränk ist, sondern neuen Lebensmut schafft und für Genesende sogar eine Stärkung bringende Medizin bedeutet […] Das Wein- und Winzerinnenfest, das das altersgraue Städtchen Ahrweiler heute und morgen im Rahmen des deutschen Weintages feiert, soll auch den vielen Gäs-ten, die hier Einkehr halten, einmal einen Einblick in das Leben und Treiben der Winzerfamilien geben. Jeder soll und muss einmal den edlen Tropfen versuchen, den der Winzer unter schwerster Arbeit den steilen Hängen abringt. Hier wird jeder, ob er will oder nicht will, einmal die drückenden Sorgen des grauen Alltags für einige Stunden vergessen können. (AZ, 1.9.1934)

Der von allen Beteiligten erfolgreich bewertete „Tag des deutschen Weines" war der Auftakt für weitere Aktionen einer instrumentalisierten, nationalsozialistischen Festkultur.

Die Weinpatenschaften (1934-1937)

Zur Förderung des Weinabsatzes und des Fremdenverkehrs wurden ab 1933 Wein- und WinzerInnen-Feste durchgeführt. Das 1. Winzerinnen-Volksfest in Altenahr fand vom 7. bis 9. Oktober 1933 statt. Schutz- und Schirmvogt der Winzer-Genossenschaften des einst kurkölnischen Amtes Altenahr war der Kölner Oberbürgermeister Dr. Riesen, dessen Patenschaft über Altenahr und seinen Weinbau dem Bemühen des zeitigen Bürgermeisters von Altenahr, Pg. Eiden, zu danken ist. Riesen würdigte die Mühen des Winzers um das Gedeihen einer guten Traubenernte und sagte bestmögliche Unterstützung im Kampfe des heimischen Rotweinbaues auf dem Absatzmarkte gegenüber der fremdländischen Konkurrenz zu. Namentlich werde er zunächst in Krankenhäusern und anderen Verbraucherkreisen, auf die er Einfluss habe, dem Ahrrotwein den ihm gebührenden Vorzug sichern. (AZ, 10.10.1933)

Diese Schirmvogtschaft für die Winzer an der Ahr war gewissermaßen ein Vorspiel zu den reichsweiten Weinpatenschaftsaktionen, welche in den Jahren 1935 bis 1937 vom Reichsnährstand als Winzerhilfswerk organisiert wurden und ihren Höhepunkt in dem jährlichen „Fest der deutschen Traube und des Weines" fanden.

Mayschoß im Winter auf einem Weinpatenschaftsbild des Eifelmalers Fritz von Wille, 1935/36

Die Patenweinidee entstand in Düsseldorf 1934: Am ‘Tag des deutschen Weines’ führt die Stadt Düsseldorf eine ebenso vorbildliche wie tatkräftige Hilfe für den notleidenden Winzerstand durch. Im besonderen Einvernehmen mit dem Düsseldorfer Gaststättengewerbe hat sich Düsseldorf ein besonders von der Not bedrängtes Weindorf ausgesucht und hierüber eine Art Patenschaft übernommen. (DW 13, H. 18/16.9.1934, S. 230)

Die Weinpatenschaften wurden in den folgenden drei Jahren in Zusammenarbeit von NSDAP, Reichsnährstand und Verwaltung im großen Rahmen organisiert. Eine wichtige Rolle spielte der Gauleiter der Westmark, Gustav Simon, der die Patenschaftsidee mit Hilfe des Parteiapparates in eine das ganze Reich erfassende Aktion umsetzte. Unterstützung fand Simon im Gauamtsleiter und Ahrweiler Landrat Dr. Simmer, der in seiner Darstellung der Weinpatenschaften-Aktionen den völkisch-ideologischen Hintergrund deutlich anspricht: So reifte denn aus nationalsozialistischem Denken, d. h. aus dem Denken der völkischen Zusammengehörigkeit und Schicksalsgemeinschaft und damit Volksgemeinschaft heraus der Gedanke der Weinpatenschaft. Es sollte überall in deutschen Landen durch Mobilisierung aller Kräfte der Partei, ihrer Gliederungen und aller Verwaltungsdienststellen ein Aufklärungs- und Propagandafeldzug unter dem Motto ‘Trinkt deutschen Wein’ durch­geführt werden.3)

