„Wenn die Kompostis die Message der Kids nicht mehr peilen“

Auch im Ahrkreis bedienen sich die Jugendlichen einer eigenen Sprache

Gregor Schürer

Die Verständigung zwischen den Generationen war schon immer schwierig. Alt und Jung passen häufig nicht so recht zusammen, da prallt jugendliche Ignoranz schon Mal auf greisen Starrsinn. Doch abgesehen von verschiedenen Einstellungen und Ansichten erschwert in den letzten Jahren zunehmend ein anderes Phänomen das Miteinander: Man spricht nicht mehr dieselbe Sprache. So haben Sprachwissenschaftler festgestellt, dass die Jugendlichen („Kids“) die traditionellenRedewendungen immer weniger kennen. „Öl ins Feuer gießen“ oder „den Nagel auf den Kopf treffen“, diese Idiome sagen Menschen unter 20 Jahren häufig nichts. Umgekehrt ist es allerdings genauso, wenn nicht schlimmer. Die spezielle Jugendsprache, die sich in den letzten Jahren verstärkt entwickelt hat, verstehen die Erwachsenen („Kompostis“) oft überhaupt nicht. Dies ist allerdings auch häufig genug Absicht. Denn die Linguisten vermuten, dass die pubertierenden Benutzer auf diese Weise ihre Botschaft („Message“) verschlüsseln und so die Außenwelt ausschließen wollen. Fachkonferenzen und Studientage zum Thema „Jugendsprache“ wurden abgehalten, unzählige Diplomarbeiten, Untersuchungen, Hausarbeiten dazu verfasst, das Goethe-Institut und die Deutsche Welle haben sich damit beschäftigt und es gibt eine Menge Fachliteratur. Renommierte Verlage (Klett, Pons) haben sich der Sache angenommen, um praktische Abhilfe zu schaffen. Für das Pons Wörterbuch der Jugendsprache wurden bundesweit rund 30.000 Schüler zwischen 14 und 18 Jahren befragt, aus den Ergebnissen wurde ein Lexikon erstellt, in dem 260 Stichworte zusammen gestellt sind. Es handelt sich dabei übrigens - nebenbei bemerkt - nicht um ein deutsches Problem. Ähnliche Entwicklungen gibt es beispielsweise auch in Frankreich und Italien. Quintessenz aller Recherchen: Es gibt keine einheitliche Definition von Jugendsprache, doch einige Erklärungsversuche. Einig sind sich die Fachleute darin, dass die spezielle Jugendsprache hauptsächlich geprägt und entstanden ist

Schwierig wird für die „Erzeugerfraktion“ (Eltern) die Sache auch dadurch, dass sich die Begriffe wandeln. Dieses Phänomen gibt es zwar auch in den Hochsprachen, bei den Jugendlichen vollzieht sich dieser Wandel aber rascher. Hat man sich mühevoll gemerkt, dass „Clerasil-Testgelände“ ein Synonym für pickeliges Gesicht ist, heißt es plötzlich „Streuselschnecke“. Noch schneller hat sich z. B. der Wandel beim Solarium vollzogen: Sagte man 2001 noch „Asitoaster“, nannte man es 2002 „Tussistrahler“ und 2003 „Münzmallorca“. Wie sieht es nun im Ahrkreis mit der Jugendsprache aus? Ich treffe mich mit einigen Jugendlichen im Haus der offenen Tür (HOT) in Sinzig. Bereitwillig gibt mir Mike Auskunft. Der vierzehnjährige Bosnier erzählt, dass er die Ausdrücke hauptsächlich in der Schule aufschnappt und gleich selbst verwendet, auch wenn er sie zunächst oft gar nicht versteht. Muhsin, Mustafa (beide 16) und Emin (15) stimmen zu.

„Ja, das ist cool.“ Die Muttersprache spielt dabei keine oder nur eine geringe Rolle. Die drei Türken verwenden die Jugendsprache genau wie ihre deutschen Mitschüler. Inna Nazarenus (23) erzählt mir, dass es sogar im fernen Novosibirsk, wo sie herstammt, eine spezielle Jugendsprache gibt. Die sibirischen Jugendlichen orientierten sich dabei sehr stark an der englischen Popmusik. „Bleib schwarz“ rufen mir die Jungs zum Abschied zu. Auf mein Stirnrunzeln hin klären sie mich auf: „Das heißt, bleib wie du bist.“ Torsten Grünkorn, Mitarbeiter im HOT, hat durchaus Unterschiede ausgemacht, was den Bildungsstand angeht. Gymnasiasten benutzen weniger und andere Ausdrücke, auch um sich abzugrenzen. Während der Dialekt überhaupt keinen Einfluss auf die Jugendsprache hat, ist die Musikrichtung sehr wichtig. „Wenn wir unten HipHop oder Rap spielen, sprechen die Jugendlichen eine total andere Sprache als wenn Punk oder Rock auf dem Programm steht. Ein Stadt-Land-Gefälle ist im Ahrkreis nicht zu beobachten, allerdings gibt es schon regionale Unterschiede. Die an der Rheinschiene wohnhaften Jugendlichen orientieren sich eher aneinander als die im Ahrtal verkehrsmäßig etwas abgelegenen Kids. Vermutlich wird in der Kreisstadt schon keiner mehr wissen, was die „Bee Bee Gees“ sind. Damit sind nämlich die Bad Breisiger gemeint. . . .

Bei allen Schwierigkeiten bietet die Beschäftigung mit der Sprache der Jugendlichen für die ältere Generation aber auch Chancen. Man bleibt geistig in Bewegung, wenn man versucht, die phantasievollen Idiome nach zu vollziehen. Und man bleibt miteinander im Gespräch - auch wenn man sich nicht immer versteht.

Hier - als Service - einige besonders krasse (tolle) Kostproben:

Alugurke = Fahrrad
Asischale = Pommes mit Ketchup oder Mayo
Blechbrötchen = Bier
Bunnychecker = Junge, der viele Mädchen abschleppt
Elefantenschuh = Kleinwagen
Oliba = Oberlippenbartträger
Perlhuhn = gepflegtes Mädchen, das viel Zeit beim Schminken und Frisieren verbringt.
Softwürfel = Schwächling
Stino = ganz normaler Typ
Taschendrache = Feuerzeug
Telebubbyzurückwinker = naiver Mensch
Vokuhila = Jemand mit unmöglicher Frisur (vorne kurz hinten lang)
Wannabe = Möchtegern

TIPP!!! Auf der Homepage der Zeitschrift Eltern for family finden Sie ein Lexikon der Jugendsprache von A bis Z (www.eltern.de dann auf Eltern for family gehen, dort den Link Familie & Freizeit, Lexika, Jugendsprache).