Notfall – Schlaganfall

Das neue Schlaganfallzentrum im Krankenhaus Maria Hilf in Bad Neuenahr- Ahrweiler

Dr. med. Gerhard Kreuter

In Deutschland erkranken jährlich ca. 300000 Menschen an einem Schlaganfall, ca. 100000 davon sterben daran bzw. an seinen Folgen. Ca. 80000 Patienten bleiben schwerbehindert oder pflegebedürftig. Jeder 10. Deutsche über 50 Jahre stirbt an den Folgen eines Schlaganfalls. Der Schlaganfall ist somit nach Herzinfarkt und Krebs die dritthäufigste Todesursache.

Bezogen auf den Kreis Ahrweiler bedeutet dies: Ca. 400 Bürger erleiden jährlich einen Schlaganfall, davon sterben im Jahr 115 Patienten. 100 Menschen bleiben schwerbehindert oder pflegebedürftig. Der Schlaganfall und seine Folgen sind die häufigste Ursache einer bleibenden Behinderung beim älteren Menschen.

Der Gedanke an einen Schlaganfall löst immer einen großen Schrecken aus. Tatsächlich bedeutet diese Erkrankung für die Betroffenen und ihre Angehörigen oft einen tiefen Einschnitt in ihrem Leben. Ein scheinbar gesunder aktiver Mensch wird abrupt aus dem Leben gerissen und von einer Minute zur anderen ein Pflegefall. Dies ist nicht nur für den Betroffenen oft ein Schock, sondern auch das ganze soziale Umfeld – Familie, Freunde, Arbeitskollegen müssen sich völlig umorientieren, die alten sozialen Beziehungen sind nicht mehr knüpfbar. Ratlosigkeit, Hilflosigkeit und oft auch Verzweiflung sind verständliche Reaktionen. Obwohl mit steigendem Alter die Häufigkeit des Schlaganfalls zunimmt, trifft er immer häufiger auch jüngere Menschen.

Aber wir stehen dem Schlaganfall nicht mehr so hilflos wie noch vor Jahrzehnten gegenüber. In wichtigen Bereichen wurden Fortschritte erzielt – Diagnostik, Behandlung, Erkennung von Frühzeichen, Vorbeugung und Nachsorge sowie insbesondere Rehabilitation können sehr oft die Schlaganfallfolgen begrenzen, minimieren oder sogar ganz aufheben. Deshalb ist die Aufklärung über die Volkskrankheit Schlaganfall von größter sozialmedizinischer Bedeutung.

Der akute Schlaganfall ist ebenso wie der Herzinfarkt lebensbedrohlich und somit ein Notfall, der sofort einer qualifizierten Krankenhausbehandlung bedarf.

Ursache ist eine plötzliche Durchblutungsstörung im Gehirn durch Verengungen, Verstopfungen der Blutadern oder durch einen Riss eines Blutgefäßes im Gehirn. Dadurch erhalten die Nervenzellen im Gehirn zu wenig Sauerstoff und Nährstoffe, auf deren Zufuhr sie ununterbrochen angewiesen sind. Je länger dieser Zustand anhält, umso mehr Gehirnzellen sterben ab, umso größer ist der Schaden und die bleibende Behinderung und auch die Sterblichkeit. Durch frühzeitiges und richtiges Behandeln in einer modernen Schlaganfalleinheit kann ein Teil der dabei ablaufenden fatalen Veränderungen gestoppt oder sogar rückgängig gemacht werden. Hierzu gibt es allerdings ein enges Zeitfenster, das heißt die besten Behandlungsmöglichkeiten bestehen, wenn die Behandlung innerhalb der ersten 3 bis 6 Stunden nach Beginn der Schlaganfall- symptome einsetzt. Dies gilt insbesondere für den Schlaganfall auf Grund einer Durchblutungsstörung, die mehr als 80% Ursache des Schlaganfalls ist. Ca. 15% der Schlaganfälle werden durch eine Hirnblutung ausgelöst, hier gelten zum Teil andere Regeln in der Behandlung, auf die im Folgenden nicht eingegangen werden kann.

Woran erkennt man einen Schlaganfall?

Plötzliche Lähmung eines Armes oder Beines oder einer Körperseite – Halbseitenlähmung.

Plötzliche Gefühlsstörungen eines Armes, eines Beines oder einer Körperseite.

Plötzliche Schwierigkeiten zu sprechen oder Sprache zu verstehen.

Plötzliche Sehstörungen oder Sehverlust.

Plötzlicher Schwindel mit Gangunsicherheit oder Erbrechen.

Plötzlich starke Kopfschmerzen.

Was muss man in einem solchen Fall tun?

