Der Rolandsbogen und Ferdinand Freiligrath

Prof. Dr. Kurt Roessler

Am 18. März 2001 wurde am Rolandsbogen der 125. Todestag von Ferdinand Freiligrath (1810-1876) gefeiert. Durch die Wiederaufbauaktion des Rolandsbogen im Jahre 1840 und seine Rolle als führender Schriftsteller der rheinischen Spätromantik am nördlichen Mittelrhein in den Jahren 1839-1841 ist Freiligrath mit dem Bogen und seinem Umfeld auf das Innigste verbunden. Dies gibt den Anlass, im Jahr der Rheinromantik 2002 seine heutige Bedeutung für die Region und die deutsche Literatur im allgemeinen zu hinterfragen, wie es 1995 schon Werner Broer getan hat.1)

Freiligrath in Deutschland

Die Höhepunkte seiner Bekanntheit in Deutschland waren die Zeit der Revolution von 1848 und die Jahre von 1867 bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs. Eine besondere Würdigung erhielt er zum 100. Geburtstag im Jahre 1910 durch zahlreiche Artikel, Werkausgaben und ein Denkmal in Soest, sowie durch das damals angeregte und aber erst im Jahre 1914 vollendete Freiligrath-Denkmal am Aufgang zum Rolandsbogen. Die Nationalsozialisten versuchten seine frühe nationalliberale und die kurzfristige nationalistische Phase von 1870/71 für ihre Zwecke zu nutzen, mussten aber bald feststellen, dass der linke Revolutionär letztlich doch zu unübersehbar war. In der Zeit nach 1945 geriet der Dichter in Westdeutschland trotz – oder vielleicht auch wegen – der in der DDR zunächst forcierten Herausstellung als Dichter des deutschen Proletariats allmählich in Vergessenheit. Er musste von der ersten Riege deutscher Schriftsteller des 19. Jahrhunderts, zu der er lange Zeit gezählt wurde, in den zweiten Rang absteigen.

Heute gibt es unter den Hochschullehrern der Germanistik keinen ausgewiesenen Freiligrath-Spezialisten mehr. Die letzten Doktorarbeiten und Habilitationen sind schon vor Jahrzehnten geschrieben worden. Im Gedichtbuch von Conrady hat Freiligrath in der Ausgabe von 2000 gegenüber früher etwas zugelegt (sieben meist längere Gedichte).2) Aus dem für die Schulen wichtigen Echtermeyer ist er aber schon 1966 ganz verschwunden.3) Es gibt weder eine selbstständige Freiligrath-Gesellschaft, noch ein zentrales Freiligrath-Museum. Die jüngsten Gesamtausgaben seiner Werke und ihr kritischer Apparat stammen aus den Jahren um 1910 und sind wie auch ein Nachdruck von 1974 nur noch antiquarisch zu erwerben. Dafür kann man in der Reclamschen Universal-Bibliothek eine Auswahl seiner Gedichte preiswert erstehen.4) Eine kritische Ausgabe der Korrespondenz fehlt bis heute.

Die Arbeit am literarischen Erbe Freiligraths verteilt sich heute auf drei Zentren:

  1. die Grabbe-Gesellschaft e.V., Detmold, die die in Detmold geborenen Schriftsteller Grabbe, Freiligrath u.a. vertritt, als wichtigste und zentrale Stelle;

  2. die Lippische Landesbibliothek in Detmold mit ihrem Handschriftenarchiv;

  3. das Forum Vormärz Forschung in Bielefeld mit Buchpublikationen durch den ihm angeschlossenen Aisthesis-Verlag.

Hinzu kommen die hier noch im Detail zu besprechenden Aktivitäten am nördlichen Mittelrhein (Rolandsbogen, Remagen-Oberwinter, Unkel).

