Die Todesurteile von Ahrweiler

Der erste Kriegsverbrecherprozess auf deutschem Boden fand 1945 im alten Kreishaus statt.

Günther Schmitt

"The hand of American justice fell for the first time on German civilians on June 29 . . ." - "Die Hand der amerikanischen Justiz traf deutsche Zivilisten das erste Mal am 29. Juni, als drei deutsche Mörder durch eine Galgen-Falltür im Rheinbacher Gefängnis fallengelassen wurden." Das berichtet im Juli 1945 die amerikanische GI-Zeitschrift "Yank". Ihre Berichterstatter hatten einen Monat lang den ersten Kriegsverbrecherprozess auf deutschem Boden verfolgt. Die achtköpfige Jury, benannt nach dem Kommandeur der 15. US-Armee, Generalleutnant Leonard T. Gerow, tagte im alten Ahrweiler Kreishaus.

"Ihr Verbrechen, das in der widernatürlichen Welt der Nazis in Deutschland ungestraft geblieben war, war besonders aufschlussreich", schreibt der Kriegsberichterstatter und geht auf die Tat am 15. August 1944 ein:

"Eine amerikanische Liberator begann am 15. August über dem Rheinlanddorf Preist zu qualmen. Drei Amerikaner sprangen ab. Ein Amerikaner landete in einem Baum in einem Weizenfeld. Zwei deutsche Soldaten begannen, ihm aus dem Fallschirm zu helfen, als eine Menschenmenge, angeführt von einem Hinkenden - Goebbels sehr ähnlich - in das Weizenfeld zog. Der Hinkende war der Nazi-Führer von Preist, und er hatte den Goebbels-Ausspruch klar im Kopf: »Es ist viel zu viel verlangt von uns, dass wir nach der deutschen Polizei rufen, um diese Mörder vor dem Schicksal, das sie verdienen, zu schützen.« Goebbels bezog sich auf US-Flieger, in der Nazi-Presse als »Luft-Hunnen« und »Freudes-Mörder« beschrieben.

Das amerikanische Kriegsgericht tagte im alten Sitzungssaal des Kreishauses.
Die Wappenfenster der Städte und damaligen Amtsbürgermeistereien im Kreis Ahrweiler bestehen bis heute.

Der kleine Mann, ein gewisser Peter Back, schoss zwei Mal auf den Amerikaner. Zwei Mal stand der Amerikaner wieder auf. Ein anderer Deutscher, Peter Kohn, knüppelte auf den verwundeten Mann ein. Ein dritter, Matthias Gierens, schwang einen Steinhammer in das Gesicht des Fliegers. Ein vierter, Matthias Krein, dessen Aufgabe es beim Volkssturm war, Gefangene zu bewachen, stand daneben.

Prozessbesucher an dem damaligen
Nebengebäude der Kreisverwaltung
Der Pflichtverteidiger Dr. Franz Mehn
im Kreishaus: Im Hintergrund eine Kreiskarte

Der Flieger stand nicht mehr auf. Sein Körper wurde zwar gefunden, aber nicht identifiziert. Ein alter Deutscher - Veteran des Ersten Weltkrieges - hatte protestiert: »Dieser Mann ist ein Gefangener, so behandelt man ihn nicht.« Aber Peter Back spottete: »Du kannst ihn begraben und Vergißmeinnicht auf sein Grab legen.«

Das Verfahren gegen Kohn, Krein und Gierens wurde am 1. Juni 1945 in Ahrweiler eröffnet. Das Gericht wurde ernannt von Generalleutnant Gerow. Ihm gehörten an: die Colonels Horace Woodward, L. Holmes Ginn, Louis J. Compton, Russel Patterson, Robert A. Schow, Charles H. Bryan, Oberstleutnant George Hecker und Major Arnold Davis. Ankläger waren Captain Milton J. Mehl und Major Theodore K. Irving, Armee-Verteidiger Major Richard Brewster, ziviler deutscher Verteidiger der Heidelberg-Absolvent Franz Mehn.

Die Anklage führte - obwohl das Verfahren öffentlich war, nur vor kleinem Publikum - die Zehn Gebote an, die Gesetze des Anstandes, die Gesetze und Sitten des Krieges sowie die Nazi-Regelungen über das Behandeln von Gefangenen. Alle drei wurden zum Tod durch den Strang verurteilt, aber General Gerow wandelte Kreins Urteil in lebenslängliche Freiheitsstrafe um. Peter Back wurde am 6. Juni gefangen und am 16. Juni verurteilt. Verteidiger Rechtsanwalt Mehn sagte am Ende des Verfahrens: "Bedenken Sie, Sie haben gesündigt gegen Gotteswürdigkeit und die Gesetze Ihres Vaterlandes. Leben Sie wohl."

Und der Kriegsberichterstatter endet vor 60 Jahren: "Die drei Männer beten ihren ganzen letzten Tag auf Erden, und am 29. Juni, an einem grauen Morgen an einem grauen Galgen, wurden sie gehängt" - im Gefängnishof von Rheinbach.