Den Weinbaugebieten im Westen wurden Patenschaftsregionen und -städte vornehmlich in Nord- und Ostdeutschland zugeteilt. Das Patenkind Ahrburgunder hatte Patenstädte vorwiegend an Nord- und Ostsee, aber auch einzelne süddeutsche Städte, z. B. Göppingen und Augsburg.4)

Im Rahmen der Weinpatenschaften kam es vielerorts zu freundschaftlichen Beziehungen zwischen Weinbauern und Städtern, die der Ahrweiler Landrat Simmer beschreibt: Besuche und Gegenbesuche der Patenstädte und Patenkinder schufen ein enges Freundschaftsverhältnis: Die Fahrten der KdF und „ins Blaue" gingen nunmehr zum Patenkind.5)

Als Dank der Patenkinder schenkten die Orte Walporzheim und Heimersheim ihren Paten Wilhelmshaven beziehungsweise Rüstringen je ein prachtvolles Gemälde ihrer Heimat: Der bekannte Eifelmaler Fritz von Wille hat die Bilder angefertigt, und zwar in einer solchen Natürlichkeit, dass man glauben könnte, in Wahrhaftigkeit vor der wunderschönen Landschaft des Ahrtales zu stehen. […] Die Schenkungsurkunde ist auf weißem Blüttenpapier gedruckt und hat folgenden Wortlaut: In vino veritas! Unserer Patenstadt Wilhelmshaven beehrt sich der Patenweinort Walporzheim, vertreten durch die Unterzeichneten, ein Gemälde des bekannten Eifelmalers Fritz von Wille aus Dankbarkeit für die bisher geleistete tatkräftige Unterstützung bei Förderung des Absatzes des feurigen Ahrburgunders zu überreichen, mit der Bitte, dem Gemälde einen geeigneten Platz einzuräumen. Möge das Bild dazu beitragen, die zwischen Patenstadt und Patenort bestehenden freundschaftlichen Beziehungen zu vertiefen und festigen. (AZ, 11.7.1936; siehe auch DW 15, H. 26/12.7.1936, S. 440) - Professor Fritz von Wille hat noch weitere Patenschaftsbilder angefertigt.6)

Um die Verbundenheit zu dokumentieren, benannten die Weinorte auch Straßen nach den Patenstädten um, ebenso die Patenstädte Straßen nach ihren Patenkindern, so beispielsweise Wandsbek: Jetzt hat Wandsbek, die Patenweinstadt von Dernau (Ahr), eine ihrer Straßen in ‘Dernauer Straße’ umbenannt. Es ist das eine hohe Ehrung für den Ahr-Winzerort und es braucht nicht besonders gesagt zu werden, dass dadurch auch der Weinabsatz weiter gefördert wird. (DW 15, 11/29.3.1936, S. 166).7)

Fest der deutschen Traube und des Weines (1935-1937)

Um der Patenschaftsaktion einen ansprechenden und absatzfördernden Rahmen zu geben, wurde ein neues, oft als Weinwerbewoche bezeichnetes Fest ins Leben gerufen. Zu diesem reichsweiten „Fest der deutschen Traube und des Weines" gehörten Weinfeste mit Winzer-Festzügen, Kundgebungen, Großveranstaltungen, getragen von der Organisation KdF, Kameradschaftsabende der Betriebe, bei denen überall Ahrburgunder getrunken wurde.8)

Organisation

Die Gemeinschaftswerbung sowie der gesamte Patenweinabsatz wurde dem Reichsorganisationsausschuss für das „Fest der deutschen Traube und des Weines" übertragen, als Förderer und Mitarbeiter gehörten dem Ausschuss u.a. der Deutsche Gemeindetag, die Deutsche Arbeitsfront mit der NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude" und den Reichsbetriebsgemeinschaften Nahrung sowie Handel und Genuss und der Reichsfremdenverkehrsverband an. Der Reichsorganisationsausschuss stand unter der Führung des Reichsnährstandes und gliederte sich in die Unterausschüsse Werbung und Patenweinabsatz. Für das „Fest der deutschen Traube und des Weines 1936" übernahmen über 900 Städte, Gemeinden und Kreise die Patenschaft für die Weinbaugemeinden der Landesbauernschaft Rheinland, Hessen-Nassau und Saarpfalz.