1. Sofort den Notarzt rufen oder rufen lassen! (Im Kreis Ahrweiler Tel. 19222)

2. Fenster öffnen, enge Kleidungsstücke lockern!

3. Betroffenen in Seitenlage bringen!

4. Vorhandene Zahnprothesen entfernen!

5. Puls und Herzschlag kontrollieren!

6. Blutdruck messen!

7. Atemwege frei halten!

8. Für Ruhe des Betroffenen sorgen!

Jetzt ist es für Leben und Gesundheit entscheidend, dass der Patient auf schnellstem Wege in eine geeignete Klinik kommt. Dort muss unmittelbar die Diagnose gestellt und gezielt behandelt werden. Je schneller ein Patient ins Krankenhaus kommt, desto größer sind seine Chancen zu überleben. Niemals in der Nacht auf den Morgen, niemals am Wochenende auf den Montag warten!

Stroke Units in Rheinland-Pfalz

Mitte der 90-iger Jahre hatte das Land Rheinland-Pfalz in einer größeren Studie festgestellt, dass in der Schlaganfallakutbehandlung und auch – Nachsorge erhebliche Defizite im Land bestanden. Daraufhin wurde vom zuständigen Ministerium für Arbeit, Soziales und Gesundheit eine Fachkommission im Kern bestehend aus 6 Neurologen und 3 Internisten eingesetzt, zu denen auch der Verfasser dieses Aufsatzes gehörte. Die Kommission sollte die Einrichtung von sogenannten Stroke Units vorbereiten – Spezialabteilungen für die Schlaganfallbehandlung. Die Kommission erarbeitete im Jahre 1998 ein Konsenspapier bezüglich medizinisch-fachlicher Anforderungen zur Einrichtung von Stroke Units in Rheinland-Pfalz, das am 1.9.98 verabschiedet wurde. Stroke Units sind spezialisierte Schlaganfalleinheiten, in denen mit Hilfe von medizinischem Fachpersonal und Spezialgeräten sowie einer fach-übergreifenden Zusammenarbeit von Internis-ten, Neurologen und Radiologen Schlaganfälle rasch und optimal diagnostiziert und behandelt werden können. Das Land Rheinland-Pfalz beschloss die Einrichtung solcher Zentren an 6 neurologischen Kliniken in den Großstädten wie Koblenz, Mainz, Trier usw. sowie modellhaft an 3 internistischen Kliniken in Bad Neuenahr-Ahrweiler, Neustadt an der Weinstraße und Worms. Hier soll in einer Modellphase gezeigt werden, dass durch die Zusammenarbeit zwischen Internisten im Krankenhaus und Neurologen vor Ort ebenfalls eine optimale Versorgung der Schlaganfallkranken erfolgt, damit auf Dauer ein flächendeckendes Versorgungsangebot zu tragbaren Kosten im Land Rheinland-Pfalz geschaffen werden kann.

Schlaganfallzentrum Krankenhaus Maria Hilf, Bad Neuenahr-Ahrweiler

Im Krankenhaus Maria Hilf wurde Anfang Dezember 1999 integriert in die Abteilung Innere Medizin unter der Leitung von Chefarzt Dr. med. Gerhard Kreuter und Oberarzt Dr. med. Ulrich Michels eine solche spezialisierte Schlaganfalleinheit eröffnet. Die neurologische Betreuung übernahmen die Klinik Dr. von Ehrenwall – Ärztlicher Direktor Dr. Christoph Smolenski mit dem Neurologen Oberarzt Dr. med. Marius Poersch und Frank Husemann sowie Sanitätsrat Dr. habil. Paul Reuther, niedergelassener Neurologe und Begründer und Leiter des ANR – Ambulantes Neurologisches Rehazentrum Ahrweiler zusammen mit der Neurologin Dr. med. Marie-Luise Wohlfahrt. Die radiologische Diagnostik – insbesondere Schädel-CT und Keruspintomographie wird von Chefarzt Dr. Alfons Erwes und Mitarbeitern durchgeführt.

Der Schlaganfallpatient wird sofort nach der Einlieferung in Maria Hilf durch ein speziell ausgebildetes Ärzteteam untersucht, um Art, Ursache und Ausmaß des Schlaganfalls festzustellen und sofort eine gezielte Therapie zu beginnen.

Der Internist führt eine sorgfältige Anamnese und Aufnahmeuntersuchung durch, setzt apparativ das EKG, die Farbdoppler-Echokardiographie, die Farbduplex-­ und Dopplersonographie zur Durchblutungsmessung des Gehirns ein und untersucht das Blut im klinisch chemischen Labor.

Das neue Schlaganfallzentrum im Krankenhaus Maria Hilf  in Bad Neuenahr bietet eine optimale Notfallversorgung.

