Töpferhandwerk auf der Grafschaft

Ottmar Prothmann

Zu den Besonderheiten der Gemeinde Grafschaft gehören nicht nur fruchtbare Lößböden, sondern auch ausgedehnte Tonlager. Dieser wertvolle Rohstoff wird seit dem 18. Jahrhundert abgebaut. Daher prägen heute Gruben und Abraumhalden das Landschaftsbild zwischen Karweiler, Lantershofen und Ringen sowie zwischen Leimersdorf und Niederich. Während heute der Ton mit Lastwagen ausgeführt und anderswo für die unterschiedlichsten Zwecke verwendet wird, wurde er früher auch in heimischen Töpfereien verarbeitet. Diese Tatsache ist zwar in der einschlägigen Literatur bekannt, doch darüber hinaus sind bisher noch keine Einzelheiten erforscht worden. Mit diesem Beitrag soll nun ein erster Überblick über das Töpferhandwerk auf der Grafschaft gegeben werden.

Mittelalterliche Töpfereien

An manchen Stellen der Grafschaft lagen die Tonschichten so dicht unter der Erdoberfläche, dass es verwunderlich wäre, wenn nicht schon früh die hier lebenden Menschen sie entdeckt und genutzt hätten. Und tatsächlich liegen Hinweise vor, dass im Bereich Lantershofen-Karweiler-Ringen bereits im Mittelalter Töpfer ansässig war. Für das Jahr 1380 ist für Karweiler ein Ulner (Töpfer) bezeugt.1) Dieses inzwischen untergegangene Wort Eulner bzw. Ulner könnte auch in dem 1728 zuerst überlieferten2) und heute noch geläufigen Flurnamen Ülenpütz für einen Feldbereich unterhalb der Autobahn bei Beller in Richtung Karweiler stecken. Dort weist eine starke Streuung von Scherben auf einen Siedlungsplatz hin. Auch der Straßenname Eulengasse (heute Winzerstraße) in Lanters­hofen bezieht sich wahrscheinlich auf diesen Beruf, denn solche Straßennamen wie Uhlgasse, Aulgasse oder Eulerstraße finden sich an vielen Töpferorten des Rheinlandes.

Neugründung durch Westerwälder Töpfer

Die mittelalterlichen Töpfereien müssen schon seit Jahrhunderten verschwunden gewesen sein, als im 18. Jahrhundert Töpfer aus dem Westerwald einwanderten, um sich in Ringen und Gelsdorf niederzulassen. Sie kamen aus dem sogenannten Kannenbäcker Land um Höhr-Grenzhausen. Dort befand sich das Gewerbe seit Mitte des 17. Jahrhunderts durch Kriegsauswirkungen und eine starke Überbesetzung der Zunft in einer schweren Krise. Viele wurden zu Bettlern, andere wanderten aus und suchten ihr Glück in der Fremde.3) So kamen sie auch in diese Gegend und gründeten in Ringen, Adendorf, Gelsdorf, Wormersdorf Ersdorf und Altendorf neue Niederlassungen.4)

Auffallend ist, dass sich in Lantershofen keine Töpfer ansiedelten, obwohl auch dort geeigneter Ton lag und dies im 18. Jahrhundert durchaus bekannt war. Erste Nachrichten liegen von 1773 und 1782 vor, als ohne Erlaubnis der Obrigkeit Ton gestochen und abgefahren wurde. Über die Qualität des Tons urteilte 1787 ein Experte, er sei, wenn schon nicht besser als der zu Ringen, doch diesem in der Qualität durchaus gleich. Am 8. August 1790 meldete Schultheiß Heinrich Fuchs, es seien Männer aus Höhr (heute Höhr-Grenzhausen) da gewesen und hätten ihn wegen der weißen Erde angesprochen. Er habe ihnen gesagt, es sei weiße Erde in der Rahmhecken vorhanden und auch blaue Erde (Ton von bläulicher Farbe), die man aber nicht abgraben könne, ohne die Nachbarn zu schädigen.5) Damit enden die Nachrichten in Lantershofen. Dass die Tonlager damals nur in geringem Maße ausgebeutet wurden und sich keine Töpfer ansiedelten, scheint nach den vorliegenden Quellen am mangelnden Interesse der Inhaber der Herrschaft Lantershofen gelegen zu haben, die sich davon keine allzu großen wirtschaftlichen Vorteile versprachen.

