Ölkrise und Sonntagsfahrverbot 1973 auch im Kreis Ahrweiler

Dr. Wolfgang Dietz

Im Gefolge des 3. Nahost-Krieges zwischen den arabischen Staaten und Israel (Yom-Kippur-Krieg von 1973) nutzten die arabischen Erdölproduzentenstaaten ihren beherrschenden Einfluss im 1960 gegründeten Zusammenschluss OPEC, der Organisation Erdölexportierender Länder, um durch Drosselung ihrer Erdölförderung und gezielter Höchstpreispolitik1) massiven Druck auf die Länder der westlichen Welt auszuüben mit dem Ziel, deren tendenziell pro-israelische Haltung zu brechen. So demonstrierte „die Verwendung der Erdölwaffe in der Nahostkrise 1973 und die unerwartete, massive Erhöhung der Ölpreise erstmals den Erfolg eines Rohstoffkartells und die Macht einer geeinten Front der Entwicklungsländer".2)

„Die Ölkrise, die im Oktober [1973] ausbrach, machte schon durch das Sonntagsfahrverbot jedem Bürger deutlich, wie schnell bis dahin fast ungetrübte Fortschrittserwartungen an. Grenzen des Wachstums‘ stoßen konnten: Energien wurden knapp, Rohstoffe verteuerten sich und Preise erhöhten sich sprunghaft. Die deutsche Zahlungsbilanz trug die Mehrbelastung von etwa 15 Mrd. DM."3) Somit wurde die Bedeutung der 1972 vom Club of Rome erstellten Thesen, Prognosen und Analysen über die krisenhafte Fortentwicklung der Weltwirtschaft, die in dessen Abschlussbericht4) sowie in Dennis L. Meadows‘ Buch mit dem Titel ,Die Grenzen des Wachstums‘ ihren Niederschlag fanden, für alle Bevölkerungsgruppen hautnah erfahrbar. Denn die Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels durch Bundespräsident Heinemann an die Mitglieder des Club of Rome am 14.10.1973 fiel in eine Zeit massiver Rohölverknappung und -verteuerung.5)

Angesichts der sich abzeichnenden Zuspitzung der weltpolitischen Lage im Nahen Osten verabschiedete die Bundesregierung am 26.9.1973 ein Energieprogramm zur „Sicherung eines ausreichenden, kostengünstigen Energieangebots. Der Erdölanteil soll zugunsten heimischer Energieträger wie Kohle und ihrer, Verstromung, gedrosselt, die Kernenergie ausgebaut und Energie durch rationellere Nutzung eingespart werden."6) Um dem Ölboykott der arabischen OPEC-Staaten zu begegnen, verabschiedeten Bundestag und Bundesrat in Bonn am 9.11.1973 energiepolitische Maßnahmen, die am 11.11.1973 im Energiesicherungsgesetz rechtswirksam wurden.7) Es erlaubte der Bundesregierung, „durch Rechtsverordnung Energie zu rationieren (darunter Brennstoffe aus Erdöl u. Erdgas), Höchstpreise festzusetzen u. die Benutzung von Motorfahrzeugen aller Art nach Zeit, Ort, Strecke, Geschwindigkeit u. Benutzerkreis einzuschränken. – Ein Nachfolgegesetz vom 20.12.1974 [trat] am 31.12.1979 außer Kraft."8)

Fahrverbote

„Im November und Dezember 1973 versuchte die Bundesregierung, durch Sonntagsfahrverbote und Geschwindigkeitsbegrenzungen Energie zu sparen."9) Konkret sahen die Regelungen zunächst ein vollständiges Fahrverbot für alle Privat-PKW und -LKW vor. Lediglich Busse und Einsatzfahrzeuge von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdiensten, von Ärzten und Personen mit Ausnahmegenehmigung durften an diesen Tagen benutzt werden. Die Folge waren auch im Kreis Ahrweiler leergefegte Straßen und Autobahnen. Viele Fußgänger und Radfahrer ergriffen die Gelegenheit, sonst belebte Verkehrswege ganz für sich nutzen zu können und von schwer erreichbaren Fotostandpunkten aus Aufnahmen zu machen.

Heute unvorstellbar, dass 1973 während der Ölkrise der Verkehr fast ganz ruhte.