Die Propaganda spiegelt sich in den Richtlinien des Reichsorganisationsausschusses, in den Reden und Aufrufen zum Weinfest sowie in den Presseartikeln wieder. Während der erste Teil der Richtlinien für das „Fest der deutschen Traube und des Weines 1936" den Absatz des Patenweins regelte, behandelt der zweite Teil die Werbung.9) Der Werbeplan sah eine umfangreiche Versorgung der Tages-, Fach- und Illustrierten-Presse mit geeigneten Aufsätzen und Bildmaterial über die Bedeutung des deutschen Weinbaus vor.

In den Zeitungsartikeln kehren die bekannten Ideologien von Sinn und Ziel dieser Weinpropaganda wieder, ein Beispiel mag genügen: Hilfe für den deutschen Winzerstand. Das große Hilfswerk, das der Reichsnährstand unter der Bezeichnung ‘Fest der deutschen Traube und des Weines’ in der Zeit vom 19. bis 26. Oktober ds. Js. durchführt, soll dem schwer um seine Existenz ringenden deutschen Winzerstande die Mithilfe des ganzen deutschen Volkes gewinnen. Es soll allen Volksgenossen Aufklärung brin­gen, welche wirtschaftliche und auch politische Bedeutung die Erhaltung und Erstarkung des deutschen Winzerstandes hat. […] Das Weinland der Westmark ist Schicksalsland deutscher Geschichte. Nicht zuletzt sind es die Winzer, die immer wieder, erdverbunden ihrer Heimatscholle, der sie ihr karges Dasein abringen müssen, an der Westgrenze die treue Wacht halten. Wirtschaftliche Stärkung dieser Volksteile heißt politische Stärkung der Grenz­wacht. (AZ, 19.10.1935)

Die Lieferung der Patenweine an die Patenstädte, wo der orts-eingeführte Weinhandel für die Abgabe an die Gaststätten etc. sorgte, inszenierten die Patenkinder gelegentlich festlich, zumindest 1935 für zwei Weinbaugemeinden an der Ahr bezeugt: Von Mayschoß aus gingen bereits eine Reihe Fuder Ahrwein nach Stettin, an die Patenstadt unseres Ortes, ab. Dieses nicht alltägliche Ereignis gab Veranlassung zu einer „feierlichen Überführung" des edlen Naß zum Bahnhof. Eine Musikkapelle in Winzertracht spielte schneidige Märsche. Die Behörden und eine Abordnung der Partei waren mit Hakenkreuzfahne anwesend. Unter Anteilnahme des ganzen Dorfes wurden die mit frischem Grün geschmückten Fuderfässer zur Verladung in bereitstehende Waggons zum Bahnhof transportiert. Selbst die Güterwagen […] gaben in großer Aufschrift davon Kunde, dass deutscher Ahrburgunder nach der Patenstadt Stettin reist. (AZ, 5.10.1935)

Aus Walporzheim wird berichtet: Unter feierlichem Gepräge gingen gestern vom hiesigen Winzerverein die ersten Fuder Patenwein nach Lübeck ab. Hierzu hatten sich die Spitzen der Partei, die Mitglieder des Winzervereins und eine große Menge Zuschauer eingefunden, die den geschmückten Fuderfässern das Geleit bis zum Bahnhof gaben. (AZ, 10.10.1935)10)