Erster Töpfer in Ringen

In Ringen wurde seit dem Jahre 1718 Ton gefördert, denn am 12. März jenes Jahres erhielt Johann Niklas Dahmen die Erlaubnis, im Amt Neuenahr Podterd (Töpferton) zu stechen. In dieser Quelle wird die Örtlichkeit nicht genauer genannt, doch handelt es sich zweifellos um Ringen, wie sich aus anderen für das ganze 18. Jahrhundert vorliegenden Nachrichten ergibt.6) 1784 wurde der Ton von Ringen nach Amsterdam und sogar nach Amerika geliefert.7) 1790 geschah die Förderung in einer Grube unterhalb des Dorfes. Der Ton wurde mit Pferdekarren drei Stunden weit nach Remagen gebracht und von dort per Schiff nach Holland befördert.8) Dorthin transportierte man auch noch 1808 große Menge von Pott- und Pfeifenerde.9)

Während die Tonförderung schon einige Jahrzehnte betrieben wurde, begann mit dem Jahr 1741 die Töpfertätigkeit in Ringen. Darüber besitzen wir eine eindeutige Aussage. Am 26. September 1741 notierte der dortige Pfarrer zu der Taufeintragung von Heinrich Wilhelm Böcking, einem Kind von Nikolaus Böcking und Margaretha Gelhards (Gerhards): „Dieses Kindt ist getaufft worden, alß sein Vatter mit Meister Peter Mennincken zum erstenmahl hier zu Ringen Kannen gebacken haben." Die Herkunft von Heinrich Böcking ließ sich bisher nicht feststellen, die Namen seiner Frau Margaretha Gerhards, des Meister Peter Mennincken sowie der Paten Isbert und Wingender bei diesem und dem nächsten 1743 getauften Kind10) weisen jedoch eindeutig auf das Kannenbäcker Land hin. Mit dieser Taufe im November 1743 enden die Nachrichten über Familie Böcking. Anscheinend verzog sie danach, denn weder Heinrich Böcking noch seine Frau sind im Sterbebuch von Ringen eingetragen. Auch sonst fehlen jegliche weitere Nachrichten über die Anwesenheit von Töpfern in Ringen.

Kannenbäcker in Gelsdorf

Ungefähr 16 Monate später, nachdem in Ringen die Töpfertätigkeit begonnen hatte, sind auch in Adendorf die ersten Töpfer aus dem Westerwald nachweisbar. Am 14. Januar 1743 schlossen Peter Gerhards aus Baumbach, verheiratet mit Anna Maria Mennigen aus Höhr,11) und sein Schwager Peter Mennigen, ebenfalls aus Höhr, mit dem Amtmann der Herrschaft Adendorf einen Vertrag, in dem die Bedingungen ihres künftigen Wirkens als Töpfer festgelegt wurden.12) Dieser Peter Gerhards könnte wegen des gleichen Familiennamens mit der Ehefrau von Böcking in Ringen verwandt gewesen sein. Peter Mennigen dürfte identisch sein mit Meister Peter Mennincken, der beim ersten Brand in Ringen anwesend war. Er heiratete 1745 in Adendorf und starb dort vier Jahre später.13)

Für Gelsdorf liegt der erste Nachweis über die Anwesenheit von Westerwälder Kannenbäckern aus demselben Jahr wie in Adendorf vor. Am 1. September 1743 ist in Gelsdorf die Familie Johann Wimar Günther und Anna Maria Wingender aus Hillscheid mit der Geburt ihres Sohnes Bartholomäus Joseph zuerst fass-bar.14) Ihr älterer Sohn Wilhelm wurde 1727 noch in Hillscheid geboren,15) so dass der Zeitpunkt ihres Zuzugs durchaus auch viel früher gewesen sein kann. Als nächste trafen 1746 die gerade erst verheirateten Eheleute Johann Peter Knötgen und Anna Menningen aus Adendorf ein. Er stammte aus Nastätten, Kreis St. Goarshausen, südlich des Kannenbäcker Landes, seine Frau Anna Menningen kam aus Höhr. Da sie im dritten Grad blutsverwandt waren,16) ist anzunehmen, dass die Vorfahren von Johann Peter Knötgen ebenfalls aus dem Kannenbäckerland stammten. Die nächs-ten bekannten Neuankömmlinge waren Jakob Corzelius und seine Ehefrau Anna Gerhardts aus Höhr, die am 10. August 1750 in Gelsdorf ihre Tochter Anna Maria taufen ließen. Weitere Personen folgten.