Maßnahmen im Brohltal

In dieser Situation verteilte die Brohltal-Eisenbahn Gesellschaft mit Sitz in Brohl/Rhein an alle Haushalte in ihrem Einzugsgebiet eine über Matrize vervielfältigte Bekanntmachung, in der sie für die Dauer der behördlich verordneten Verkehrssperre an Sonn- und Feiertagen zusätzliche Busfahrten ankündigte. Erklärtermaßen wollte der Verkehrsträger damit gewährleisten, dass „die Bevölkerung aus dem Raume Brohltal und Vinxtbachtal Gelegenheit hat, die Krankenhäuser in Burgbrohl, Andernach, Remagen und Bad Neuenahr zu erreichen."10)

Daher gab es auf der Linie 1 / 2 zwischen Brohl und Niederdürenbach 4 zusätzliche Fahrten am Nachmittag und zwar um 13.18 und 16.05 Uhr Richtung Rhein und um 14.40 und 17.27 Uhr ins Brohltal zurück. Von Brenk aus verkehrte auf der Linie 7 ein zusätzlicher Bus nach Bad Neuenahr (13.16 Uhr) und zurück (16.20 Uhr). Auf der Linie 8 / 9 schließlich bot man eine zusätzliche Relation von Vinxt (13.34 Uhr) nach Sinzig bzw. Remagen und zurück (16.26 Uhr) an. Die Pläne waren so aufeinander abgestimmt, dass Queranschlüsse nach Bad Neuenahr, Bad Breisig, Remagen und Brohl durch Umsteigen möglich wurden.11)

„Für den Raum Weibern/Kempenich, der vorwiegend in Richtung Mayen orientiert [war], [bot] der bestehende Fahrplan Fahrgelegenheit um 14.10 Uhr ab Kempenich und Rückfahrt 17.30 Uhr ab Mayen."12)

Nach den ersten Wochenenden mit striktem Fahrverbot wurden die Einschränkungen dahingehend gelockert, dass nunmehr jeweils die Hälfte der Autofahrer ihr Fahrzeug benutzen konnte. An Tagen mit gerader Datumszahl durften Fahrzeuge mit den Nummernschild-endziffern 0, 2, 4, 6 und 8 gefahren werden, an Tagen mit ungerader Datumszahl Fahrzeuge mit den Endziffern 1, 3, 5, 7 und 9.

Preissteigerungen

„Von 1973 bis 1974 stieg der Preis für 1 t Erd-öl trotz Dollarentwertung von 82,20 DM auf 223,87 DM, d.h. um 172,2 %. Insgesamt gab die Bundesrepublik 1974 22,956 Milliarden DM für Erdöl aus, das waren 152,7% mehr als 1973 (9,083 Mrd. DM)."13)

Der Preis für 1 Liter Normalbenzin war innerhalb eines halben Jahres von 0,399 DM auf 0,799 DM im August 1974 gestiegen. Ein Vierteljahrhundert später hatte – wie wir alle wissen – der Literpreis für Benzin die magische 2,00 DM-Marke übersprungen und betrug am 1.1.2003 – also nach dem ersten Jahr des Euro und Inkrafttreten der 5. Stufe der Ökosteuer – stolze 1,079 ? – umgerechnet ca. 2,11 DM.

Energiepolitik

Zur Beilegung der Krise regte die damalige Regierung der Vereinigten Staaten unter Präsident Richard M. Nixon eine Ölkonferenz an, die am 11.2.1974 in Washington stattfand. Die deutsche Bundesregierung unter Bundeskanzler Willy Brandt begrüßte diese Initiative und verband mit ihr die Hoffnung, dass „die Konferenz zu einem ersten konkreten Schritt auf dem Wege zur besseren internationalen Zusammenarbeit, insbesondere auch mit den Förderländern"14) führen werde.

So nahm die Bundesrepublik Deutschland zum Irak (28.2.1974), zu Syrien (7.8.1974) und der Volksrepublik Jemen (16.9.1974) die zeitweilig unterbrochenen diplomatischen Beziehungen wieder auf und knüpfte neue Kontakte zu den Staaten Katar, Vereinigte Arabische Emirate, Oman und der Arabischen Volksrepublik Jemen.15)