Der Absatz von Ahrwein war beträchtlich, die Mecklenburger Patenregion kaufte in den Wochen vor dem „Fest der deutschen Traube und des Weines 1936" 60 Fuder
Mayschosser Wein (AZ, 30.7.1936), und Wilhelmshaven bezog vor Beginn der Werbewoche 30000 Liter. (AZ, 24.9.1936) Insgesamt war die Patenweinaktion des Jahres 1936 für das Ahrweinbaugebiet von schönstem Erfolg.
Es konnten insgesamt rund 270000 Liter Patenwein abgesetzt werden, das sind rund 100000 Liter mehr wie im Jahre 1935. (DW 15, H. 42/1.11.1936, S. 717)

Weinfeste

Die Richtlinien des Reichsorganisationsausschusses bestimmten: Die NS-Gemeinschaft ‘Kraft durch Freude’ übernimmt in den Städten und größeren Ortschaften die Durchführung von Weinfes-ten, Festumzügen und Veranstaltungen. In rein ländlichen Gemeinden übernimmt die Durchführung die Reichsabteilung […] des Reichsnährstandes, wo sie durch ihre dauernde Tätigkeit engste Verbindung hat mit Betriebsführern und Gefolgschaftsangehörigen. (Wbl 34, H. 35/30.8.1936, S. 596) Die Weinfeste waren geprägt von den bekannten, charakteristischen Elementen von (Wein-) Volksfesten wie historisierende Festzüge, Auftritte von Trachtengruppen und Weinköniginnen sowie Darbietungen des an der Ahr beliebten Fähndelschwenkens.

Die Winzerorte richteten ihre Weinfeste im Rahmen der Weinwerbewoche aus: Das Ahrtal selbst gestaltet das Fest so, wie es seiner Bevölkerung zu eigen ist. Dem bekannten Ausflugsort Altenahr ist es vorbehalten, mit einem heimattraditionellen Winzerfest in den Tagen vom 19. bis 21. die Weinwerbewoche zu eröffnen […] In fast allen Winzerorten finden im Laufe der Woche lokale Veranstaltungen statt, die von den Behörden dann gestattet werden, wenn nur Wein zum Ausschank kommt. Bad Neuenahr, die wirtschaftliche Metropole des Ahrtals, beschließt das ‘Fest der deutschen Traube und des Weines’ mit einem großzügigen ‘Winzerfest der Ahr’, an dessen Gestaltung alle Winzergenossenschaften des Ahrtals Anteil nehmen. Tausende von Gästen sind bereits jetzt aus allen Gegenden Westdeutschlands, aus Norddeutschland und darüber hinaus aus Holland angemeldet. (AZ, 19.9.1936)

Heimersheim Oktober 1934: Bei der Weinlese wurde die fröhliche Einfahrt des letzten gefüllten Ladefasses zum Fest gestaltet.

Vom Winzerfest in Bad Neuenahr 1937 berichtet die Ahrweiler Zeitung: Den Auftakt des zweiten Tages bildete das Turnier der Fähndelschwenker, das unter zahlreicher Beteiligung durchgeführt wurde. Das vielseitige und ausgeglichene Können der 12 Teilnehmer machte den Punktrichtern das Amt nicht leicht. Sieger wurde der Vertreter des Junggesellenvereins Bachem. […] Der gestrige Montag stand im Zeichen der NS-Gem. ‘Kraft durch Freude’. Über 800 Urlauber, die augenblicklich im Ahrkreis zur Erholung weilten, kamen nachmittags zur Badestadt und nahmen an dem frohen Geschehen reichen Anteil. Und weiter führt die Zeitung aus: Hoffentlich bleibt dem Veranstalter ein gutes Wetter beschieden. Dann dürfte bei dem Gastkonzert der Paderborner Husaren die Badestadt noch einmal einen starken Besuch von auswärts zu erwarten haben. Der Zweck des Festes, den deutschen Ahrburgunder zu propagieren und für den regen Verkauf des köstlichen Gewächses Sorge zu tragen, ist dann erreicht. Über dem Weinfestplatz prangt ein hohes Transparent, das abends hell und farbenreich aufleuchtet. Trinkt Ahrburgunder, lesen die Besucher beim Betreten des Platzes. (AZ, 3.8.1937)