Die Zuwanderung von immer mehr Töpfern führte zu manchen Spannungen im Ort, besonders wegen der Nutzung des sogenannten Erbenwaldes, aus dem sich jeder, der in einem dazu berechtigten Haus wohnte, sein Brand- und Bauholz holen konnte. Da die Töpfer zum Brennen ihrer Produkte unverhältnismäßig große Mengen an Buchen- und Eichenholz benötigten, geriet die sparsame Bewirtschaftung des Waldes aus dem Gleichgewicht. Um die weitere Zuwanderung von Fremden zu steuern, wurde deshalb am 4. Juni 1765 ein Bürgergeld eingeführt, wonach jeder auswärtiger Mann drei Pistolen (15 Reichstaler), jede Frau zehn Reichstaler bezahlen und zusätzlich eine Kaution von 50 Reichstalern stellen musste, die als Rücklage für nicht bezahlte Steuern und Abgaben herangezogen werden konnte.17) Das war eine hohe Hürde, wenn man bedenkt, dass 1776 Peter Knötgen, Sohn von Peter Knötgen und Maria Palm aus Höhr, der sieben Jahre vorher in Gelsdorf geheiratet hatte, für 117 Taler in Ipplendorf ein Haus kaufte.18) Wegen dieser hohen Kosten versuchten manche Neuankömmlinge die Zahlung des Bürgergelds so lange wie möglich hinauszuzögern. Als Jakob Corzelius sein Bürgergeld noch nach vielen Jahren nicht bezahlt hatte, nahm ihm die Gemeinde 1781 das Wirckradt (stabgetriebenes Töpferrad) ab und schloss es in der Schule ein mit der Auflage, es dann erst zurückzugeben, wenn er die Gebühren gezahlt hatte.19)

Gefäße aus der Töpferei Günther, vor 1850, gefunden beim Abbruch des Töpferofens im Hof der Häuser Bonner Straße 51 und 53

Die Zahl der Töpferbetriebe, in denen neben dem Meister sicher teilweise mehrere Gesellen und andere Helfer tätig waren, betrug im Jahre 1784 zwei (Knötgen und Jungbecker)20) vermehrte sich auf vier, die im Jahre 1799 genannt werden (Günther, Jungbecker, Wilms und Wingender).21) Genauso viel werden auch 1826 gezählt.22) Von diesen erloschen die Betriebe von Johann WilheIm Jungbecker (†1831), Johann Wilhelm Günther (†1850) und Johann Peter Wingender (†1857) spätes-tens mit dem Tod der Betriebsinhaber. Übrig blieb allein die Töpferei der Brüder Ferdinand und Jakob Nipp, die ihren Betrieb um 1850 geteilt haben müssen, so dass die in der Folgezeit genannten zwei Betriebe sich auf diese beziehen.23) Nach der Kreisstatistik bestanden im Jahre 1863 im gesamten damaligen Kreis Ahrweiler nur zwei Töpferbetriebe und zwar in Gelsdorf. Dort waren außer den beiden Betriebsinhabern sechs Arbeiter tätig.24) 1881 lag die letzte noch bestehende Töpferei fast still,25) vier Jahre später arbeiteten dort jedoch noch ein Meister und ein zweiter Beschäftigter.26) 1897 wird in einer Liste der Gelsdorfer Handwerker kein einziger Töpferbetrieb mehr genannt.27)

1. Töpferei Günther –––> Jungbecker

Der erste Westerwälder Töpfer in Gelsdorf war Johann Wimar Günther, verheiratet mit Anna Maria Wingender, die vor dem 1. September 1743 nach Gelsdorf zogen. In der nächsten Generation führte der 1727 geborene Sohn Wilhelm, seit 1757 mit Anna Margaretha Trommenschläger verheiratet, den Betrieb fort. Am 10. Mai desselben Jahres nahmen diese Eheleute hundert Reichstaler auf, die sie vielleicht zum Bau eines neuen Töpferofens verwendeten.28) Schon im Februar des darauffolgenden Jahres starb Wilhelm Günther. Seine Witwe heiratete 1759 den Töpfer29) Jakob Jungbecker, einen Sohn von Johann Jungbecker und Margarethe Wingender aus Höhr.30) Am 19. September 1768 pachtete Jakob Jungbecker von der Gemeinde das sogenannte Schützengärtchen, um dort den Ton auszubeuten.31)

In dritter Generation setzte der 1760 geborene Sohn Johann Wilhelm Jungbecker den Töpferbetrieb fort. 1810 gehörte er noch zu den vier Töpfern, die im Pfarrhausgarten hinter der Kirche Ton förderten,32) aber 1816, als seine Frau Gudula starb, wird er im Sterbeeintrag als faber (Schmied) bezeichnet, bei seinem Tod 1831 sogar als Ackerer.33) Entweder entsprach dies inzwischen seiner Haupttätigkeit oder er hatte die Töpferei bereits gänzlich aufgegeben. Sein Wohnhaus stand 1826 auf der Parzelle 283.34) Es ist das heutige Haus Bonner Straße 42, schräg gegenüber der Kirche.

