Lederstrumpf und Nonnenwerth

James Fenimore Cooper auf der Insel – Beschreibungen in seinen Briefen

Prof. Dr. Wolfgang Pauels

Einzelreisen, insbesondere herausragender amerikanischer Persönlichkeiten, nach Deutschland, vornehmlich in das romantische Rheintal, haben eine lange Tradition, wobei allerdings die globale transatlantische Massenwirkung, die durch die Stationierung der amerikanischen Armee in Deutschland bis zum Abzug der Truppen nach der deutschen Vereinigung entstand, eher gering war. Einiges ist fast in Vergessenheit geraten oder vielleicht sogar noch unbekannt.

So geht beispielsweise aus Briefen und Tagebüchern hervor, dass der Schriftsteller James Fenimore Cooper (1779-1851), der Vater der weltberühmten Lederstrumpf-Geschichten, sich der Rheinromantik nicht entziehen konnte. Cooper, der in Upstate New York in Cooperstown am Hudson lebte und dort auch auf dem Christ Church Friedhof beigesetzt ist, hat mit seinen Geschichten aus der amerikanischen Wildnis – weltweit viel gelesen und als Jugendliteratur von Generationen verschlungen – den Beginn der amerikanischen Romantradition mitbegründet. In den sechziger Jahren erst sind seine Briefe in den USA von James Franklin Beard unter dem Titel The Letters and Journals of James Fenimore Cooper in zwei Bänden von der Harvard University Press in Cambridge, Massachusetts (1960) veröffentlicht worden.

Er schreibt am 15. August 1832 in einem seiner Briefe, dass er gegen zwölf Uhr mittags an diesem Tag Köln verlassen und Rolandswerth, „eine kleine Insel im Rhein", um 17 Uhr erreicht hat, eine Insel, „die man auch manchmal Nonnenwerth nennt". Ein alter Konvent, so schreibt er in diesem Brief weiter, sei zu einer Taverne umgewandelt worden. In dem riesigen Gebäude, das um einen Hof herum gebaut war, seien außer ihm und seiner Begleitung kaum andere Gäste gegenwärtig gewesen. Die Benediktiner-Nonnen hätten die Zellen zu bequemen Schlafräumen umgestaltet. Er selbst bewohnte das Zimmer der Äbtissin und die „Mädchen schliefen in ihren Zellen". Um 23 Uhr am selben Abend nahm er eine Kerze und ging allein in die Kapelle. Die Fenster seien defekt gewesen, die Fensterscheiben klapperten. Um 1820 war das Kloster nach seinen Informationen aufgegeben worden. Nach etwa einer Viertelstunde beendete er seinen Rundgang und „machte seinen Frieden mit dem Friedensmacher der Welt".

Im Verlaufe dieses Tages nach seinem Besuch in der Kapelle hat Cooper noch einen ausführlicheren Brief geschrieben. Darin heißt es unter anderem: „Wir sind jetzt auf einer Insel im Rhein auf halber Strecke zwischen Köln und Koblenz, in einem von Benediktiner-Nonnen verlassenen Konvent. Ich schreibe aus dem alten Refektorium, das jetzt Speiseraum für ein halbes Dutzend Fenimore Coopers ist, und habe den Drachenfels bei schwachem Mondlicht im Blick und eine Flasche Liebfrauenmilch neben mir. Der alte Konvent ist degradiert worden zu einer Taverne ( ... ) Auf unserer gesamten Pilgerreise kann ich mich mit einer Ausnahme an keinen romantischeren Abend als diesen erinnern. ( ... ) Wir haben heute nachmittag unsere Kutsche an der Hauptstraße abgestellt und sind hierher gekommen, um die Nacht hier zu verbringen. Wir sind gerade von einer Erkundungstour zur Kapelle zurückgekehrt, wo man alle nötigen Utensilien für Beerdigungen oder Hochzeiten vorfindet. Es ist erst zehn Jahre her, seit die letzten Nonnen, acht an der Zahl, die Insel verlassen haben, so dass alles noch ziemlich kirchlich aussieht. Um die Zufriedenheit vollständig zu machen, kann ich sagen, dass die Benediktiner ein strenger Orden waren. Ich trete vom Fenster zurück, denn ich habe unterhalb einen Schritt gehört und ein flackerndes Licht gesehen. Dies könnte die Seele der letzten Äbtissin gewesen sein, die ohne Zweifel recht füllig war und einen festen Tritt hatte; vielleicht war es aber auch eine abtrünnige Nonne, die an den Wänden kratzte oder dagegen trat. Nun ja, es war nur ein altes Pferd, das über die freie grüne Wiese der Insel lief. (...) Mrs Cooper hat gerade ihr Mädchen geschickt, um mir zu sagen, dass ich das Refektorium verlassen sollte, wo ich mich ungebührlich lange aufhalte. Ich gehorchte.

(...) Der Wind beginnt zu säuseln, wir werden ein Gewitter bekommen. Meine prophetische Ahnung stellt sich als richtig heraus. Es blitzt. Ich nehme die Kerze und gehe über die Flure. Eine Türe, die zur Galerie der Kapelle führt, steht offen. Ich gehe hinein. Hier finde ich, was ich suchte: Bilder von Heiligen, Kreuze, ein schwaches Licht, klappernde Fenster und Einsamkeit. Der gepolsterte Samtstuhl der Äbtissin steht am Geländer, ich setze mich. ( … ) Es ist fast Mitternacht ( … ), alles außer der Natur schläft.

Donnerstag morgen. Eine friedliche Nacht und ein frischer Morgen. Vögel singen unterhalb meines Fensters, der Rhein glitzert zwischen den Inseln, der Bogen von Rolandseck erhebt sich über einen nahen Berg und der Turm des Drachenfelses auf einem anderen Berg. ... Die Ausdehnung der Abtei ist 600 Fuß in die eine Richtung und ungefähr 300 Fuß in die andere. Das Kloster insgesamt hat einen Umfang von 600 Fuß und die Flure oben ebenfalls. Der ganze Komplex ist faszinierend für eine Nacht, wenn man Drachenfels und Rhein einbezieht. Die Liebfrauenmilch geht so, obwohl die Früchte für den Breitengrad ausgezeichnet sind. ( … )"

Dieses Zeitzeugnis ist kommentarlos ein Mosaik der individuellen, mit Leben gefüllten transatlantischen Beziehungen.

Gasthof „Nonnenwerth" auf einer Lithographie um 1840