Orte, in denen über Freiligrath gearbeitet wird, und/oder in denen sich bedeutende Stätten der Erinnerung an ihn befinden, sind: Assmannshausen (Hotel Krone: Freiligrath-Zimmer und Archiv, Büste des Dichters am Außenbau), Bad Cannstatt (Stadtmuseum), Berlin, Bielefeld (Männergesangsverein ARION von 1859), Bonn (StadtMuseum), Detmold (Freiligraths Geburtshaus), Dortmund (Stadt- und Landesbibliothek), Düsseldorf (Heine-Institut, Freiligraths Wohnhaus in Oberbilk 1849/51), Essen, Großmonra, Großneuhausen, Koblenz (Landesbibliothek), Köln (Universitäts- und Stadtbibliothek), Leipzig, Münster (Universität), Oberwesel, Osnabrück (Universität), Petershagen, Remagen-Oberwinter, St. Goar (zwei Wohnungen Freiligraths von 1842/44, Freiligrath-Zimmer im Museum der Burg Rheinfels), Soest (Freiligrath-Haus Zur Rose, Freiligrath-Brunnen), Stuttgart und Weimar (Goethe und Schiller-Archiv).

Seit 1945 sind etwa 35 Bücher oder vergleichbare selbstständige Publikationen zu Freiligrath erschienen. Zahlreiche Aufsätze finden sich vor allem in den seit 1982 von der Grabbe-Gesellschaft herausgegebenen Jahrbüchern, die auch die Bibliographie weiterführen. Seit dem Jahre 1996 wurde mit der Berufung des Verfassers in den Vorstand der Gesellschaft dort ein Freiligrath-Arbeitskreis eingerichtet. Die Grabbe-Jahrbücher 1995, 1997 und 2001 waren ganz Freiligrath gewidmet. 1976 und 1985 fanden Ausstellungen in der Lippischen Landesbibliothek Detmold statt. Zwei größere internationale Tagungen wurden 1995 in Detmold: Ferdinand Freiligrath – Eine Bestandsaufnahme und 1998 in Bad Honnef: Ferdinand Freiligrath und Georg Weerth als Revolutionäre von 1848 mit je etwa 20 Vortragenden und 50 weiteren Teilnehmern veranstaltet.

Ferdinand Freiligrath

Hauptrichtung der Bemühungen des Freiligrath-Arbeitskreises ist eine kritische Neuausgabe des Werkes Freiligraths, zuerst der Korrespondenz. Diese ist von großer Fülle und hoher Qualität, sozusagen die Prosa dieses ansonst reinen Lyrikers. Auch harren seine Tätigkeiten im 2. Exil in London (1851-1868) im Umkreis von Karl Marx, Friedrich Engels und Gottfried Kinkel einer neutraleren Aufarbeitung als es in den sechziger Jahren in der DDR möglich war. Die Einrichtung einer Internetseite zu Freiligrath ist in Arbeit.

Die 150-Jahrfeiern der Deutschen Revolution im Jahre 1998 haben der gesamtdeutschen Bekanntheit Freiligraths wieder Auftrieb gegeben, da seine Texte in zahlreichen Ausstellungen, darunter in der Lippischen Landesbibliothek Detmold und der Frankfurter Kirn, zu sehen waren und überall bis hin zum Bundestag vorgetragen und gesungen wurden. Der Halbvers seines Gedichtes Trotz alledem! von 1844: „Wir sind das Volk" wurde 1989 zur Parole der deutschen Wiedervereinigung! Auch seine lebenslangen Bemühungen um die Popularisierung französischer, englischer und amerikanischer Lyrik in Deutschland durch seine Übersetzungen werden heute gewürdigt. Die Korrespondenz mit vielen bekannten Literaten der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts findet in der Literaturforschung in zunehmendem Maße Beachtung. So war Freiligrath bei der wissenschaftlichen Tagung zum 200. Geburtstag Grabbes: Verehrung und Distanz im September 2001 in Detmold der am meisten zitierte Autor. Dagegen hat der für Freiligrath so charakteristische hochlyrische Stil – auch seiner Revolutionsgesänge – mit ihrem Metaphernreichtum und ihrer Mischung von Realismus und Pathos bisher noch keine Renaissance in der Wertschätzung der Germanistik gefunden.

