Buche aus dem Kreis Ahrweiler
auch in China gefragt

Hannsjörg Pohlmeyer

Wer öfters auf Deutschlands Straßen unterwegs ist, kennt vielleicht das vertraute Bild unserer Holztransporter. Seit einiger Zeit ist ein merkwürdiges Phänomen hinzugetreten: Mehr und mehr Hölzer werden auf die fixen Maße von s. g. 40-Fuß-Überseecontainern zurechtgeschnitten und darin transportiert. Dies ist nicht nur als ein weiteres Zeichen von Normierung und Standardisierung auch im Wald zu verstehen, sondern vielmehr Bestandteil eines Exportgeschäftes, das aus der Holznot der dynamisch wachsenden Volkswirtschaften im südostasiatischen Raum – speziell in China – entstanden ist. Zunächst war nur hochwertiges Furnierholz als Ersatz für tropische Hölzer gefragt, dann zunehmend normales Stammholz. Mittlerweile werden aus Deutschland alleine rund 400.000 Festmeter (Maß für einen m3 reiner Holzsubstanz) auf die weite Reise geschickt. Dabei handelte es sich zunächst um reine Buche, mittlerweile beginnen die Chinesen jedoch auch die deutsche Eiche zu entdecken. Allein aus dem Forstamt Ahrweiler wurden in den letzten 2 Jahren jeweils 1000 Festmeter auf die weite Reise geschickt. Das entspricht mehr als zwei Dritteln des Buchenstammholzeinschlages. Das Gros kam dabei aus dem großen Laubwaldgebiet des Sinziger Harterscheid mit dem abgebildeten zentralen Umschlagplatz am Löwesee.

Was nun für den einen ein ganz normaler Vorgang im Zuge der Globalisierung unserer Wirtschaft ist, stößt bei anderen vielleicht auf Stirnrunzeln. Für ein ausgewogenes Urteil gilt es, einen Blick auf die speziellen Rahmenbedingungen zu werfen, unter denen dieses Geschäft funktioniert. Dabei sei vorausgeschickt, dass die Exportgeschäfte einen wichtigen Beitrag zur Pflege und Weiterentwicklung unserer Buchenwälder leisten und in vielen Fällen zum wirtschaftlichen Überleben unserer Forstbetriebe beitragen. Die oben beschriebenen Mengen sichern die Pflege von jeweils mindestens 40 Hektar Laubwaldfläche.

Buchen für China werden im Sinziger Stadtwald in Container verladen.

Eine erste und entscheidende Frage dürfte sein: Lohnt es sich überhaupt, eine vergleichsweise empfindliche Baumart per LKW, Bahn und Schiff über den halben Erdball zu transportieren und damit vielleicht auch die gute Ökobilanz des Rohstoffes Holz ins Gegenteil zu verkehren? Eine einfache Antwort auf diese Frage gibt es nicht. Basis dieses Geschäftes ist die Tatsache, dass wir Mitteleuropäer wesentlich mehr Waren in Asien einkaufen, als umgekehrt dorthin exportieren. Das bedeutet, dass etwa auf der Rücktour vom Hafen Hamburg nach Shanghai große Teile der Laderäume und der mitgeführten Container leer bleiben. Dadurch sind die Frachtraten extrem günstig und die Strecke von Rotterdam bis ins Innere Chinas genau so teuer, wie der erste Teil des Transportes via LKW und Bahn vom Waldort bis zum Hafen. Der hiesige Raum profitiert dabei besonders von der verkehrsgünstigen Lage: Der große Containerterminal der deutschen Bahn in Köln ist nur knappe 45 Minuten Fahrzeit entfernt. Bezieht man noch in die Betrachtung mit ein, dass die volkreichen Staaten Asiens einen derartigen „Holzhunger" haben, dass die dortigen Wälder ernsthaft gefährdet sind, dann machen solche Exportgeschäfte wenigstens teilweise Sinn.

Der Holznot in Asien steht im europäischen Raum ein beeindruckendes Potenzial gegenüber. Aufgrund der stagnierenden Bevölkerungsbasis gibt es keine nennenswerten Anstiege im Holzverbrauch und fast alle Staaten in der Europäischen Union nutzen nur etwa 2/3 des jährlichen Holzzuwachses. Mit den mittlerweile nahezu jährlichen Hochwasser-Großkatastrophen in China hat man erkannt, welche dramatischen Folgen Waldverluste haben und schützt inzwischen die einheimischen Waldressourcen besser vor Ausplünderung. Damit ergibt sich eine Zwickmühle zwischen limitierter eigener Rohstoffbasis und dem dynamisch wachsenden Holzbedarf für Bauen, Möbel und Papier. Und so kommt es dann, dass selbst kleine Gemeinden in der Eifel über ihren Buchenholzverkauf mittlerweile am globalen Holzhandel teilnehmen. Selbstverständlich bedient man sich dabei der Kompetenz hoch spezialisierter Handelshäuser und so kommt es nicht selten dazu, dass bei der Holzabnahme solcher Sortimente gleich mehrere Nationen und Hautfarben über Qualität und Preis der Eifelbuche diskutieren.

Über die beschriebenen „exotischen Facetten" dieses Geschäftes hinaus, gilt es noch festzuhalten, dass der Export einer so empfindlichen Baumart wie der Buche sehr hohe Anforderungen an die logistische Abwicklung stellt. Dazu muss man sich vorstellen, dass ein abgeschnittener Baum - wie übrigens jede andere lebende Substanz auch - nicht schlagartig „tot" ist. Der eine oder andere hat vielleicht schon einmal die Beobachtung gemacht, dass der von der Wurzel abgetrennte Obstbaum im eigenen Garten noch die Kraft besaß, neue Zweige zu treiben. Wegen der großen wirtschaftlichen Bedeutung hat man dieses Phänomen bei der Buche näher untersucht und dabei festgestellt, dass diese Vorgänge im Wesentlichen durch Enzyme gesteuert werden. Solange noch genügend Feuchtigkeit und Nährstoffe im Stamm vorhanden sind und sofern die Temperatur nicht unter 10 Grad Celsius absinkt, „lebt" der Baum noch und verändert sich. Das Unangenehme dabei ist, dass diese Veränderungsprozesse zu sehr ungleichmäßigen Holzverfärbungen führen, die Optik und Marktwert stark einschränken.

Ein präziser Blick auf das beschriebene Buchen­exportgeschäft zeigt glasklar die möglichen Risiken auf: In einem relativ dicht verschlossenen Stahlcontainer kann das Holz nicht trocknen und die Bedingungen für Holzveränderungen der beschriebenen Art, aber auch durch möglichen Pilzbefall, sind groß. Zusätzlich muss bedacht werden, dass die Schiffstransporte durch tropische Gewässer und Klimata führen. All dies zusammen genommen, produziert ein hohes Entwertungsrisiko und mögliche empfindliche finanzielle Verluste für die am Geschäft Beteiligten. Daher sind Schnelligkeit und präzise Logistik unabdingbar. Sobald die Außentemperaturen unter den kritischen Wert von 10 Grad Celsius abgesunken sind, muss in möglichst rascher Folge Holz eingeschlagen, gerückt, abgenommen und transportiert werden. Allein der Transport verteilt sich auf 12 unterschiedliche Stationen, die alle aufeinander abgestimmt werden müssen. Da gleichzeitig nicht LKW-ladungsweise, sondern schiffsladungsweise disponiert werden muss, erklärt sich die Situation auf dem hier gezeigten Bild von selbst: Möglichst viel Holz in homogener Qualität muss an einem Containerladeplatz zusammengestellt werden und alle am Prozess Beteiligten müssen wie die Räder eines hochpräzisen Uhrwerkes zusammenarbeiten. So kommt es, dass - wie abgebildet (S. 35) - Buchenstämme aufgereiht wie preussische Soldaten auf „ihren" Container warten. Die Wälder im Kreis Ahrweiler profitieren hier von der besonderen Lagegunst zur Autobahn. Wenn es eng wird, räumt der örtliche Bauhof - wie in Sinzig in der letzten Saison geschehen - schon mal den Schnee auf der Zufahrt, damit das wartende Containerschiff rechtzeitg beladen werden kann.

Je nach dem aktuellen Regionalklima wird so der Buchenverkauf zu einem ausgesprochenen Stoßgeschäft, das sich auf die Zeit zwischen Mitte Oktober und Mitte Januar konzentriert. Für beschauliche Wald- oder Förs­terromantik bleibt da keine Zeit mehr. Für den einzelnen Bürger, der ja im öffentlichen Wald immer auch Mitbesitzer des Waldes ist, bleibt die interessante Feststellung, dass wir nicht nur zur Rettung des Transrapid, sondern auch zur Durchführung der Waldpflege auf unsere asiatischen Geschäftspartner angewiesen sind.