Wensburg

Jochen Arlt

Gegenüber das reglose Lierstal. Oktobereinsamkeit
wie im Frühjahr und Sommer, wie zwischen den Wochen
48 und 52.
Drunten im Bachlauf, zuckt eine Forelle mit Alptraum an dem purpurnen Flusskrebskadaver vorbei.
Droben, im Wälderdunkel, die Burg.
Nur heilige Touristen finden über zwei penetrant zuwuchernde Trampelpfade den Ort der versehrten Gemäuer. Höchst selten Begegnungen mit ungeratenen Reitern oder andächtigen Gothic-Pilgern.
Adelnde Niederlagen die vormaligen Spitzbögen der Zugangstore. Ein nie baureif erschlossener Ruinengrund rundum.
Der innere Bering eine konstant havarierte Galeere.
Kein Anschluss unter dieser Nummer.
Waidwund geschlagene Basaltquadern mit ausgekugelten Geschichten. Mörtelschaben.
Jeder Bimsstein ein eigenes Drama.
Gewalktes Erdreich. Gestrüpp. Apfelbaumtorso. Gestrüpp. Kirschbaumtorso. Brennesselghetto.
Falsch geliebt, richtig gehasst, ist inkognito von den schweigsamer werdenden Talschaften zu vernehmen.
Auf Asche wachsen Hühnerknochen mit Grünspankronen. Daneben ein stocksteifes Papiertaschentuch.
Karges Gelb dämmert aus Mauernbrüchen. Überall.
Der Wohnturm innen eine niedergebrannte Geisterkammer.
Voll von süßen Qualen der Erinnerung.
Wo blieb das Burgfried-Wappen? Als Nachruf ebenfalls hier Schmauchspuren.
Herausforderungen auch die abgepulverten Fensterhöhlen zur Hofseite und Richtung Wehrschlucht hin. Unentwegt nach Heil flehend wie Schießscharten und Pechnasen.
Ohne Mucks. Ohne Regung.