2. Töpferei Knötgen –––> Wingender

Die prägendste Gestalt unter den Gelsdorfer Töpfern war zweifellos Johann Peter Knötgen, der 1746 mit seiner gerade erst angetrauten Ehefrau Anna Menningen von Adendorf nach Gelsdorf zog. Er entstammte einer alten Töpferfamilie, die sich über das Kannenbäcker Land, wo sie kurz vor 1600 auftauchte, bis nach Siegburg zurückverfolgen lässt. Dort gehörten Angehörigen dieser Familien im ausgehenden Mittelalter zu den reichsten und angesehensten Geschlechtern der Stadt.35) Auch Johann Peter Knötgen und seine Frau arbeiteten sich in Gelsdorf von fast bettelarmen Anfängen36) schnell zu einer der wohlhabendsten Familien des Dorfes hoch. An ihrem Lebensende besaßen sie rund zwölf Morgen Land,37) seit Dezember 1765 hatten sie ein zweites Haus,38) in dem möglicherweise der bei ihnen arbeitende Töpfer Jakob Corzelius lebte39). Doch die Landwirtschaft bedeutete nur einen Nebenerwerb, ihre eigentlichen Einnahmen bezogen sie aus der Töpferei. So waren sie imstande, mehrfach hohe Geldbeträge zwischen 100 und 415 Reichstalern an ihre Mitbürger zu verleihen.40) Johann Peter Knötgen war nicht nur eine fähige, sondern auch selbstbewusst auftretende Persönlichkeit. Er wollte sich nicht mit der untergeordneten Stellung eines Handwerkers in der von den wohlhabenden Bauern bestimmten Dorfgesellschaft zufrieden geben. Daher verwundert es nicht, dass er schon 1748 als einer der Dorfrebellen genannt wird.41) Als er 1763 zum Schultheiß ernannt wurde und damit als dörflicher Vertreter der Obrigkeit das einflussreichste Amt im Dorf erhielt, löste dies einen Proteststurm aus. Dabei wies man ihm nach, dass sein 1750 ausgestelltes Leumundszeugnis gefälscht war. Dennoch blieb er im Amt. Allerdings begleiteten Streitigkeiten und langjährige Prozesse mit der Gemeinde seine Amtszeit auch in den folgenden Jahrzehnten. 1772 kam es sogar zu seiner Strafversetzung durch den Kurfürsten in das Amt Neuenahr, doch dem Inhaber der Herrschaft Gelsdorf, Constantin Gruben, in dessen Gunst Knötgen stand, gelang es, diese Entscheidung wieder rückgängig zu machen.42)

Ein glücklicher Zufall will es, dass wir auch über Knötgens Tätigkeit als Töpfer durch eine zeitgenössische Reisebeschreibung ausführlich informiert werden. Der anonyme Verfasser besuchte die Töpferei am 18. Mai 1784 und schrieb dazu Folgendes: „Zu Gelsdorf sind ein paar schöne Blausteinwaarfabriken. Herr Richter Custodis führte mich in die des Herrn Schultheis Johann Peter Knötchen. Diese Waare, die in Krügen und allerhand üblichem Hausgeräthe besteht, wird aus weisser Kleyerde oder Pfeifenerde gemacht, die man von der Aar bis nach Flammersheim, und an’s Vorgebirg findet; die beste giebt es aber zu Röngen [Ringen] im Kurpfälzischen Amt Neuenaar; wovondannen sie sogar nach Amsterdam und Amerika verführt wird. – Herr Knötchen ließ einen Brunnen graben, und fand zwar 18 Fuß Kleyerde, aber gar kein Wasser. – Diese Kleyerde wird zerrieben, mit Wasser zu einem Teige gemacht, wovon Stücke abgeschnitten, und, so wie zu Tönnestein aufs Rad gebracht werden. Der Töpfer nimmt aber keine gewisse Porzion der Masse, sondern macht aus einer grossen Porzion des Teiges, der auf der Axe des Rades liegt, so lange Geschirre aus freyer Hand, bis der Teig alle ist, solches sehr künstlich ist. Man macht daselbst unter andern Sorten grosse und kleine Englische Wasserkrüge, worauf die Buchstaben G. R. (d. i. Georgius Rex) stehen, welche nach Londen geliefert werden; und Düsseldorfer Krüge, welche ein halbes Düsseldorfer Maas halten. Von dieser Sorte kann ein Mann 150 Stücke in einem Tag, und von den großen Londenschen Krügen 50 Stücke in einem Tag verfertigen. Wenn die Waare gedreht und etwas trocken ist, so ritzt ein blos hiezu bestelltes Mädchen die Figuren mit einem hölzernen Instrument, mit grosser Geschicklichkeit, auf die Waare, und streicht die Figuren mit einer blauen Farbe aus Sächsischen Blau, Schwefel und Wasser an. Ehe die Waare in den Ofen kommt, wird sie auf platte dreyeckige Füsse gestellt, welche nur einmal gebraucht werden können; denn sonst backt die Waare an. Die Füsse werden auf folgende Art gemacht: Erst formt man runde Kuchen, und dann schneidet man mit einem Messer aus zwey übereinandergelegten drey Stücke nach der Rundung heraus, so daß der runde Kuchen eine Gestalt wie drey Sicheln bekommt, nemlich an drey Ecken, damit man die darauf gestellten Krüge wieder anfassen kann. Dann läßt man sie ein wenig trocknen, sondert sie ab und legt sie unter die Waare. Sie können nur einmal gebraucht werden, denn sonst werden sie zu Glas und kleben an der Waare fest.