Indessen ließen sich die Auswirkungen des sogenannten ,Ölschocks‘ – sie erreichten globale Dimensionen – weder rasch, noch aus­schließlich auf der nationalen Ebene überwinden. Vielmehr musste auch Brandts Amtsnachfolger, Bundeskanzler Helmut Schmidt, in seinem ersten Rechenschaftsbericht für das Jahr 1974 einräumen: „Die Verteuerung der Rohstoffe und vor allem der drastische Anstieg der Ölpreise brachte die Zahlungsbilanzen vieler Länder in Schwierigkeiten. Im Gefolge bildete sich dann eine weltweite Rezession heraus, von der die Bundesrepublik Deutschland als besonders exportabhängige Industrienation stark betroffen wurde."16) Zur Verringerung dieser Abhängigkeiten forcierte die Bundesrepublik im Rahmen der OECD die Gründung der Internationalen Energieagentur (15.11.1974).17)

Die energiepolitischen Maßnahmen griffen letztendlich und führten zu messbaren Einsparungen im Energieverbrauch gegenüber dem Vorjahr 1973: „An Motorenbenzin wurden im Jahr 1974 rd. 18,1 Mio. t verbraucht; im Straßenverkehr 17,8 Mio. t [= – 1,7%] . Der Dieselkraftstoffverbrauch ging auf 10,1 Mio. t. zurück. Der Anteil des Straßenverkehrs betrug 6,8 Mio. t [= – 6,5%] . Auch der Gesamtverbrauch an Mineralölerzeugnissen in allen Wirtschaftszweigen war rückläufig und betrug rd.121,2 Mio. t [= – 9,8%] . [...] Der Durchsatz von Rohöl ging wegen des niedrigen Verbrauchs an Mineralölprodukten um etwa 10[%] gegenüber dem Vorjahr zurück."118)

Weitere Schritte auf diesem Gebiet folgten, wie etwa durch das Energieeinsparungsgesetz vom 22.7.1976, mit Vorschriften für einen verbesserten Wärmeschutz und Neuregelungen für Heizungs- und Lüftungsanlagen sowie verbrauchsbezogene Heizkostenabrechnungen. Damit erfolgten damals erste Weichenstellungen in Richtung Umweltschutz, wenngleich die Entwicklung der letzten 25 Jahre zeigt, dass eine dauerhafte, absolute Energieeinsparung in der Gesamtbilanz bis heute nicht erreicht werden konnte.

Anmerkungen:

  1. Vgl.: Herder-Lexikon Politik – Sonderauflage der Landeszentrale für politische Bildung Nordrhein-Westfalen, überarbeitete Sonderausgabe, Freiburg/Br. 1980, S. 154

  2. Albertini, Rudolf von, Probleme der Entwicklungsländer, Entwicklungshilfe und Nord-Süd-Konflikt, in: Benz, Wolfgang / Graml, Hermann, Weltprobleme zwischen den Machtblöcken – Das Zwanzigste Jahrhundert III (= Fischer Weltgeschichte, Bd. 36, Frankfurt/M. 1981, S. 466

  3. Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg.), Jahresbericht der Bundesregierung 1973, Bonn 1974, S. 3

  4. Vgl.: Albertini, Nah-Ost-Konflikt, a.a.O., S. 466

  5. Vgl. zu der damaligen Diskussion u.a.: Meadows, Dennis L. u.a., Wachstum bis zur Katastrophe? – Pro und Contra zum Weltmodell, Stuttgart 1974 / München 1976

  6. Lehmann, Hans-Georg, Chronik der Bundesrepublik Deutschland 1945/49 bis 1983, 2., aktuelle Auflage München 1983, S. 74

  7. Vgl.: Jahresbericht 1973, S. 702

  8. Lehmann, Chronik, S. 74-75

  9. Borowsky, Peter, Deutschland 1970-1976 (= Edition Zeitgeschehen), 4. Auflage, Hannover 1980

  10. Brohltal-Eisenbahn Gesellschaft mbH, Bekanntmachung, S. l

  11. Vgl.: BEG, Bekanntmachung, S. l

  12. Vgl.: BEG, Bekanntmachung, S. l

  13. Borowsky, Deutschland 1970-1976, S. 58

  14. Jahresbericht 1973, S. 10

  15. Vgl.: Jahresbericht 1974, S. 67-68

  16. Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg.), Jahresbericht der Bundesregierung 1974, Bonn 1975, S. 7

  17. Vgl.: Jahresbericht 1974, S. 69

  18. Jahresbericht 1974, S. 419

  19. Vgl.: Lehmann, Chronik, S. 75