Ein bedenklicher Rekord-Sommer

Wann wird´s mal wieder richtig Sommer? Was ein Schlagertext als ideales Wunsch-Wetter sehnsüchtig anpreist, wurde im Juli und August 2003 Wirklichkeit. Diese Wirklichkeit aber war alles andere als idyllisch. Zu der bereits Monate zuvor herrschenden langen Trockenheit kam eine Hitzewelle, die ebenfalls mehrere Wochen dauerte.

Ein Fakt aus dem Kreis Ahrweiler vorweg: Die Wetterstation des Deutschen Wetterdienstes im AW-Kreis, die sich in Barweiler befindet, meldete einen neuen Rekord. Am 8. August 2003, einem Freitag, wurden in der Hocheifel 36,0 Grad Celsius gemessen. Das war der höchste Stand seit Beginn der Aufzeichnungen dieser Wetterstation im Jahr 1930.

Bundesweit machte die saarländische Gemeinde Perl-Nennig von sich reden. Dort ermittelte der Wetterdienst Meteomedia ebenfalls am 8. August 40,8 Grad. Damit wurde die 20 Jahre alte Maximalmessung von 40,2 Grad, erhoben am 27. Juli 1983 im bayerischen Gärmersdorf, gesprengt.

Hinter dieser nackten Statistik, die den Ausnahmecharakter des Sommers 2003 andeutet, verbergen sich zum Teil gravierende Einschnitte in den Alltag der Menschen. Die Hitze lähmte. Alles klebte. Schlafzimmer wurden in den Keller oder ganz nach draußen verlagert. Die verzweifelte Suche nach Kühle sorgte für textile Knappheit und gelüftete Toleranzgrenzen in der Kleiderordnung. Fußballspiele wurden in die Abendstunden verlegt. Dachdeckerfirmen begannen ihre Arbeit morgens um 5 und machten mittags Feierabend; aufgehitztes Metall ließ sich sonst nicht anfassen, ganz zu schweigen von der Gesundheitsgefahr für jene, die der sengenden Sonne bei körperlicher Arbeit ausgesetzt waren.

Der Sinziger Mineralbrunnen füllte sein kostbares Nass an sechs Tagen in der Woche ab – in drei Schichten rund um die Uhr. Bei den übrigen vier Mineralbrunnen im AW-Land sah es ähnlich aus. Die Getreideernte war Anfang August kreisweit abgeschlossen – einen Monat früher als gewöhnlich.

Manchen stand der Notschweiß unabhängig von der Temperatur auf der Stirn: Die Verantwortlichen in den Forstämtern warnten eindringlich vor Brandgefahr in den Wäldern. So sollten Autos mit Katalysator nicht im trockenen Gras parken, weil der Kat sehr heiß wird. Außerdem machte sich der Borkenkäfer in den ausgetrockneten Wäldern breit.

Im Rhein bei Remagen waren die Unkelsteine am Einlauf des Unkelbachs trockenen Fußes zu erreichen. Binnenschiffer hatten mit dem niedrigsten Wasserstand seit 1976 zu kämpfen. Mitte August musste die Berufsschifffahrt auf dem Rhein die Ladung auf 30 bis 40 Prozent reduzieren, damit die Schiffe noch genügend Wasser unter dem Kiel behielten. Probleme gab es im Hafen Oberwinter. Größere Schiffe konnten die Hafenausfahrt nicht mehr passieren und saßen fest. Die Schifffahrt auf dem Rhein war allerdings nicht gefährdet.

Super-Sommer I:  
Bei Heimersheim platzte die Fahrbahn hoch und bildete eine 20 Zentimeter hohe, gefährliche Sprungschanze.

Super-Sommer II: 
Die Schwimmbäder
– hier das in Ahrweiler – erlebten eine Hochkonjunktur.

Super-Sommer III: 
Der Rhein bei Kripp Anfang August 2003: Das Flussbett hat sich zurückgezogen. Schiffe müssen die Ladung auf 30 bis 40 Prozent reduzieren, um genügend Wasser unter dem Kiel zu behalten.

Tödliche Gefahr bestand allerdings für die Fische: Die hohe Wassertemperatur – am Pegel Worms wurde am 9. August mit 29,2 Grad der höchste Wert seit 40 Jahren registriert – ließ als erstes Aale und dann große Forellen verenden. Abgestorbene Muscheln säumten den Uferstrand des Rheins. Das Landesamt für Wasserwirtschaft schlug Alarm wegen des massenhaften Auftretens giftiger Blaualgen und warnte vor dem Baden in einigen Seen und Teichen.

Bei Heimersheim platzte die Fahrbahn am 11. August nach oben. Die Umgehungsstraße der B 266 in Höhe der Ahrtalbrücke wurde zu einem 2,75 Meter breiten und 20 Zentimeter hohen Sprunghügel. Durch die Extrem-Temperaturen hatte sich die Bitumendecke vom Betonunterbau gelöst und war nach oben gesprungen, weil die Betonplatten unter Spannung standen. Ein Auto schnellte an der schräg aufgebrochenen Kante hoch, hob ab und landete nach 20 Metern wieder hart auf der Fahrbahn. Insgesamt wurden vier Autos beschädigt. Verletzt wurde niemand. Kommentar eines Mitarbeiters der Straßenmeisterei: „So etwas habe ich noch nicht erlebt."

In Südeuropa stellte sich die Situation weitaus brenzliger dar. In Portugal beispielsweise wüteten verheerende Waldbrände. In Frankreich, so schätzte das Gesundheitsministerium in Paris, seien in gut einer Woche 3.000 Menschen direkt oder indirekt an der Hitze gestorben.

Der Sommer hatte natürlich auch viele angenehme Seiten: Sonnenhungrige gerieten ins Schwärmen. Badende drängten in Schwimmbäder, Badeseen, Flüsse und Bäche. Eisdielen machten Super-Umsätze. Und die Gärten quollen über mit Tomaten.

Der Grund war „Michaela". So hieß das Hoch, das über der Nordsee allen atlantischen Tief­ausläufern beharrlich widerstand. Der Wind blieb schwach, die Luft stickig. Der Hintergrund von „Michaela" lässt sich nicht mit einem Wort erklären. Das vergangene Jahrzehnt war nach Aussage eines Meteorologen der Universität Kiel das wärmste in den letzten 1.000 Jahren. Anzeichen für einen Klimawandel seien unübersehbar. Der Mensch habe diese Entwicklung zu etwa zwei Dritteln mit verursacht. Der Rest gehe auf natürliche Ursachen zurück.

Als Mittel gegen die Klima-Erwärmung werden zwei mögliche Strategien ins Feld geführt. Der Ausstoß von Treibhausgasen müsse reduziert werden; das Klimaschutz-Protokoll von Kyoto sei dafür nur der Anfang. Zugleich müssten Anpassungsstrategien entwickelt werden. In der Landwirtschaft etwa müsse sich der Anbau von Pflanzen stärker nach den jeweiligen regionalen Klima- und Bodenbedingungen richten.

Fazit: Die Affenhitze 2003 war nur vordergründig ein meteorologischer Quantensprung. Wissenschaftler beobachten weltweit eine Zunahme der Extremwetterlagen. Dürre und Trockenheit stehen nicht im Widerspruch zu Stürmen und Flutkatastrophen.