Der Winzerfestzug in Altenahr im Jahre 1934

Vor allem wurden Weinfeste in den Patenstädten organisiert, an denen politische Funktionäre sowie Winzergruppen aus den Patenkind-Orten mitwirkten: So feierte Wilhelmshaven-Rüstringen sein Winzerfest! Mit einer wahren Begeisterung haben unsere Jadestädter das Fest der Traube und des deutschen Weines gefeiert. […] Die Winzer und Winzerinnen erscheinen in ihrer kleidsamen Tracht, die Mädchen in weiten weißen, mit rot abgesetzten Röcken und weißen Häubchen und die Burschen in bunten Winzerhemden. Zuerst tanzten die Mädchen allein, während die Burschen sangen. Der figurenreiche Tanz unter den Weinlaubbögen fand ebenso starken Anklang wie der derbere Tanz ‘Wenn hier so’n Pott mit Bohnen steiht’ in der Arbeitstracht der Winzer. Ein besonderes Lob verdient der Fahnenschwinger mit seinen Darbietungen; übrigens eine Kunst, die nur noch in wenigen Gebieten gepflegt wird. Stürmischer Beifall wurde auch ihm. (AZ, 24.9.1936)

Wagen im Winzerfestzug in Altenahr im Jahre 1934

Und aus Hamburg wird enthusiastisch berichtet: Man konnte sich schlecht vorstellen, dass Norddeutsche es fertig brächten, ein vollkommenes rheinische Winzerfest zu veranstalten. Wie sehr man sich darin getäuscht hatte, dass [sic!] erlebten die Winzerinnen und Winzer im ‘Uhlenhorster Fährhaus’, im ‘Sagebiel’ und in den ‘Reisner-Sälen’ in Wandsbeck. (AZ, 22.9.1936)

Auch außerhalb der Weinwerbewoche wurden Weinfeste in Patenstädten organisiert, beispielsweise veranstaltete Stettin im April 1936 ein großes Winzerfest, auf dem ein Werbefeldzug für den Ahrburgunder durchgeführt werden sollte. Dazu hatten Vertreter der Kreisstadt Ahrweiler mit einer 12 starken Jungmädelgruppe die Fahrt nach Stettin angetreten, um dort in schmucker Winzerinnentracht die einheimischen Winzerinnentänze vorzuführen. (AZ, 18.4.1936)

Weinfest der Westmark (1937-1939)

Die Traubenernte fiel 1937 mengenmäßig gering aus, auch lief das Weingeschäft so gut, dass sich 1938 die zuständigen Stellen entschlossen, in diesem Jahr das „Fest der deutschen Traube und des Weines" nicht stattfinden zu lassen. (Siehe DW, 17, H. 30/24.7.1938, S. 449; AZ, 21.7.1938).

Die Weinpatenschaftsaktionen hatten den Winzern der Westmark, besonders auch an der Ahr, zu einem beträchtlichen Aufschwung verholfen.11) Von einer Winzernot war keine Rede mehr. In dieser für die Winzer günstigen Situation rief Gauleiter Gustav Simon das „Weinfest der Westmark" ins Leben. Es sollte den Besuchern ein Fest darbieten, wie es nur nationalsozialistische Pro­paganda und nationalsozialistischer Opfergeist zuwege bringen können.12) Es wurde am 16./17. Oktober 1937 in Bernkastel-Kues zum ersten Mal gefeiert. Es war daran gedacht, dieses Weinfest als alljährlich wiederkehrende zentrale Veranstaltung der Weinbaugebiete der Westmark als wahren Festtag des deutschen Volks zur Ehre des Winzers und damit des Grenzvolks durchzuführen. (AZ, 9.10.1937)

