Gibt es Unkraut?

Zu den fatalen Folgen dieser Bezeichnung

Dr. Wilhelm Wendling

Wo sind unsere schönen Schmetterlinge – wie Tagpfauenauge, Admiral, Kleiner Fuchs, Landkärtchen, Segelfalter und Schwalbenschwanz geblieben? Die Antwort müssen wir uns schon selber geben, denn der Mensch hat ihnen auch hier bei uns im Kreis Ahrweiler vielfach die Lebensgrundlage entzogen, indem er die Pflanzen bekämpft oder vernichtet hat, die sie zum Leben oder zu ihrer Vermehrung benötigen, weil sie als „Unkraut" betrachtet wurden.

Das Vorkommen von Tagpfauenauge, Admiral, Kleiner Fuchs, Landkärtchen ist nämlich an Brennesseln gebunden, der Schwalbenschwanz sucht dagegen die wilde Möhre und die Schlehenhecke, der Aurorafalter das Wiesenschaumkraut, der Kaisermantel dagegen bevorzugt Veilchen- und Brombeerarten. Das Waldbrettspiel und den Schachbrettfalter zieht es wiederum an verschiedene Grasarten. Das Widderchen ist an Wicke gebunden.

Der große Fuchs ist oft an Ziersträuchern wie dem Sommerflieder zu finden.

Am Sauerampfer leben der als gefährdet eingestufte Dukatenfalter sowie der vom Aussterben bedrohte kleine Ampferfeuerfalter, weiterhin der stark gefährdete violette Feuerfalter.

Vor diesem Hintergrund hat die Bezeichnung „Unkraut" für Wildkräuter in der Insektenwelt schon viel Schaden angerichtet, weil der Mensch bestrebt ist, die Pflanzen, die seine Garten- und Feldkultur beeinträchtigen oder am Wachstum hindern, als „Unkraut" zu bekämpfen und zu vernichten.

So gesehen ist auch das Mulchen ein schwerwiegender Eingriff in die Natur, weil mit der Vernichtung der Krautschicht wichtige Futterpflanzen unserer einheimischen Insekten ausgerottet werden.

Mit der Entfernung von Schlehen- und Brombeerhecken haben auch der als stark gefährdet

eingestufte Schlehenzipfelfalter und der Brombeerzipfelfalter keine Überlebenschance mehr.

Man sollte deshalb das Wort „Unkraut" bekämpfen, denn in der Natur gibt es kein Unkraut. Das existiert nur in den Köpfen der Menschen.

Wir dürfen uns deshalb nicht wundern, wenn so viele Arten auch hier bei uns an Rhein und Ahr vom Aussterben bedroht sind.

So ist auch die Entfernung von Feldgehölzen nicht unproblematisch. Haselstrauch, Holunder, Wildkirsche und Waldrebe, die hier bei uns noch zahlreich vorkommen, sind ebenfalls Heimstätte vieler Schmetterlinge und Käfer. Allein am Haselstrauch werden 11 Käferarten und 20 Schmetterlingsarten nachgewiesen.

Feldgehölzer sind nicht nur ein strukturierendes Element unserer Kulturlandschaft, sie spielen auch in der Biozönose, das heißt im Zusammenleben von Pflanzen und Tieren, eine wichtige Rolle.

Am Gestrüpp der Feldhölze überwintern nämlich viele Insektenarten bzw. Puppen und Raupen, so dass unsere Vögel auch in der kargen Winterszeit dort noch etwas Nahrung finden.

Auf der Hainbuche sind 17 Käferarten und 38 Schmetterlingsarten anzutreffen.

Feldgehölze werden oft als störend empfunden und beseitigt. Sie sind aber dennoch in der Bizönose von hohem Stellenwert, da sie für die Insekten- und Vogelwelt große Bedeutung haben.

Allein in der Pflanzengattung der Rosengewächse (Prunus) werden 260 Schmetterlingsarten und 78 Käferarten nachgewiesen. So lebt an der Schlehe auch der vom Aussterben bedrohte Segelfalter. Die im Feldgehölz oft vertretene Hundsrose bringt es auf 9 Käfer-, 4 Zikaden- und 70 Schmetterlingsarten.

Die bei uns oft vorkommende Eberesche hat 14 Käfer und ebensoviele Schmetterlingsarten aufzuweisen. Die Esche bringt es auf 11 Käfer- und 30 Schmetterlingsarten, darunter den als stark gefährdet geltenden Schlehenzipfelfalter.

An der Waldrebe Clematis werden 58 Käferarten und 96 Schmetterlingsarten gefunden.

Am Brombeergebüsch 4 Zikaden-, 9 Käfer- und daneben noch 70 Schmetterlingsarten, darunter der nur noch vereinzelt vorkommende Brombeerzipfelfalter.

Diese Aufzählungen basieren auf gesicherten wissenschaftlichen Untersuchungen.

So gibt Zwölfer mit seiner Untersuchung „Struktur und Funktion von Hecken in tier-ökologischer Sicht" an, dass die potentielle Artenzahl und das Vorkommen von Gehölzen in direktem Zusammenhang stehen.

Feldgehölze haben mithin einen hohen ökologischen Stellenwert. Ihre Entfernung sollte deshalb grundsätzlich genehmigungspflichtig sein.

Reines Nützlichkeitsdenken und die sprachliche Abwertung von Pflanzen als „Unkraut" haben fatale Folgen. Die Artenvielfalt von Flora und Fauna wird weiter sinken, wenn hier nicht ein Bewusstseins- und Einstellungswandel erfolgt.

Literatur: