Mit Bad Neuenahr schwungvoll ins neue Jahrtausend 

Neue Vermarktungskonzepte und Kooperationen

Kurdirektor Rainer Mertel

Für die deutschen Heilbäder und Kurorte waren die letzten fünf Jahre so turbulent wie kaum ein Jahrzehnt in der Bädergeschichte zuvor. Der Gesetzgeber nahm Einschnitte bei Kuren und Heilverfahren in einem bis dahin noch nicht gekannten Ausmaß vor. Auch Bad Neuenahr hatte unter einem massiven Einbruch zu leiden.

Von vornherein stand für die Bad Neuenahrer Verantwortlichen jedoch fest: Jammern hilft nicht! Neue Konzepte müssen her. Der Selbstzahler muss angesprochen werden. Von den alten Kurstrukturen muss man sich Schritt für Schritt, aber doch konsequent lösen.

Im Thermal-Badehaus wurden erhebliche Investitionen vorgenommen, um das Fundament für eine neue Angebotslinie mit dem viel versprechenden Titel „Sinfonie der Sinne“ zu schaffen. Die angestaubte Bausubstanz wurde so hergerichtet und aufpoliert, dass der Charme des Gebäudekomplexes aus der Jahrhundertwende strahlend zu Tage treten konnte.

Hinter dem Konzept „Sinfonie der Sinne” verbirgt sich der Anspruch, die Gäste mit ganzheitlich-natürlichen Methoden rasch in den Zustand absoluten Wohlgefühls zu bringen. Jeder von uns leidet an kleineren oder größeren körperlichen Beeinträchtigungen oder gesundheitlichen Schwierigkeiten. Dieser „Unwucht im Rad des Lebens” gilt es, mit geschickt gesetzten Wohlfühl-Gegengewichten Paroli zu bieten. Unter diesen Gegengewichten hat man sich alle Leibesfreuden vorzustellen, die von einem Spitzenbad erwartet werden können. Exquisite Massagen, der EUROPA-patentierte Bad Neuenahrer Kräuterfango, ätherische Öle, Heilessig-Anwendungen, Kneipp’sche Therapie, Traditionelle Chinesische Medizin und vieles andere mehr beinhaltet das Bündel von Leibesfreuden oder wie der berühmte Anthropologe Lionel Tiger es formuliert: „Physiopleasures“, die den Menschen in kurzer Zeit aus den Pressionen des Alltags herauslösen und ihm zu dem angestrebten Wohlgefühl verhelfen.

Fernsehaufnahmen in der „Sinfonie der Sinne“

Kein Mensch kann pausenlos genießen. Die schönste Massage, der beste Duft, die angenehmste Atmosphäre und das erlesenste Ambiente führen irgendwann zur Sättigung. Der Mensch will dann aus der Phase der Entspannung, der Ruhe und des Genusses heraus. Er will sich bewegen. Er will sich aktiv betätigen. Dementsprechend beinhaltet das Konzept „Sinfonie der Sinne” notwendigerweise auch die Möglichkeit, den Körper sportlich zu fordern. Ein hierfür speziell geschaffenes Areal im Thermal-Badehaus wurde dafür eingerichtet, in Gruppen den Körper zu ertüchtigen. Hierbei geht es allerdings nicht um Übungen, wie sie zu Zeiten eines Turnvater Jahn praktiziert wurden. Auch diese sportlichen Aktivitäten sind abgestimmt auf den exquisiten Charakter der „Sinfonie der Sinne“. Callanetics, also gymnastische Übungen, die ins tiefe Muskelgewebe zielen, gehören ebenso zum Angebot wie Venengymnastik, die den steh- und sitz-geplagten Zeitgenossen helfen sollen, ihre Venen in guter Funktion zu halten. Schließlich gehört Qi Gong, die bekannte Meditations- und Atemtechnik der Chinesen zum neu geschaffenen Angebot. An weiteren Attraktionen wird gearbeitet. Die baulichen Voraussetzungen hierfür werden in Bälde geschaffen.