Im Jahre 1939 wurde das Fest anlässlich der 2. Reichstagung des deutschen Weinbaues in Bad Kreuznach geplant. Der vorgesehene Festzug sollte alles übertreffen: 35 Festwagen stellen die weinbautreibenden Kreise des Gaues, davon allein 18 der Kreis Kreuznach. Sie werden künden von berühmten Lagen und Gemarkungen der Nahe, der Ahr, der Mosel, der Saar und des Rheines und den in- und ausländischen Gästen den hohen Stand des westmärkischen Weinbaues vor Augen führen. Wieviel Mühe und Sorgfalt auf die Ausgestaltung der Festwagen verwandt wird, sei an einem Beispiel erläutert: Der Kreis Ahrweiler wird mit einem prunkvollen Blumenwagen vertreten sein. Eine riesige Weinflasche aus roten Dahlien wird den weltbekannten Ahrburgunder versinnbildlichen. Da die Unmenge Blumen, die hierfür benötigt wird, in Kreuznach allein nicht aufzutreiben war, mussten Bestellungen in Mainz und Wiesbaden getätigt werden. Ein Gärtner aus Ahrweiler wird kurz vor Beginn des Weinfestes eigens nach Kreuznach fahren, um die kunstgerechte Ausschmückung des Wagens an Ort und Stelle vorzunehmen. Weiter werden über 30 Winzer- und Trachtengruppen im Festzug mitwirken und ein anschauliches Bild von hohen Stand der Volkstumsarbeit unserer Winzer vermitteln. 14 Winzerkapellen mit über 200 Musikern marschieren in ihren schönen Heimattrachten im Festzug mit. (AZ, 15.8.1939)

Indes: Zu diesem Weinfest sollte es nicht mehr kommen. - Der Zweite Weltkrieg warf seine Schatten voraus.

Die Weinpatenstädte der Ahrburgunder 1936

Ahrweiler: Königsberg, Stralsund, Stargard, Stettin, Frauendorf, Randow, Podejuch und Züllchow-Pommern.

Altenahr: Swinemünde, Ueckermünde und Kreis Ueckermünde.

Bachem: Bad Bramstedt, Bad Segeberg, Barmstedt (Holstein), Kaltenkirchen (Holstein), Neumünster (Holstein), Nortorf (Holstein), Pinneberg, Kreise Pinneberg, Quickborn, Rendsburg, Kreis Segeberg, Wedel und Uetersen.

Bad Neuenahr: Amrum (Insel), Bredstedt (Holstein), Eiderstedt (Kreis), Elmshorn, Föhr (Insel), Garding (Holstein), Glückstadt (Elbe), Husum, Kreis Husum, Itzehoe, Kellinghusen (Holstein), Kollmar (Holstein), Kempe (Holstein), Leck (Holstein), Niebüll (Holstein), Nordstrand (Holstein), Ording (Holstein), Pellworm (Insel), St. Peter, Kreis Südtondern, Sylt (Insel), Kreis Steinburg, Tönning (Holstein) und Wilster (Holstein).

Bodendorf: Brunsbüttel, Burg i. Dithmarschen, Roder i. Dithmarschen, Kreis Heide (Holstein), Lunden (Holstein), Meldorf, Wesselburen und Marne.

Dernau: Wandsbeck bei Hamburg, Flensburg, Bad Oldesloe, Kreis Flensburg, Friedrichstadt (Holstein), Glücksburg, Kappeln, Schwarzenbeck, Lauenburg (Holstein), Kreis Lauenburg, Mölln, Schleswig, Kreis Schleswig und Stormarn.

Heimersheim: Augsburg, Göppingen (Württ.), Rüstringen und Göggingen bei Augsburg.

Marienthal: Delmenhorst

Mayschoß: Hamburg, Altona, Gleiwitz, Stettin, Bergedorf, Billstedt und Lohbrügge.

Rech: Hindenburg OS., Emden, Norden, Hannover und Wittmund.

Walporzheim: Wilhelmshaven, Lübeck, Güs-trow-Schwerin, Wismar, Rostock, Malchin, Friedland, Gredesmühlen, Bützow, Grabow, Parchim, Waren, Neubrandenburg, Neustrelitz und Ludwigslust (AZ, 20.7.1936; siehe auch die Zuteilungslisten der Patenstädte 1936, Wbl 34, H. 26ff. - Eine lediglich 15 Städte und Kreise umfassende Liste bei SIMMER, wie Anm. 3, S. 19)

Anmerkungen:

  1. Siehe Alois DÖRING: Erntedank. In: Hermann Eiselen (Hg.), Brotkultur. Ulm/Köln 1995, S. 24ff.

  2. Bei dem vorliegenden Beitrag handelt es sich um eine gekürzte Fassung des Aufsatzes: Alois Döring, Patenkind: Ahrburgunder. Weinpatenschaften, Weinpropaganda und Weinfest in der Zeit des Nationalsozialismus. In: Kulturen - Sprache - Übergänge. Festschrift für Heinrich L. Cox. Hg. von Gunter Hirschfelder, Adelheid Schrutka-Rechtenstamm und Dorothea Schell, Köln Weimar/Wien 200, S. 597 ff. Als Quellen wurden herangezogen: Ahrweiler-Zeitung 1933-1939 (= AZ; Mikrofilme im Kreisarchiv Ahrweiler und im Stadtarchiv Bonn); Der deutsche Weinbau 1934-1938 (= DW), Das Weinblatt 1936-1938 (= Wbl; Originale der beiden Wein-Fachzeitungen in der Deutschen Zentralbib-liothek für Landbauwissenschaften, Universität Bonn); Umfrage „Volksfeste im Rheinland" (Rheinisches Volkskundearchiv des LVR-Amtes für rheinische Landeskunde Bonn). - Zum Thema Weinpatenschaften für die Ahrweinbau-Region siehe auch Leonhard JANTA: Kreis Ahrweiler unter dem Hakenkreuz. In: Studien zu Vergangenheit und Gegenwart 2. Bad Neuenahr-Ahrweiler 1989, S. 9-305, S. 147ff.; für die Mosel siehe Erwin SCHAAF: Weinpatenschaften. Die Überwindung der Winzernot in der NS-Zeit. In: Heimatjahrbuch Bernkastel-Wittlich 1998, S. 154ff. - Für hilfreiche Unterstützung danke ich Herrn Leonhard Janta (Kreisarchiv Ahrweiler) und Herrn Ottmar Prothmann (Stadtarchiv Bonn).

  3. SIMMER: Die Weinpatenschaftsaktion im Kreise Ahrweiler. In: Jahrbuch des Kreises Ahrweiler 1937, S. 18-21, S. 18

  4. Zu den Patenstädten der Ahr-Weinbauorte siehe Anhang.

  5. SIMMER (wie Anm. 3) S. 20f.

  6. Siehe Fritz von WILLE. Bilder der Eifel und Ahr. Ausstellung zum 50. Todestag im Rahmen der 5. Kulturtage des Kreises Ahrweiler vom 7.4. bis 21.4.1991 in Adenau. Hg. Kreisverwaltung Ahrweiler 1991, S. 16ff.; S. 60ff.

  7. Siehe auch JANTA (wie Anm. 2), S. 150.

  8. Siehe SIMMER (wie Anm. 3), S. 20.

  9. Siehe Richtlinien für das „Fest der deutschen Traube und des Weines 1936". 19.-27. September 1936, T.1/2. Berlin: Reichsnährstand, 1936; Richtlinien für das „Fest der deutschen Traube und des Weines 1937". 25. und 26. September 1937. Berlin: Reichsnährstand, 1937. Siehe hierzu auch Wbl 34, H. 23/7.6.1936, S. 375ff.; Wbl 34, H. 25/21.6.1936, S. 411ff.; AZ, 30.7.1936; AZ, 29.7.1937.

  10. Siehe auch Stefan Arenz: „Ganz Walporzheim stand kopf! „Patenwein-Verschickung nach Lübeck am 9. Oktober 1935. In: Heimat-Jahrbuch Kreis Ahrweiler 1997, S. 174 f.

  11. Wie die Zahlen verdeutlichen: Bachem - 27427 Liter (1933), 160000 Liter (1936); Walporzheim - 184000 Liter (1933), 351000 Liter (1936); Mayschoß - 160000 Liter (1933), 390000 Liter (1936); siehe SIMMER (wie Anm. 3), S. 21;JANTA (wie Anm. 2), S. 150.

  12. Zitiert nach SCHAAF (wie Anm. 2), S. 163.