Der Radiologe führt sofort neben der obligatorischen Röntgenuntersuchung des Brustkorbs eine Computertomographie des Kopfes durch, um festzustellen, ob eine Blutung oder eine Durchblutungsstörung im Gehirn vorliegt. Diese Unterscheidung ist ganz wesentlich für die weitere Therapie, ggf. kann auch eine Kernspinuntersuchung des Kopfes angeschlossen werden.

Der Neurologe führt die typische neurologische Schlaganfalldiagnostik und Klassifikation durch. Er berät bei der Differentialdiagnose des Schlaganfalls und gibt therapeutische Empfehlungen. Er bringt die speziellen neurologischen Kenntnisse zu den klinischen, neuroradiologischen und sonografischen Befunden ein und wirkt somit entscheidend beim Gesamtkonzept der Behandlung mit.

Die Behandlung des Patienten erfolgt auf der Stroke Unit, die räumlich und pflegerisch an unsere interdisziplinäre Intensivstation angeschlossen ist. Auf dieser modernst eingerichteten Überwachungseinheit wird der Patient intensiv klinisch und apparativ beobachtet, insbesondere werden Blutdruck, Herzrhythmus und Herzleistung, Blutzucker, Sauerstoffversorgung, Körpertemperatur und Flüssigkeitshaushalt überwacht und entsprechende Abweichungen korrigiert.

Es erfolgt eine intensive medikamentöse Therapie, zugleich beginnt bereits die Vorbeugung zur Verhinderung eines neuen Schlaganfalls. Optimale Grundpflege mit Einsetzen der reaktivierenden Pflege erfolgt durch ein spezialisiertes Pflegeteam, insbesondere werden so auch Beinvenenthrombosen und Lungenentzündungen vermieden. Zugleich beginnt durch ebenfalls speziell ausgebildete Mitarbeiter die gezielte Krankengymnastik, Sprach- und Ergotherapie.

Je nach Schwere des Schlaganfalls wird der Patient zwischen 2 und 5 Tagen im Schlaganfallzentrum behandelt, dann erfolgt die Verlegung in unsere Modellabteilung für Fachübergreifende Frührehabilitation, einzige ihrer Art in Rheinland-Pfalz. Die auf der Stroke Unit eingeleiteten Rehamaßnahmen werden dort wenn möglich vom gleichen Mitarbeiter intensiviert, um die körperlichen und geistigen Folgeerscheinungen des durchgemachten Schlaganfalls möglichst weitgehend zu bessern bzw. auszuheilen.

Die Schlaganfallpatienten werden von dort entweder in die stationäre neurologische Reha weiter überwiesen oder aber in zunehmendem Maße direkt nach Hause entlassen, wobei ein Großteil dieser Patienten ambulant im ANR Ahrweiler rehabilitiert wird – eine wertvolle und erfolgreiche Einrichtung, die unsere Schlaganfallpatienten ortsnah betreut und ihnen so die Reha in der Ferne und weite Wege für Patient und Angehörige erspart.

Betagte Schlaganfallpatienten werden in größerer Zahl in der Brohltalklinik St. Josef – Fachklinik für geriatrische Rehabilitation in Burgbrohl – weiter behandelt und rehabilitiert.

Von unschätzbarem Nutzen bei der Vermittlung dieser weiteren Betreuung ist der Sozialdienst im Krankenhaus Maria Hilf. Auch die Kostenträger, in erster Linie die Krankenkassen, unterstützen uns in unserem Bemühen, die Schlaganfallpatienten möglichst rasch und qualifiziert in einer geeigneten Einrichtung zu rehabilitieren.

Für die weitere Betreuung ist der informierte und verständnisvolle Hausarzt von entscheidender Bedeutung – im Kreis Ahrweiler werden von uns immer wieder Informationsveranstaltungen zum Thema Schlaganfall angeboten.

In den letzten Monaten ist erfreulicherweise auch eine Schlaganfallselbsthilfegruppe gegründet worden im Rahmen der deutschen Schlaganfallhilfe, einer großartigen Einrichtung zur umfassenden Betreuung der Schlaganfallpatienten. Aus all diesem ergibt sich, dass im Kreis Ahrweiler ein enges und sehr effizientes Netzwerk zur Betreuung der Schlaganfallpatienten von der Akutphase über die verschiedenen Formen der Rehabilitation bis zur späteren Betreuung entstanden ist, das in Rheinland Pfalz seines gleichen sucht.

Im Schlaganfallzentrum Krankenhaus Maria Hilf wurden von der Eröffnung Mitte Dezember 1999 bis zum 30. Juni 2002 fast 900 Patienten mit akutem Schlaganfall aus dem Einzugsgebiet nördliches Rheinland-Pfalz behandelt. Jeder Krankheitsfall wird von der ersten Stunde ab exakt und umfassend dokumentiert und in allen Einzelheiten erfasst, die Daten werden zentral für das gesamte Land Rheinland-Pfalz in der Universitätsklinik Homburg/Saar gesammelt und ausgewertet. Seit 1997 wurden hier ca. 19000 Patienten mit Schlaganfall erfasst – eine in Deutschland einmalige Zahl. Bereits jetzt ergeben sich aus den erhobenen Daten wesentliche Erkenntnisse über Entstehung, Behandlung und Verlauf von Schlaganfällen, die weit über das Land Rheinland-Pfalz von Bedeutung sind.

