Die Maristenschule in Remagen

Zur Geschichte der Schule und des Gebäudes

Marlis Föhr

In unmittelbarer Nähe der Apollinariskirche in Remagen erhebt sich oberhalb der Bergstraße das Gebäude der ehemaligen Schule der Maristen. Viele Jahre beeinflusste diese Einrichtung das schulische Leben der Stadt Remagen und ihrer Umgebung. Da dies inzwischen bei vielen kaum noch bekannt ist, soll die Geschichte der Schule und die vielfältige Nutzung des Gebäudes bis heute vorgestellt werden.

Die Kongregation der Maristen-Schulbrüder

Die römische Kongregation der Maristen-Schulbrüder (Fratres Maristi Scolarum) oder Kongregation der Minderen Brüder Mariens ist eine Gründung des Maristen-Paters Marzellin-Champagnat aus dem Jahre 1817. Die Kongregation breitete sich ab dann über die ganze Welt aus. Sie ist in 24 Provinzen aufgeteilt. Die stärksten Provinzen waren Spanien, Belgien, Frankreich, Großbritannien, Brasilien, Kanada und Australien. In mehr als 300 Niederlassungen wurden von etwa 8000 Ordensmitgliedern über 120000 Schüler betreut. Der deutsche Zweig der Kongregation wurde erst kurz vor dem Ersten Weltkrieg in Recklinghausen ins Leben gerufen. Bald gründete die Kongregation auch eine Höhere Schule in unserem Kreis.

Von Sinzig nach Remagen

1922 übernahmen die Maristen-Schulbrüder von der Stadt Sinzig die ehemalige Präparandie in der Lindenstraße und richteten darin eine Mittelschule für Knaben ein, die stufenweise auf­ und ausgebaut wurde. Im Jahre 1929 schloss in dieser Schule erstmals die Untersekunda mit der Mittleren Reife ab.

Das zugehörige Internat wurde 1926 eröffnet. Dafür muss-ten zwei Privathäuser angemietet werden. Als die Zahl der Internen auf beinahe 100 angestiegen war, machten die beengten Wohnverhältnisse einen gründlichen Wandel notwendig. So wurde die Anstalt im Herbst 1929 nach Remagen verlegt.

Dort war aber der Neubau des Schulhauses und Internats noch nicht fertig, weshalb man im September 1929 vorübergehend die Waldburg auf dem Viktoriaberg bezog. Täglich wan­derten die Internen von dort aus zur alten höheren Knabenschule an der Stadtmauer zum Unterricht.

Vom Einzug bis zur Schulschließung

Am 2. Januar 1930 erfolgte der Einzug in den Neubau an der Bergstraße 26c. Die offizielle Einweihung und Eröffnung mit der Kapellen- und Hausweihe fanden aber erst am 19. Juli 1930 statt.

Von 1928 bis 1933 war Dr. Assenmacher Hausgeistlicher und Lehrer an der Schule, ihm folgten Studienrat Dr. Prein, der die Schule bis zur Schließung im Jahre 1939 leitete.

Am 1. März 1939 zählte die Anstalt 14 Brüder, 1 Hausgeistlicher, 3 weltliche Lehrkräfte und 172 Schüler, von denen 114 im Internat wohnten.

Behördlich unterstand die Maristenschule der Regierung in Koblenz. Für die Schulaufsicht unmittelbar zuständig war der Kreisschulrat in Ahrweiler, das waren in diesen Jahren die Herren Watrinet und Gill.

Ansicht der Maristenschule auf einer Postkarte aus den 1930er Jahren

Im Herbst 1938 wurde das Gebäude von verschiedenen Kommissionen auf seine Verwend­barkeit für andere Zwecke geprüft. Bei einem Besuch des Kreisleiters der NSDAP Meinck aus Ahrweiler mit mehreren Vertretern des Reichsarbeitsdienstes wurde festgestellt, dass sich das Haus bestens für den weiblichen Arbeitsdienst als Unterkunft und Ausbildungsstätte eignen würde.