Grauer, bemalter Krug, 35 cm hoch, beim Brennen leicht gedrückt, angeblich aus der Töpferei Dürener Straße 2, um 1790

Der Ofen ist ungefähr 20 Fuß lang und 7 Fuß hoch und hat 9 Zuglöcher, eben so, wie jener zu Tönnestein. – Es werden ungefehr fünf Klafter [ca. 22 cbm] Holz ihn zu heitzen erfordert. – Herr Knötchen liefert seine Waare nach Amsterdam, London, Hamburg usw.

Zu Gelsdorf ist auch noch eine solche, fast eben so starke Fabricke, welche dem Jungbecker zugehört. Ferner sind auch solche Fabricken zu Ohndorf [Adendorf] und Erstdorf."43)

Diese aufschlussreiche Schilderung unterstreicht die herausragende Rolle von Johann Peter Knötgen unter den Gelsdorfer Töpfern. Sie lüftet außerdem ein lange nicht lösbares Rätsel. Die beschriebenen G.R.-Krüge, die er nach London lieferte, nehmen unter dem Steinzeug des 18. Jahrhunderts eine besondere Rolle ein. Solche in vielen Museen verwahrten Krüge zeigen die großen Initialen G. R. auf der Schauseite, darüber eine Krone und unterhalb meistens einen geflügelten Engelkopf. Die Ini-tialen stehen für Georgius Rex. Da es drei Könige von Großbritannien mit dem Vornamen Georg gab, die von 1714 bis 1820 regierten, sind diese Krüge auf diese fast hundertjährige Periode zu datieren. Lange Zeit glaubte man, sie stammten aus der Töpferei Rensing in Warendorf und die Initialen GR bezögen sich auf diesen Namen, bis 1969 Paul Engelmeier überzeugend die Westerwälder Herkunft nachwies.44) Diese Erkenntnis ergänzte 1971 Wingold Lehnemann mit dem Hinweis auf oben genannte Reisebeschreibung, womit zum ersten Mal ein Meister, nämlich Johann Peter Knötgen, als einer der Hersteller solcher Krüge namhaft gemacht wurde.45)

Wenige Monate später, nachdem der Reisende die Werkstatt von Johann Peter Knötgen besichtigt hatte, starb dieser am 4. November 1784. Da die Ehe kinderlos geblieben war, setzte seine Witwe in ihrem Testament vom 6. Dezember 1784 ihr Patenkind Anna Walburga Wingender, Tochter von Johann Wingender und Anna Maria Gerhards zu Gelsdorf, als Alleinerbin ein. Da sie erst sieben Jahre alt war, sollte der Vater das Erbe für sie verwalten. Mit größeren Legaten bedachte Witwe Anna Knötgen auch ihre Verwandtschaft in Adendorf, Wormersdorf, Sinzig und Höhr.46) Am 10. Feb-ruar 1788 verstarb sie.

Den größten Teil des Erbes übernahm, wie Anna Knötgen im Testament verfügt hatte, ihr 1744 geborener Neffe Johann Wingender,47) der in ihrem Haus wohnte.48) Er stammte aus Hillscheid und hatte 1776 in Gelsdorf Anna Maria Gerhards aus Adendorf geheiratet, die jedoch schon 1777 im Kindbett starb. Am 30. Oktober 1786 heiratete er in zweiter Ehe die in Gelsdorf wohnende, aber ebenfalls aus Hillscheid stammende Anna Margarethe Wilms.49)

In der nächsten Generation führten der unverheiratete zweitälteste Sohn Wilhelm Heinrich (*1789) und der jüngste Sohn Johann Peter Wingender (*1796) die Töpferei fort. Nach dem Tod des Letzteren wurde am 4. Februar 1858 das gesamte Inventar des Hauses und der Töpferei versteigert.50) Das Haus Wingender ist mit dem heutigen großen Fachwerkgebäude Burgstraße 16 (Kaiser) identisch. Der Töpferofen lag nach Ausweis der Katasterkarte von 1823 am hinteren Ende des Anwesens.51)

