Zum Archivwesen im Kreis Ahrweiler

Leonhard Janta

Archive sind das „Gedächtnis“ von Verwaltungen, Behörden, Firmen, sonstigen öffentlichen und privaten Einrichtungen sowie Familien. Sie sammeln, sichten, erfassen und werten die schriftliche Überlieferung und alle verfügbaren Dokumente, das können auch Bilder, Tonaufnahmen und Filme sein, systematisch aus. Künftige Generationen können sich aus diesen authentischen Quellen u.a. über die geschichtliche Entwicklung ihres heimatlichen Lebensraums, seine Einrichtungen und Bewohner informieren. Die Anfänge des Archivwesens in unserer Region beginnen im Mittelalter bei den hier ansässigen Adelsgeschlechtern, in Pfarreien, Klöstern, Städten und Dorfgemeinschaften. So reicht beispielsweise die vor Ort noch vorhandene Überlieferung der Stadt Ahrweiler bis ins Jahr 1228 zurück.

Kreisarchiv seit 1925

Nach der Gründung des preußischen Landkreises Ahrweiler im Jahre 1816 wurden die ab diesem Zeitpunkt entstandenen Akten des Kreises in der landrätlichen Verwaltung aufbewahrt. Ein Archiv im eigentlichen Sinne richtete der Kreis Ahrweiler aber erst 1925 ein.

Am 16. Januar 1925 gab der Kreistag Ahrweiler sein Einverständnis zur Anstellung von Studienrat Albert Federle als ehrenamtlicher Kreisarchivar. Vor allem sollte durch die Schaffung dieser neuen Einrichtung die Erforschung der reichen Heimatgeschichte des Kreises gefördert werden. Das Kreisarchiv Ahrweiler verstand und versteht sich bis heute als heimatkundliche Anlauf- und Beratungsstelle für alle Bürger. Zudem war es seit seiner Gründung zuständig für die Redaktion des Heimatjahrbuchs Kreis Ahrweiler. Für das Jahr 1926 konnte erstmals ein Heimatkalender herausgegeben werden. Aus wirtschaftlichen Gründen musste die Herausgabe dieser Werke aber schon 1928 vorerst wieder aufgebeben werden. Fortgesetzt wurde die heimatkundliche Reihe von 1936 – 1941. Nach der kriegsbedingten Unterbrechung erscheinen seit 1953 alljährlich Jahrbücher für den Kreis Ahrweiler. Das Heimatjahrbuch 2005 ist der 62. Band der Reihe. Dem Kreisarchiv Ahrweiler wurden 1925 neben der Betreuung des Jahrbuchs u. a. folgende Aufgaben zugewiesen: Sichtung, Ordnung und spätere Verarbeitung des bei der Kreisverwaltung liegenden Materials, das sich auf Heimatgeschichte und Heimatkunde bezieht. Beratung der Kreisverwaltung bei allen Aufgaben der Heimat- und Kulturpflege. Zur Kulturpflege wurde ein eigener Ausschuss gegründet, der die Kreisverwaltung in allen Kulturfragen beraten sollte. Nach der Auflösung des Kreises Adenau kamen nach 1932 auch die dortigen Aktenbestände zur Kreisverwaltung nach Ahrweiler. Eine systematische Aufarbeitung aller hier vorhandenen und nicht an das Staatsarchiv Koblenz abgegebenen Aktenbestände begann in den 1930er Jahren. In dem Altgebäude des Kreishauses wurden 1938 im Keller „neue mustergültige Räumlichkeiten“ (Jahrbuch1939, S. 28) zur Unterbringung der Archivalien eingerichtet. Das Kreisarchiv Ahrweiler war zu dieser Zeit eines der wenigen Kreisarchive in der Rheinprovinz überhaupt. Es galt zudem als eines der modernsten. Bis zum heutigen Tag  wird der damals eingerichtete Magazinraum nach mehrfachen Sanierungsmaßnahmen zur Aufbewahrung der Archivalien benutzt. Das Kreisarchiv Ahrweiler wurde bis zum Kriegsende 1945 von Studienrat Albert Federle zusammen mit dem Stadtarchiv Ahrweiler in Personalunion betreut. Beim Einmarsch der Amerikaner und in den Wirren der Nachkriegszeit gerieten die Bestände 1945 in Unordnung. Vor allem belastende Akten aus der Zeit des Nationalsozialismus wurden damals systematisch vernichtet. 1949 begann der Dozent der Pädagogischen Akademie in Bad Neuenahr, Dr. Franz Schönberg, mit einer Neuordnung des Kreisarchivs und ab 1952 mit der Redaktion des ersten Heimatjahrbuchs (1953) nach dem Zweiten Weltkrieg . Von ihm übernahm Jakob Rausch, Rektor i.R., 1955 das Amt des Kreisarchivars. Er widmete sich intensiv der Heimatforschung und förderte die Heimatkunde in den Schulen durch Vorträge und Publikationen. Ende der 1950er Jahre wurde die bestandsmäßige Erfassung der Akten, die Albert Federle durchgeführt hatte, zerschlagen. Die vorhandenen Altakten ordnete ein Bearbeiter nach Stichworten von A bis Z, um aus seiner Sicht ein leichteres Auffinden zu ermöglichen. Auf Rektor Rausch folgte Diplomvolkswirt Ignaz Görtz von 1972 bis 1993 als Kreisarchivar. Er öffnete das Heimatjahrbuch Kreis Ahrweiler für einen breiten Mitarbeiterkreis, ordnete die Archivbestände neu, richtete die Präsenzbibliothek ein, vervollständigte diese und ergänzte systematisch die Sammlungsbestände. Vom Kreisarchiv wurden unter seiner Federführung 1987, 1989 und 1993 drei Studienbücher zum Kreis Ahrweiler in Geschichte und Gegenwart herausgegeben. Seine Arbeit wurde ab 1994 durch Leonhard Janta weitergeführt, der 1986 im Kreisarchiv mit der Aufarbeitung NS-Zeit begonnen hatte. Im Kreisarchiv Ahrweiler finden interessierte Besucher aller Altersstufen eine Überlieferung von Akten ab der Kreisgründung 1816ff. Von den neueren Archivalien können grundsätzlich Akten erst 30 Jahre nach ihrer Entstehung eingesehen werden. Für Unterlagen mit personenbezogenen Daten gelten für die Benutzung gesetzliche Vorgaben. Ihre Einsichtnahme ist  in der Regel erst 30 Jahre nach dem Tod der darin vorkommenden Personen möglich, bzw. erst 110 Jahre nach der Geburt, falls das Sterbedatum nicht bekannt ist. Umfangreiche Informationen liefert neben der heimatkundlichen Sammlung, zu der u. a. Zeitungen gehören, auch die Präsenzbibliothek des Kreisarchivs, in der Standartwerke und Literatur aller Art zum Kreis Ahrweiler in Geschichte und Gegenwart bereit stehen. Hier findet auch eine umfassende Beratung zu allen heimatgeschichtlichen und heimatkundlichen Fragen statt.