Rolandsbogen und nördlicher Mittelrhein

Der von dem Dichter 1840 wiederhergestellte Bogen in Remagen-Rolandswerth ist das primäre und zentrale Denkmal Freiligraths am nördlichen Mittelrhein. Zwei Plaketten des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Landschaftsschutz e.V. und der Stadt Remagen weisen auf seine Bedeutung hin. Erstere wurde während der Feier zum 100. Todestag Freiligraths am 18. März 1976 eingeweiht. Hierzu hatten sich der Rheinische Verein unter seinem Geschäftsführer Dr. Josef Ruland und der Verkehrs- und Verschönerungsverein Oberwinter-Rolandseck e.V. unter seinem Ersten Vorsitzenden Peter Schoenwaldt zusammengefunden. Beide gaben auch die Festschrift heraus, ein Dokument literarischer Denkmalpflege.5) Am Aufweg zum Bogen von Rolandseck her steht das vom Verkehrs- und Verschönerungsverein 1914 errichtete Freiligrath-Denkmal, dessen Besitzer und Pfleger dieser auch heute noch ist.6) In der Umgebung des Rolandsbogens sind die Stadt Remagen und ihre Ortsteile Oberwinter, Rolandseck und Rolandswerth mit der Insel und dem Kloster, sowie Bad Bodendorf mit seinen Weinbergen vom Dichter häufiger besucht und beschrieben worden. In Bonn zählen die Wohnung Karl Simrocks in der Acherstraße, der Triersche Hof, der Auerhof der Sibylle Mertens-Schaaffhausen in Plittersdorf und die Godesburg zu den von Freiligrath aufgesuchten Stätten.

Schräg gegenüber liegt die kleine Stadt Unkel am Rhein, in der Freiligrath in den Jahren 1839/41 weilte, mit dem Freiligrath-Haus am Rheinufer. An ihm erinnert eine Plakette des Bonner Karnevalsvereins Die Kometen von 1897 daran, dass der Dichter hier von September 1839 bis April 1840 gewohnt hat. Eine weitere Plakette an einem Bogen über dem rheinseitigen Eingang zur Vogtsgasse besagt, dass Freiligrath dort seine Lebensgefährtin Ida Melos gefunden hat. In der Ortsmitte befindet sich der zweite Wohnsitz Freiligraths in der Frankfurter Straße 15 und das vom Dichter und seinen Freunden frequentierte Gasthaus Zur Löwenburg am Willy-Brandt-Platz. Dieser zuletzt in Unkel wohnende Politiker hat Freiligraths Revolutionsgedichte an dieser Stelle öffentlich vorgetragen. Dazu kommen zahlreiche von Freiligrath beschriebene Stätten in der Umgebung: Scheuren, die Weinlage Sonnenberg, der Clouthsche Hof in Rheinbreitbach, Simrocks Haus Parzifal in Bad Honnef-Menzenberg und nicht zuletzt der Drachenfels. In Unkel kümmert sich der Geschichtsverein Unkel e.V. um Freiligraths Erbe mit Ausstellungen, Vorträgen, musikalischen Soireen und Publikationen im Unkeler Geschichtsboten.

Die Feiern zum 125. Todestag Freiligraths im Jahre 2001

Die Feier von 1976 war Ansporn, auch im Jahre 2001 ein Gedenken an Freiligrath am Rolandsbogen zu begehen. Hierzu fanden sich vier Vereine zusammen: Der Freiligrath-Arbeitskreis, der Geschichtsverein Unkel, der Ortsverband Bonn des Rheinischen Vereins und der Verkehrs- und Verschönerungsverein Oberwinter-Rolandseck. Den Auftakt machte der traditionelle Grabbe-Punsch am 16. Dezember 2000 im Verein Ressource in Detmold mit einem Konzert von Chor- und Sololiedern nach Texten Freiligraths, gesungen von dem ihm zu Lebzeiten sehr verbundenem Demokratischen Männergesangverein ARION Bielefeld von 1859.