Am 24. Januar erschien die Geheime Staatspolizei Koblenz in Remagen. Der Unterricht in der Schule wurde abgebrochen und im Verlaufe des Tages kamen mehrere Brüder und rund 30 Schüler zum Verhör über die Schulverhältnisse. Ergebnisse hiervon sind nicht bekannt.

Bei einem erneuten Besuch händigte der Leiter der Untersuchungskommission dem Direktor des Hauses ein Schreiben der Geheimen Staatspolizei aus, das die Verfügung zur Schließung und Räumung des Internats und der Schule zum 15. Februar 1939 enthielt.

Noch am gleichen Tag wurde der Vorsteher der deutschen Provinz, Frater Direktor Anton Metzger, von der Sachlage in Kenntnis gesetzt.

Der Bitte um Verlängerung der Auflösefrist bis zum 15. März 1939 wurde nicht entsprochen.

Die Schließung hatte unter allen Umständen bis zum 1. März 1939 zu erfolgen, da der Ar­beitsdienst bereits zum 1. April 1939 einziehen sollte.

Das Gebäude der ehemaligen Maristenschule im Jahre 2001

Am 1. März 1939 wurde der Schulbetrieb eingestellt. Alle Schüler verließen die Schule und erhielten ein Abgangszeugnis. Das gesamte Vermögen, das zunächst beschlagnahmt wor­den war, wurde schließlich freigegeben und für die Verteilung an verschiedene Niederlas­sungen im In- und Ausland bereitgestellt. Ende März 1939 verließen auch die Brüder end­gültig das Haus. Die Fratres konnten in ihr Mutterhaus zurückkehren, doch einige, die weite­re Repressalien fürchteten, ließen sich von ihrem Gelübte entbinden und bewarben sich als Lehrer an staatlichen Schulen.

Nur wenige Einrichtungsgegenstände der Maristenschule gingen durch Kauf an den Reichs­arbeitsdienst über.

Reichsarbeitsdienst, Lazarett, Gefangenenlager, Notquartier

Die ersten neuen Bewohner waren junge Frauen, die hier zu Arbeitsdienstführerinnen aus­gebildet wurden. In ihren blauen Kleidern im Sommer und den braunen Uniformen mit fe­schen Hüten im Winter brachten die „Maiden" Farbe in die Bergstraße, wenn sie in Scharen zur Stadt eilten. Sonst sah man sie auch auf den Sportplätzen bei sportlichen Aktivitäten.

Im Verlaufe des Krieges mussten die Frauen aber für ein Wehrmachtslazarett Platz machen.

Aus den einstigen Klassenräumen wurden Krankenzimmer, aus den Fachräumen Behand­lungs- und Sprechzimmer für kranke und verwundete Soldaten. Nicht wenige ehemalige Schüler fanden sich unvermutet als Patienten in ihrer früheren Schule wieder. Die ärztliche Betreuung übernahmen Wehrmachtsärzte und Mediziner aus Remagen. Das Pflegepersonal bestand aus Rote-Kreuz-Schwestern und Pflegepersonal aus der Umgebung. Die Bevölke­rung – besonders die weibliche Jugend – organisierte einen Besuchsdienst für Soldaten, die keinen Besuch von Angehörigen zu erwarten hatten.

Als immer mehr Lazarette in der Nähe der vielen Kriegsschauplätze gebraucht wurden, musste auch das Gebäude der Maristenschule wieder geräumt werden.

In die nunmehr wieder leeren Räume zogen Kriegsgefangene aus dem Osten ein. In der Folgezeit konnte man „hören" und vermuten, was sich dort abspielte. Die Menschen bekam aber selten jemand zu Gesicht. Nur hin und wieder sah man die Bewacher in der Bergstraße oder auf dem Weg zur Stadt, meistens in braunen Uniformen.