Dies Konzept fand und findet im In- und Ausland Anklang. Viele Journalisten aus Deutschland und den Nachbarländern haben darüber berichtet. Das Land Rheinland-Pfalz hat den neu geschaffenen Innovationspreis für das Kur- und Bäderwesen erstmals für dieses Konzept verliehen. Es wurde außerdem mit dem so genannten „Rheinland-Award” prämiert.

Vor dem Hintergrund der berühmten Budapester Gellert-Bades versammeln sich die Vorstandsmitglieder der „Royal Spas of Europe“ (von rechts nach links: Präsident Rainer Mertel, Vizepräsident Dr. Istvan Fluck und Schatzmeister Hans-Peter Wohlgehagen sowie die anderen Vertreter im Vorstand).

Rheinland-Pfalz hat großes Interesse daran, dass die Produkte seiner Heilbäder und Kurorte im In- und Ausland Erfolg haben. So lag es nahe, dass der Landesfremdenverkehrs- und Heilbäderverband unter tatkräftiger finanzieller Unterstützung des Landes in Kooperation mit dem Europäischen Tourismus Institut (ETI) eine Vermarktungslinie entwickelt hat, die helfen soll, die guten Angebote rheinland-pfälzischer Bäder und speziell auch die Angebote, die Bad Neuenahr zu liefern hat, auf die Verkaufstheke zu legen. Unter der Überschrift „Vitaparc Rheinland-Pfalz” wurde eine völlig neue Prospektlinie aufgelegt, die gegliedert ist in vier Kategorien: Select, Wellness, Sportiv und Explorer.

Es versteht sich von selbst, dass Bad Neuenahr mit der „Sinfonie der Sinne” vertreten ist, und zwar in den Angebotskategorien Select und Wellness.

13 europäische Bäder haben sich über Ländergrenzen hinweg zur Formation „Royal Spas of Europe” zusammengeschlossen. Alle diese Bäder, zu denen in Deutschland Bad Wildungen, Bad Kissingen, Baden-Baden und eben auch Bad Neuenahr gehören, haben gemein, dass in ihrer Geschichte Königs- und Kaiserhäuser eine Rolle spielten. Für Bad Neuenahr darf daran erinnert werden, dass das preußische Königshaus und hier insbesondere Prinzessin Auguste Victoria sozusagen als Taufpaten für unser Bad fungierten. Bad Neuenahr tritt gemeinsam mit den drei anderen deutschen Royal Spas sowie Archena (Spanien), Bath (Großbritannien), Bad Ischl (Österreich), Budapest (Ungarn), Franzensbad und Marienbad (Tschechien), Naantali (Finnland) und Loutraki (Griechenland) an, um in Europa und weltweit für diese exquisiten Bäder Reklame zu machen. Nur so, darüber besteht unter den Verantwortlichen Einvernehmen, gelingt es, sich von den tausend europäischen Bäderkonkurrenten in geeigneter Form abzuheben. Bad Neuenahr hat anlässlich der Generalversammlung 2001 in Budapest die Präsidentschaft dieser Organisation übernommen.

„Richtfest” Villa Sibilla

Bad Neuenahr hat sich daran gemacht, über die geschilderten Aktivitäten hinaus auf dem amerikanischen Markt zu „punkten“. Gemeinsam mit dem Lande Rheinland-Pfalz und den Bädern Bad Dürkheim und Bad Kreuznach hat man die Formation „Smartspas” geschaffen, die in den USA wirbt. Es war eine Zentralerkenntnis des Europäischen Tourismus Institutes in Trier, das die rheinland-pfälzischen Bädergegebenheiten untersucht hat, dass die rheinland-pfälzischen Spitzenbäder durch ihre ausgefeilten Produkte helfen müssten, den anderen rheinland-pfälzischen Bädern den Weg zu bahnen, quasi den Geleitzug der rheinland-pfälzischen Bäder anzuführen. Dementsprechend haben die Smartspas amerikanische Reisemittler eingeladen und versuchen, vor dem Hintergrund des für US-Amerikaner günstigen Dollarkurses und aufbauend auf dem hohen Bekanntheitsgrad, den Rheinland-Pfalz durch die vielen amerikanischen Soldaten, die hier über Jahrzehnte Dienst taten, hat, wellness-interessierte amerikanische Kunden zu gewinnen.