Am 125. Todestag, dem 18. März 2001, fand eine Feier der vier Vereine am Freiligrath-Denkmal statt, bei der der Erste Vorsitzende des Verkehrs- und Verschönerungsvereins, Horst Eckertz, eine Plakette enthüllte, die auf die Baugeschichte und die Bedeutung des Denkmals hinweist. Danach begab sich die Festgemeinde von fast hundert Personen zum Rolandsbogen, wo die Tafel zum Literarischen Weinberg Ferdinand Freiligrath & Guillaume Apollinaire enthüllt wurde.7) Im Restaurant fand dann ein Vortrag zur Rezeption Freiligraths im heutigen Deutschland und die Vorstellung des neuen Buches Ferdinand Freiligrath und der Rolandsbogen statt, das als Ergänzung und Erneuerung der Schrift von 1976 angesehen werden kann.6) Ebenso wurde der 17. Juni 2001, der 191. Geburtstag Freiligraths, mit einem Sommerfest am Denkmal begangen.

Freiligrath, Simrock und das Jahr der Rheinromantik 2002

Im Jahre 2002 wurde der 200. Geburtstag des rheinischen Poeten und Germanisten Karl Simrock gefeiert. Er war einer der besten Freunde Freiligraths im Rheinland. Beide sind den Weg von Freiligraths Wohnsitz in Unkel zu Simrocks Sommerhaus in den Weinbergen des Menzenberges oft gegangen, wobei sie sich auch auf halbem Wege im Gasthaus Clouth in Rheinbreitbach zum Essen und zu redaktionellen Besprechungen trafen. Im August 2000 wurde auf Anregung von Peter Weinmann von der Karl-Simrock-Forschung Bonn, den Geschichtsvereinen von Unkel und Bad Honnef, dem Heimatverein Rheinbreitbach und dem Freiligrath-Arbeitskreis der etwa sechs Kilometer lange Literarische Simrock-Freiligrath-Weg von Bad Honnef-Menzenberg nach Unkel eingerichtet.8) Viele haben auf ihm die Landschaft und die Ortsbilder im Spiegel der Literatur in ihrem Beharren und ihrer Veränderung betrachtet, wie auf der Literatur am 7. Juni 2002 im Rahmen des Projektes Rheinreise.

Der Verlag Horlemann in Bad Honnef legte die 1952 erschienene Freiligrath-Novelle Liebe in Unkel von Heinz Magka wieder auf, die in historisch nicht immer einwandfreier Weise aber mit viel Pathos und Romantik Freiligraths Biographie in Unkel erzählt.9) Als Obmann der Freiligrath-Forschung kann sich der Verfasser allerdings die Bemerkung nicht verkneifen, dass die oft als trocken gescholtene literaturhistorische Aufarbeitung der neueren Dokumente und Briefe ein spannenderes Bild ergibt, als die sich in konventionellen Bildern erschöpfende Novelle es vermag.6,10-12)

Eine Feierstunde zum 100-jährigen Bestehen des Verkehrs- und Verschönerungsvereins im Rathaus Oberwinter am 17. März 2002 mit Vorträgen zur Geschichte des Vereins und zu den Denkmälern Freiligraths in Deutschland wurde am Vorabend des 126. Todestags zu einer weiteren Freiligrath-Veranstaltung. Gleichzeitig lief im Rathaus Oberwinter eine Ausstellung von Dokumenten, Manuskripten, Erstausgaben, bibliophilen Gesamtausgaben und neueren Publikationen zu Freiligrath aus der Sammlung Roessler. Alle Veranstaltungen der Jahre 2001 und 2002 fanden ein überwältigendes Echo im Rundfunk (WDR, SWR) und in der lokalen Presse. Ferner sei auf den Artikel Revolutionär war auch Romantiker im Heft 200 Jahre Rheinromantik hingewiesen, der aus der Feder von Wolfgang Kroener im Juni 2002 in der Rhein-Zeitung erschien.13)