3. Töpferei Günther

Der oben genannte Bartholomäus Günther (*1743) heiratete 1772 in Gelsdorf Gertrud Fisang aus Gelsdorf. Er arbeitete wohl zuerst in der Töpferei seiner Mutter und ihres zweiten Mannes Jakob Jungbecker, da sein Betrieb in der oben erwähnten Reisebeschreibung von 1784 nicht genannt wird. Am 30. Juni 1799 erhielt er als einer von vier Gelsdorfer Töpfern das Patent als potier (Töpfer),52) aber schon viele Jahre vorher muss er einen eigenen Betrieb besessen haben, denn nach mündlicher Aussage eines 1853 geborenen Nachkommen lieferte die Feintöpferei Günther Vasen und Geschirr an den kurfürstlichen Hof nach Bonn.53) Dieser Hofstaat löste sich 1794 auf, als die französischen Revolutionstruppen die Stadt einnahmen.

Der jüngster Sohn Johann Wilhelm (*1785) setzte den Betrieb fort. Als Töpfer wird er mehrfach in der Zeit von 1810 bis 1847 genannt.54) Als er am 7. Februar 1850 im Alter von 64 Jahren starb, erlosch der Betrieb.55) Von seinen neun Kindern lebte nur noch ein einziger Sohn, und zwar Jakob, der als Lehrer in Hirznach wohnte56) und deshalb als Betriebsnachfolger nicht zur Verfügung stand.

Das Wohnhaus von Johann Wilhelm Günther stand 1826 auf der Parzelle 190.57) Es war das Fachwerkhaus Bonner Straße 53, das vor wenigen Jahren abgebrochen wurde. Mit dem noch stehenden Haus Nr. 51 besaß es einen gemeinsamen Innenhof. In dessen hinterem Teil stieß man im Jahre 2001 bei Renovierungsarbeiten auf die Reste des Töpferofens.58)

4. Töpferei Wilms –––> Nipp –––> Scheben –––>Corzelius

Auch diese Töpferei blieb, wie die übrigen drei Gelsdorfer Betriebe, immer in der Hand einer Familie, doch änderte sich der Name mehrfach durch einheiratende Männer. Begründet wurde sie von Peter Joseph Wilms aus Wormersdorf, der 1794 Sibilla Jungbecker, die Tochter des Gelsdorfer Töpfers Jakob Jungbecker, heiratete. 1799 erhielt er als einer von vier Gelsdorfer Töpfern das Töpferpatent.59) Schon im folgenden Jahr starb er im Alter von 33 Jahren.60) Seine Frau heiratete darauf 1803 den zwölf Jahre jüngeren Hafner Ferdinand Nipp (*1779) aus Ipplendorf. Im Standesregister wird tatsächlich der hier nicht übliche süddeutsche Ausdruck Hafner gebraucht.61) Auch diese Ehe bestand nur kurz, denn am 15. Oktober 1807 starb Sibilla Nipp. Ihr Mann Ferdinand heiratete nun Anna Sophia Gierz. Ferdinand Nipp starb 1833.

Nach dem Tod des Vaters führte der 1805 geborene Ferdinand Nipp junior (†1891)62) zusammen mit seinem jüngere Halbbruder Jakob den elterlichen Betrieb weiter.63) Während Ferdinand ledig blieb, heiratete Jakob 1845 Anna Maria Assenmacher, eine Enkelin des oben genannten Betriebsgründers Peter Joseph Willems. Von Jakobs acht Kindern blieb die 1847 geborene Tochter Anna Katharina im Elternhaus wohnen. 1878 heiratete sie den Töpfer Caspar Scheben aus Meckenheim64) und nach dessen Tod 1886 den aus Adendorf stammenden Töpfer Leopold Corzelius.

Dessen Töpferwerkstatt und ein Schuppen standen 1888 an der Stelle,65) wo sich heute das Haus Neuenahrer Straße 2a (Heinrichs) befindet. Der Kannenofen wurde erst beim Neubau dieses Hauses um 1977 abgebrochen.66) Vor kurzem stieß die Nachbarfamilie Ehrlich beim Ausschachten einer Einfahrt zu ihrem Grundstück auf einen Scherbenhaufen, auf dem sich vor allem Reste von Wasserkrügen fanden. Demnach scheint der letzte Gelsdorfer Töpfer Leopold Corzelius vor allem Wasserkrüge für den Heppinger Mineralbrunnen hergestellt zu haben, bis dieses einträgliche Geschäft durch das Aufkommen von marktgerechteren Glasflaschen spätestens in den 1890er Jahren schlagartig beendet wurde.67) Wahrscheinlich bedeutete der Wegfall dieses Absatzbereichs das Ende der Töpferei Corzelius. Jedenfalls wird in einer Liste aller Gelsdorfer Handwerker vom Jahre 1897 keine Töpferei in Gelsdorf mehr erwähnt.68)

Anmerkungen

  1. Landeshauptarchiv Koblenz (nachfolgend LHAK), Best. 53 C 25, Nr, 2996 (freundl. Mitteilung von H.-G. Klein, Ahrweiler).