Umsetzung des Landesarchivgesetzes

Das Landesarchivgesetz des Landes Rheinland-Pfalz (LArchG) vom 5. Oktober 1990, das am 5. Oktober 1991 in Kraft trat, schuf die gesetzlichen Grundlagen für die Erfassung, Erhaltung und Nutzbarmachung von Archivgut. Es macht die Archivierung von archivwürdigem Schriftgut (u. a. Urkunden, Akten) durch dafür ausgebildete Archivare in geeigneten Räumen und Einrichtungen zur Pflichtaufgabe aller Kommunen. Zur Umsetzung des Landesarchivgesetzes beschloss der Kreistag Ahrweiler am 9. Juli 1993 die Bildung eines Archivverbundes mit der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler und interessierten Kommunen. Die Personalkosten eines Facharchivars sollten von der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler und dem Kreis zu je 50 Prozent getragen werden. Die Unterbringung der Aktenüberlieferung sollte weiterhin räumlich getrennt jeweils bei der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler und der Kreisverwaltung Ahrweiler verbleiben. Im Herbst 2003 begann der neu eingestellte Archivar Steffen Schütze mit der Aufarbeitung der Aktenbestände beim Kreis und dem Aufbau des Stadtarchivs Bad Neuenahr-Ahrweiler.

Blick in die Registratur der Kreisverwaltung Ahrweiler:
Nicht mehr für die laufende Verwaltungsarbeit benötigte Akten werden hieraus zur dauernden Archivierung in das Kreisarchiv übernommen.

Archivsituation in den Gebietskörperschaften

Die Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler verfügt vor Ort über eine Urkundenüberlieferung, die bis zum Jahre 1228 zurückreicht. Die Altbestände bis 1795 wurden durch Theresia Zimmer vom Landeshauptarchiv Koblenz bereits 1965 aufgearbeitet und in einem Inventar des Archivs der Stadt Ahrweiler erfasst. Die weitgehend noch unbearbeiteten Bestände des 19. und 20. Jahrhunderts werden derzeit von Steffen Schütze verzeichnet. Voraussichtlich Ende 2004 erfolgt der Umzug des Stadtarchivs in den Blankartshof in der Ahrhut.