Für uns höchst erfreulich ist, dass die Ergebnisse unserer Schlaganfalleinheit erfreulich gut und in ihrer Qualität absolut vergleichbar sind mit den 6 neurologischen Kliniken in den Oberzentren.

Welches sind die schädlichen Einflüsse – Risikofaktoren – die zu einem Schlaganfall führen?

Dies sind:

Risikofaktoren Schlaganfallrisiko

Bluthochdruck 6 bis 8-fach

Zuckerkrankheit Diabetes 2 bis 3-fach

Erhöhte Blutfette 2-fach

Nikotinkonsum 2 bis 4-fach

übermäßiger Alkoholkonsum 2 bis 3-fach

Übergewicht und Pille 4-fach

Herzvorhofflimmern 6 bis 18-fach

andere Herzkrankheiten 2 bis 4-fach

Was können Sie zur Vorbeugung eines Schlaganfalls tun?

- Regelmäßige Kontrolle von Blutdruck, Blutzucker und Blutfetten sowie frühzeitige Behandlung von Entgleisungen dieser Werte.

- Gesunde Ernährung: Viel frisches Gemüse und Obst, am besten 5 x täglich.

- Essen Sie regelmäßig Fisch.

- Sparsam mit tierischen Fetten, verwenden Sie vorwiegend pflanzliche Fette und Öle, z.B. Oliven- oder Rapsöl.

- Ausreichend Bewegung

- Gewichtsnormalisierung bei Übergewicht

- Verzicht auf Nikotin, übermäßigen Alkoholkonsum und andere Drogen

- Beachten Sie Warnsignale!

Warnsignale eines drohenden Schlaganfalls

Es stimmt nicht, dass der Schlaganfall immer wie ein Blitz aus heiterem Himmel kommt. Vielfach kündigt er sich durch Warnsignale an. Diese Symptome dauern meist nur wenige Sekunden oder Minuten, man nennt sie transitorische ischämische Attacke oder TIA.

Diese Warnsignale können sein:

- Sehstörungen: Kurzzeitige Erblindung eines Auges, Doppelbilder, verschwommenes Sehen

- Störungen des Gleichgewichtsystems:

Schwindelgefühl mit Gangunsicherheit, man stürzt ohne ersichtlichen Grund.

- Hörstörungen

- Plötzliche Schwäche oder Lähmung einer Gliedmaße oder einer Körperhälfte.

- Plötzliches Taubheitsgefühl im Gesicht, Armen oder Beinen.

- Sprach- und Sprechstörungen:

Plötzliche Unfähigkeit zu sprechen. Undeutliche Aussprache. Man versteht nicht, was gesagt wird.

Man soll diese Warnsignale wie einen Notfall ansehen und sofort den Hausarzt, einen Neurologen oder sogar das nächste Krankenhaus aufsuchen, denn nur so kann ein drohender Schlaganfall mit unübersehbaren Folgen verhindert werden.

Aufbruchstimmung in Sachen Schlaganfall

– so könnte man die Bemühungen der letzten 3 Jahre in unserem Lande beschreiben. Wir in der Gesundheitsregion Kreis Ahrweiler haben durch eine enge und intensive Vernetzung modellhaft und im Lande einzigartig hier mitwirken können: Krankenhaus Maria Hilf, Klinik Dr. von Ehrenwall, ANR Ahrweiler, Brohltalklinik, niedergelassene Ärzte, Selbsthilfegruppe, ambulante soziale Dienste, alle bemühen sich intensiv um eine optimale Behandlung des Schlaganfallpatienten mit dem Ziel, dass diese Menschen wieder ein möglichst selbstständiges Leben zu Hause führen können bzw. jüngere Menschen wieder in den Arbeitsprozess eingegliedert werden. Wir hoffen auch in Zukunft auf die Unterstützung der Landesregierung und der Kostenträger, damit unser Modell weiter besteht und noch ausgebaut werden kann.

Zum Schluss noch ein Ausblick auf das nächste Jahrbuch: Wir werden dann auf das Thema „Weingenuss und Schlaganfall" eingehen. Bis dahin für die Leser der folgende Ratschlag:

Regelmäßiger, aber mäßiger Weingenuss verhindert Schlaganfälle.

Übermäßiger Alkohol – und auch Weingenuss fördert das Auftreten von Schlaganfällen!