  2. StA Bad Neuenahr-Ahrweiler, A 583, S. 468.

  3. Gerhartz, Herkunft und Eigenart der Adendorfer Kannenbäckerei, (Nachdruck von 1916), in: Landkreis Bonn (Hrsg.), Keramik im Landkreis Bonn, Bonn 1969, S. 95-104.

  4. F. Münch, Beiträge zu einer Geschichte der Töpferei im Landkreis Bonn für die Zeit ab 1800, in: Keramik im Landkreis Bonn, Bonn 1969, S. 18.

  5. LHAK, Best. 53 C 25, Nr. 2916.

  6. H. Frick, Quellen Bad Neuenahr, Bad Neuenahr 1933, Nr. 1634, weitere Angaben in: HStAD, Jülich-Berg III R Amt Neuenahr, Nr. 21 (Jahresrechnung 1740/41), fol. 36v, und in den Jahresrechnungen der folgenden Jahrzehnte.

  7. [Anonym], Mahlerische Reise am Nieder-Rhein. Merkwürdigkeiten der Natur und Kunst aus den Gegenden des Niederrheins, (Heft II), Nürnberg 1785, S. 43.

  8. C. W. Nose, Orographische Briefe über das Siebengebirge, 2. Teil, Frankfurt a. M. 1790, S. 230f.

  9. LHAK, Best. 256, Nr. 4952.

  10. Diese und alle folgenden Tauf- bzw. Geburts-, Heirats- und Sterbedaten sind den Kirchenbüchern von Ringen und Gelsdorf entnommen.

  11. Gerhartz (wie Anm. 3), S. 74, 81.

  12. Franz Müller, Aufstieg Adendorfs zu einem rheinischen Töpferzentrum, in: Ursula Dohmen u.a. (Hrsg.), Die Adendorfer Töpfer im Wandel der Zeit, Unkel 1991, S. 15.

  13. Gerhartz (wie Anm. 3), S. 74,

  14. Der Herkunftsort findet sich in der Heiratseintragung des Sohnes Wilhelm 1757.

  15. Geburtsjahr erschlossen aus Sterbeeintrag: 22.2.1758, 31 Jahre alt.

  16. Heiratsdispens am 17. Februar 1746 (H. Deitmer, Die Kölner Generalvikariatsprotokolle als personengeschichtliche Quelle, Bd. IV, Köln 1979, S. 409). Anwesenheit in Gelsdorf laut Eintritt von Anna Knötgen in die Gelsdorfer Christenlehrbruderschaft 1746 (Lehnemann, wie Anm. 45, S. 35).

  17. LHAK, Best. 655/11, Nr. 55.

  18. LHAK, Best. 53 C 15, Nr. 2, fol. 3v.

  19. LHAK, Best. 655/11, Nr. 55.

  20. Mahlerische Reise (wie Anm. 7).

  21. StA Bad Neuenahr-Ahrweiler, A 653.

  22. Gemeindearchiv Grafschaft (nachfolgend: GAG), Akte 27/7.

  23. GAG, Akte 96a/9.

  24. Kreisarchiv Ahrweiler, Abt. 290, Nr. 10, S. 36.

  25. GAG, Akte 28/14, fol. 11.

  26. GAG, Akte 98/3.

  27. GAG, Akte 96a/9.

  28. LHAK, Best. 53 C 15, Nr. 1, fol. 44v, 45.

  29. Bei der Heirat der Tochter Sibilla 1803 wird ihr verstorbener Vater als Hafner genannt (Standesamt Ringen, Heiratsregister der Mairie Gelsdorf 1803, Blatt 4).

  30. Wegen Verwandtschaft war eine Dispens zur Heirat erforderlich (J. Vogel, Die Kölner Generalvikariatsprotokolle als personengeschichtliche Quelle, Bd. VI, Köln 1992, S. 236).