Schon liegen erste Anfragen von amerikanischen Reiseunternehmen vor, die ihren Kunden bei Europa- oder Deutschlandtripps auch eine Stippvisite in Bad Neuenahr anbieten wollen. Bad Neuenahr wird mit dem New Yorker Reiseunternehmen „The great Spas of the World” zusammenarbeiten. Noch ist dies ein zartes gesundheitstouristisches Pflänzchen, das es zu hegen und zu pflegen gilt, das sich aber bei entsprechender Intensität der Zuwendung zu einer durchaus ansehnlichen Bereicherung der Aktivitäten entwickeln kann.

Mehr noch als in der Vergangenheit wird künftig die Qualität des gebotenen Services entscheidend sein. Vor diesem Hintergrund hat die Aktiengesellschaft Bad Neuenahr mit der Johnson & Wales University in Providence, Rhode Island, Kontakt aufgenommen. Diese US-amerikanische Einrichtung bildet pro Jahr 11.000 junge Menschen für Spitzenpositionen in Hotellerie und Gastronomie aus. In einer Partnerschaft sollen amerikanische Studenten das deutsche Kur- und Gesundheitswesen kennen lernen, wo hingegen Beschäftigte der Aktiengesellschaft Bad Neuenahr die Möglichkeit erhalten sollen, sich beim amerikanischen Management Dinge abzuschauen. Die ersten amerikanischen Studentinnen haben ihren vierteljährigen Dienst bei der Aktiengesellschaft Bad Neuenahr bereits absolviert. Die gemachten Erfahrungen waren für beide Seiten sehr ermutigend. Das gesamte Direktorium der Johnson & Wales University überzeugte sich anlässlich eines Besuches in Bad Neuenahr und Bad Dürkheim vom hohen Stand der hier angebotenen Dienstleis-tungen. Auf diese Weise ist gewährleistet, dass dem Aspekt ausländischer Gäste, auf den ein deutscher Kurort mehr und mehr angewiesen ist, verstärkt Rechnung getragen wird.

Bad Neuenahr hat sich also auf den Weg gemacht, um völlig neue Kundenschichten zu erschließen. Der Weg ist lang und beschwerlich, aber es gibt keine Alternativen dazu.

Ein neues Geschäftsfeld soll ab dem Frühjahr 2002 zur Verfügung stehen. 144 Komfort-Wohnungen, in denen Service-Wohnen auf höchsten Niveau angeboten wird, warten unter dem Namen „Villa Sibilla” auf ältere Mieter. Die Aktiengesellschaft Bad Neuenahr hat sich an dieses Projekt, das von privaten Geldgebern finanziert wird, begeben, weil sie aufgrund ihrer Pflege- und Dienstleistungskompetenz wie kaum ein anderer Anbieter für die Betreiberrolle prädestiniert ist. Eine Pflegestation mit 24 Betten, ein Spitzenrestaurant, Shopping-Möglichkeiten, eine eigene Kapelle, ein japanischer Garten und viele andere Annehmlichkeiten mehr gehören zum Angebot. Der stellvertretende Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz, Hans-Artur Bauckhage, hat es sich angesichts der Größe und Bedeutung des Vorhabens nicht nehmen lassen, beim Richtfest die Festansprache zu halten.

Er brachte bei dieser Gelegenheit zum Ausdruck, dass er Bad Neuenahr im Reigen der rheinland-pfälzischen Heilbäder und Kurorte eine Spitzenstellung beimisst. Wahrlich ein aufmunternder Zuspruch für Bad Neuenahr.