Als die Bombenangriffe auf die Rheinschiene zunahmen, verließen auch diese Bewohner die Maristenschule. Der Nachbarschaft des Gebäudes wurde damit die Angst vor eventuellen Racheattacken genommen.

Am 26. Dezember 1944 wurde die Hauskapelle bei einem Luftangriff durch einen Volltreffer zerstört, Fenster und Türen des Hauses herausgerissen, doch das Haus blieb stehen.

In einem Stollen neben der Schule suchten immer mehr Menschen aus der nahen und weiteren Nachbarschaft bei Tag und Nacht Schutz vor den immer brutaleren Bombenangriffen.

Dieser Bunker war eisig kalt und das Wasser tropfte von den Wänden.

Nach der kampflosen Einnahme von Remagen durch die Amerikaner am 7. März 1945 war der Krieg für die Remagener Bevölkerung vorbei. Die Amerikaner ordneten zwar noch die Evakuierung der Stadt an, aus Furcht davor, dass die Deutsche Wehrmacht zurückschlagen könnte und Remagen zum Kampfgebiet würde. Doch dazu kam es zum Glück nicht mehr. Nach ihrer Rückkehr von den Dörfern der Umgebung mussten sich die Menschen zunächst wieder um einen Wohnplatz be-mühen, denn die Stadt Remagen war zu 80 Prozent zerstört. Da bot sich unter wenigen anderen Möglichkeiten auch wieder das Gebäude der Maristenschule als provisorische Unterkunft an. Die Kriegsschäden an dem Gebäude waren so gut es eben ging beseitigt worden, so dass viele Familien zumindest vor­übergehend wieder ein Dach über dem Kopf hatten bis sie ihr Haus wieder bewohnbar machen oder wieder vollständig aufbauen konnten. Dann verließen auch diese Bewohner wieder nach und nach das Gebäude und wurden durch neue ersetzt.

Nutzung nach 1945

Die Hosenfabrik Hoenen, in Köln ausgebombt, an der Saar wieder aufgebaut, aber durch den neuen Saar-Status erneut heimatlos geworden, zog in die Maristenschule ein. Der Fabrikant Hoenen gab vielen Remagener Bürgern Arbeit und Brot. Er beteiligte sich zudem aktiv am neu erwachten Vereinsleben nach dem Krieg in Remagen.

Vorübergehend siedelte sich in den Räumen der Schule auch ein Filmstudio an, das dann einen neuen Platz in Mehlem fand.

Im März 1951 zog das Institut für Landeskunde mit Personal, großem Kartenarchiv und umfangreicher Bibliothek in das Gebäude ein. Das Institut, gegründet durch Professor Dr. Meynen, war Teil des Reichsamts für Landesaufnahme in Berlin. In der letzten Kriegsphase war es zunächst nach Worbis in Sachsen, danach unter amerikanischer Oberhoheit nach Scheinfeld geflüchtet.

Ein weiterer Standort war Landshut. In Remagen wurde das Institut von der deut­schen Regierung übernommen. Für die vielseitigen Arbeiten der Einrichtung bot die ehemalige Maristenschule gute Voraussetzungen. Aus den ehemaligen Schulräumen entstanden Bü­ros, im Erdgeschoss wurden Kartografie und Druckerei und in der Kapelle wurde die Bibliothek un­tergebracht.

1959 zog auch dieses Institut wieder aus, um sich mit dem Institut für Raumforschung zu einer Bundesanstalt in Bad Godesberg zu vereinigen.

Nachfolgend zog das Institut für Wehrmedizinalstatistik ein.

Aufgrund der Bundeswehrreform, von der auch der Kreis Ahrweiler betroffen ist, wird dieses Institut wohl noch im Jahre 2001 mit seinen rund 170 Dienstposten das Gebäude und den Standort Remagen ganz aufgeben.

Die zukünftige Verwendung und Nutzung des Gebäudes und Grundstücks sind noch ungewiss.