Der Altbestand an überlieferten Archivalien der Stadt Remagen von 1227 bis in die 1950er Jahre befindet sich aufgearbeitet im Landeshauptarchiv Koblenz, wo er 1978 deponiert wurde. An dem Auf- und Ausbau des Stadtarchivs in Remagen mit der städtischen Überlieferung seit 1945 und dem Bestand Friedensmuseum Remagen arbeitet seit 1994 Kurt Kleemann. Der Altbestand von Altenahr aus den Jahren 1813 bis 1968 wurde im Landeshauptarchiv Koblenz verzeichnet, in einem Findbuch erfasst und archiviert. Die Überlieferung des Gebietes der heutigen Verbandsgemeinde Bad Breisig aus der Zeit von 1805 bis 1955 ist im Landeshauptarchiv archiviert. Gegen Kostenerstattung werden in regelmäßigen Abständen die nicht mehr in der Verwaltung benötigten Akten an das Landeshauptarchiv zur weiteren Bearbeitung übergeben Die Altregistratur der Gemeinde Grafschaft und ihrer Vorläufergemeinden seit preußischer Zeit 1816 ff. befindet sich in der Gemeindeverwaltung Ringen. Die Archivalien von Adenau aus den Jahren 1804 bis 1968 wurden durch das Landeshauptarchiv Koblenz archiviert. Der Aufbau eines Archivs vor Ort mit einem ehrenamtlichen Archivpfleger ist geplant. In der Verbandsgemeinde Brohltal werden seit 1994 durch den ehrenamtlichen Archivpfleger Fritz Rick die Akten des ehemaligen Amtes Burgbrohl von 1816 bis 1930 systematisch erschlossen. Akten aus Niederzissen und Kempenich sind nur noch als Restbestand überliefert. Archiviert werden hier zudem die Überlieferung der Brohltalbahn sowie eine Fotosammlung und Zeitungssammlung der Olbrück-Rundschau. Die Überlieferung zur Geschichte der Stadt Sinzig von 1152 bis 1936 befindet sich im Landeshauptarchiv Koblenz. Seit Juli 2003 wird durch Dr. Wolfgang Dietz aus den noch vorhandenen Beständen der Stadt- und früheren Amtsverwaltung vor Ort das Stadtarchiv Sinzig aufgebaut. Dazu gehört auch ein Foto- und Pressearchiv zu allen bedeutsamen Ereignissen der Stadtgeschichte. Alle Archive im Kreisgebiet sind auf die Zukunft hin ausgerichtet, denn es gilt heute systematisch zu sammeln, zu sichern, zu erfassen und nutzbar zu machen, was künftige Generationen als Quellenmaterial für die Erforschung unserer Zeit, die ja Morgen schon Vergangenheit sein wird, benötigen.

Anmerkungen und Literatur:

Die Angaben zur Archivsituation in den Gebietskörperschaften im Kreis Ahrweiler basieren auf Auskünften aus den dortigen Verwaltungen: Dr. Wolfgang Dietz (Stadt Sinzig), Kurt Kleemann (Stadt Remagen), Fritz Rick (VG Brohltal), Josef Genn (VG Bad Breisig), Peter Eschweiler (VG Altenahr), Egon Mohr (Gemeinde Grafschaft), Bernhard Jüngling (VG Adenau).
Bericht über die Verwaltung und den Stand der Kreiskommunal-Angelegenheiten des Kreises Ahrweiler für das Rechnungsjahr 1925 (S. 68ff.) und für 1926 (S. 98ff.).
Federle, Albert: Das neue Kreisarchiv in Ahrweiler. In: Jahrbuch des Kreises Ahrweiler 1949. Remagen 1939. S. 27-31.
Kempenich, Jürgen: Aktuelle Chronik aus Kreis und Gemeinden: „Ära Görtz zu Ende“. In: Heimatjahrbuch Kreis Ahrweiler 1995, S. 24.
Krahforst, Dr. Paul: Albert Federle -Pädagoge, Heimatforscher und erster Kreisarchivar. In: Heimatjahrbuch Kreis Ahrweiler 1993, S. 183ff.
Landesarchivgesetz Rheinland-Pfalz vom 5. Oktober 1990. In: Gesetz- und Veordnungsblatt für das Land Rheinland-Pfalz vom 9. Oktober 1990. Nr. 20, S. 277ff.
Luxem, Johannes Friedrich: In memoriam Jakob Rausch. In: Heimatjahrbuch Kreis Ahrweiler 1987, S. 42ff.

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