  31. Pfarrarchiv Gelsdorf, Prozessakten (ungeordnet), 1793.

  32. Ebd., Taufbuch 1770-1909, S. 378.

  33. Standesamt Ringen, Sterberegister 44/1831.

  34. LHAK, Best. 733, Nr. 118, Bd. 1.

  35. J. B. Dornbusch, Die Kunstgilde der Töpfer der abteilichen Stadt Siegburg und ihre Fabricate, in: AHVNrh. 25/1873, S. 35, 37; Felten, Die Siegburger Töpferfamilie Knütgen, in: Heimatblätter des Siegkreises, Jg. 2/1926, S. 56-60.

  36. Aussage in einem Beschwerdebrief der Gelsdorfer Schöffen, 1775 (LHAK, Best. 655/11, Nr. 60).

  37. LHAK, Best. 53 C 15, Nr. 2, S. 180f.

  38. Ebd. fol. 104, 104v.

  39. Corzelius schuldete ihnen 1780 an Hausmiete 103 Reichstaler (LHAK, Best. 655/11, Nr. 55).

  40. LHAK, Best. 53 C 15, Nr. 1, fol. 6Iv, 62, 69v, 82, 82v, 96, 96v, 99.

  41. LHAK, Best. 655/11, Nr. 58.

  42. LHAK, Best. 655/11, Nr. 55.

  43. Mahlerische Reise (wie Anm. 7), S. 43f.

  44. P. Engelmeier, Westerwälder Steinzeugkrüge mit dem Monogramm G R, in: Keramos. Zeitschrift der Gesellschaft der Keramikkunde e. V., Düsseldorf Heft 44, April 1969, S. 3 - 11.

  45. W. Lehnemann, Die Herkunft der salzglasierten Steinzeugkrüge mit dem Monogramm GR, in: Keramos, Heft 51/1971, S. 34-36.

  46. LHAK, Best. 53 C 15, Nr. 2, S. 137-142, ein 2. Testament S. 174-179.

  47. LHAK, Best. 53 C 15, Nr. 2, S. 203-205, 240-243.

  48. LHAK, Best. 655/11, Nr. 58 (1781 erklärte Wingender, der noch nicht das Bürgerrecht erworben hatte, er wohne im Haus seines Oheims).

  49. Ihre Herkunft wird bei der Taufe von Gottfried Honecker am 9.5.1797, wo sie als Patin auftritt, erwähnt.

  50. LHAK, Best. 587A, Nr. 1852, Notar Bresgen, Rep. 4036 und Rep. 4049.

  51. Nachzeichnung der Urkarte in: P. Neu (Bearb.), Gelsdorf. Rheinischer Städteatlas Lief. IX Nr. 49, Köln 1989.

  52. StA Bad Neuenahr-Ahrweiler, A 653.

  53. StA Bonn, Brief von Heinz Altenburg in München-Waldperlach an das Stadtarchiv Bonn, 1952.

  54. Berufsangabe im Standesregister von Gelsdorf, heute im Standesamt Ringen, Sterbefall Nr. XX/1810, Geburten 40/1817, 85/1820, Sterbefall 107/1838, ferner 1847 (LHAK, Best. 587A, Nr. 1821, Notar Bresgen, Rep. 154).

  55. Am 5.9.1850 bat der Bürgermeister um verbilligte Salzlieferung für die Töpfer Nipp und J. P. Wingender (GAG, Akte 3/3). Daraus ergibt sich, dass die Töpferei Günther nicht mehr bestand.

  56. LHAK, Best. 587A, Nr. 1821, Notar Bresgen, Rep. 154.

  57. LHAK, Best. 733, Nr. 118, Bd 1.

  58. Mündl. Auskunft Walter Tessaro, Gelsdorf 2002.

  59. StA Bad Neuenahr-Ahrweiler, A 653.

  60. Standesamt Ringen, Sterberegister der Mairie Gelsdorf, Jahr 9 der Republik, Nr. 9. Hier werden sowohl er wie sein Vater als Hafner bezeichnet.

  61. Standesamt Ringen, Heiratsregister der Mairie Gelsdorf 1803, Blatt 4.

  62. Standesamt Ringen, Sterbebuch 1891/7. Dort noch als Töpfer genannt.

  63. Als Töpfer wird Jakob Nipp bei der Heirat der Tochter Gudula 1873 genannt (Kirchenbuch Gelsdorf; Heiraten 1770-1925, S. 88. Ebenso nach dem Tod (GAG 156/4).

  64. Er wird im Heiratseintrag des Kirchenbuchs 1770-1925, S. 96, als figulus (Töpfer) genannt.

  65. Flur 7, Parzelle 544/239 und 544/238 (LHAK, Best. 587A, Nr. 1970, No-tar Ilges, Rep. 2948).

  66. Mündl. Auskunft Günther Heinrichs, Gelsdorf 2002.

  67. F. Münch (wie Anm. 4), S. 16.

  68. GAG, Akte 96a/9.