Ausblicke

Wie bei den vorangegangenen erfolgreichen Projekten ist weiterhin die Zusammenarbeit der lokalen Geschichts- und Heimatvereine und der literarischen Vereine notwendig. Es ist abzusehen, dass allen Dichtern der rheinischen Spätromantik auch nach dem Jahr der Rheinromantik weiterhin das Vergessen droht. Daher sollten diese mehr als eine Einheit von Freunden zusammen behandelt werden, die sie ja auch tatsächlich waren. Freiligrath war lange Zeit ihr Wortführer. Die Arbeit an seinem Werk stärkt auch das literarische Überleben der Anderen – und vice versa. Letztlich wäre die Gründung einer Gesellschaft für Rheinische Lyrik wünschenswert, mit einem Arbeitsinstitut und Tagungszentrum in einer der leerstehenden Villen des Rheinufers zwischen Mehlem und Remagen oder auch in Schloss Arenfels.14) Ein wesentliches Problem ist noch nicht gelöst, die Errichtung eines Freiligrath-Museums in der Umgebung des Rolandsbogens. Für ein zentrales Archiv für „Reliquien", Dokumente und Publikationen liegt zurzeit ein Angebot der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln vor.

Die Weinlese unter dem Rolandsbogen mit ihrem musikalischen Festbuffet am letzten Freitag jeden Oktobers erfreut sich jedes Jahr dank der Kooperation der Familie Böhm, den Besitzern des Restaurants und des Areals um den Bogen einer großen Beliebtheit. 2003 soll die Einrichtung eines Literarischen Wanderwegs um den Rolandsbogen in Angriff genommen werden. Initiativen für den Wiederaufbau des Tempelchen von 1845 unterhalb des Bogen laufen gegenwärtig.15) Im Jahre 2003 wird ein Minikolloquium in Detmold zur Klärung der für eine Gesamtausgabe der Korrespondenz notwendigen Schritte stattfinden und 2004/05 eine größere Tagung, die auf den Jubiläumstermin, Freiligraths 200. Geburtstag am 18. März 2010, hinführen soll.

Die Bemühungen um Ferdinand Freiligraths biographisches und literarisches Erbe haben sich weitgehend von den Hochschulen auf literarische Vereine, lokale Geschichts- und Heimatvereine sowie Einzelpersonen verlagert. Deren Arbeit würdigt Freiligraths Hund Strolch in seinem Artikel im Grabbe-Jahrbuch 1997, in dem er sich mit den Freunden des Dichters vergleicht:18)

Wir Hunde sind doch unserem Herrn ganz treu und lieben ihn trotz seiner Fehler. Wir haben sozusagen eine Zweierbeziehung zu unserem Dichter. Ganz anders die doctores philosophiae et litterarum. Sie sind meist polyvalent, d.h. sie haben viele Zieldichter. Wenn einer davon droht, in Vergessenheit zu geraten, dann sagen sie, dass er es eigentlich verdient hätte und setzen noch eins drauf durch einen Vergleich mit Heine oder Goethe. Wir Hunde dagegen halten zu unseren Dichtern durch dick und dünn und kämpfen mit Artikeln und Büchern, durch Gründung von Arbeitskreisen, durch Liederabende, Vorträge, Tagungen und Ausstellungen. Die doctores verlachen oft unsere Bemühungen, weil wir nicht in litteraribus habilitiert oder ordiniert sind, auch wegen unserer hündischen Sprache. Sie würzen ihre wertvollen stil- und kulturkritischen Werke mit Zitaten von Ludwig Wittgenstein oder Michel Foucault und stehen im Geruche einer tiefschürfenden philosophisch-philologischen Behandlung ihres Stoffes. Dazu kommt noch der edle Fachjargon: „Der interdisziplinäre Diskurs leidet vor allem unter der hohen Ausdifferenziertheit des wissenschaftlichen Vokabulars, der Verwendung polysemer und homonymer Ausdrücke und deren unterschiedlichen Konnotationen." Wie richtig, meine Herrn doctores! Was können wir armen Hunde schon dagegen bellen? Nun, eines können wir: Instinktiver die Seele des Dichters erschnüffeln!

Strolch greift hier auf die Worte Josef Rulands von der demokratischen Denkmalpflege zurück und ruft gegen die Fürsten der Germanistik zu einer demokratischen Pflege des literarischen Erbes auf. Freiligrath ist durch seine Rolandsbogen-Aktion und die bewegte Geschichte seines Lebens am Rhein der Region von Remagen bis Köln als einer ihrer beliebtesten Schriftsteller ans Herz gewachsen. Die Zusammenarbeit des Freiligrath-Arbeitskreises mit einem lokalen Verein des Kreises Ahrweiler, dem Verkehrs- und Verschönerungsverein Oberwinter-Rolandseck, hat besonders viel zur lokalen Belebung seines Andenkens beigetragen. 193 Jahre nach seiner Geburt steht es bei dem heutigen Vergessen des literarischen Erbes und der Schnelllebigkeit der Zeit erwartungsgemäß nicht sehr gut, aber – wie diese nüchterne Bestandsaufnahme zeigt – auch nicht ganz schlecht um diesen bedeutendsten Dichter des Kreises Ahrweiler.

Anmerkungen

  1. Werner Broer: Ferdinand Freiligrath und die Grabbegesellschaft. In: Grabbe-Jahrbuch1995, Detmold: Grabbe Verlag, 1995, 19-25.

  2. Das große deutsche Gedichtbuch von 1500 bis zur Gegenwart. Karl Otto Conrady (Hrsg.), München: Artemis & Winkler, 1)1991, 3)1994, 6)2000.

  3. Deutsche Gedichte von den Anfängen bis zur Gegenwart. Theodor Echtermeyer, Benno von Wiese (Hrsg.), Düsseldorf: Bagel, 1957, 1966.

  4. Ferdinand Freiligrath. Gedichte. Dietrich Bode (Hrsg.), (Reclams Universal-Bibliothek Nr. 4911 [2]), Stuttgart: Reciam, 1)1964, 1986.

  5. Ferdinand Freiligrath 1876/1976. Josef Ruland, Peter Schoenwaldt (Hrsg.), Remagen-Rolandseck: Rommerskirchen, 1976.

  6. Ferdinand Freiligrath und der Rolandsbogen. Zum 125. Todestag am 18. März 2001. Horst Eckertz, Kurt Roessler (Hrsg.), Remagen-Oberwinter: Kesel, 12001.

  7. Kurt Roessler: Der Literarische Weinberg „Ferdinand Freiligrath – Guillaume Apollinaire". In: Ref. 6, 135-148.

  8. Kurt Roessler u.a.: Literarischer Simrock-Freiligrath-Weg. Bornheim: Roessler, 2000.

  9. Heinz Magka: Liebe in Unkel. Eine Freiligrath-Novelle. Bad Godesberg: Voggenreiter, 1)1952; Bad Honnef: Horlemann, 22002.

  10. Kurt Roessler: Freiligrath über die Schulter geschaut. Neues aus Briefen und Manuskripten 1839-1844. In: Grabbe-Jahrbuch 1995. Detmold: Grabbe Verlag, 1995, 64-114.

  11. Grabbe-Jahrbuch 1997. Werner Broer, Fritz U. Krause, Kurt Roessler (Hrsg.), Detmold: Grabbe Verlag, 1997. (Dieser Band enthält zahlreiche Aufsätze zur Periode in Unkel.)

  12. Kurt Roessler: Menzenberg – Arbeit und Literatur im rheinischen Weinberg. In: Jahrbuch des Rhein-Sieg-Kreises 2003. Rainer Land (Hrsg.), Siegburg: Rheinlandia, 2002.

  13. Wolfgang Kroener: Revolutionär war auch Romantiker. In: 200 Jahre Rhein-Romantik. Sonderdruck der Rhein-Zeitung im Juni 2002.

  14. Kurt Roessler: Rheinromantik und lyrische Rheinlandschaft. In: Rhein-Zeitung, 24. Juni 2002.

  15. Das Tempelchen am Rolandsbogen. Aufruf zur Wiedererrichtung. In: Ref. 6, 149-158.

  16. Strolch: Ein literarisches Hundeleben. In: Ref. 11, 68-69.