Uniformierte beim Sonntagsspaziergang im Zissener Ländchen

Dr. Bärbel Maier

Ein Spaziergang in der Eifel kann spannender als ein Formel 1-Rennen sein. Das glauben Sie nicht? Kommen Sie mit!

Unsere kleine fast tägliche Wanderung über die Hügel und Felder der Eifel, vorbei am Königssee in Richtung Rodder Maar geht dem Ende zu. Wir freuen uns schon auf die Tasse Kaffee auf unserem Balkon. Ein großer Pulk, eine Gruppe von Menschen, kommt auf uns zu. Selten treffen wir auf unseren Wegen auf größere Wandergruppen. Doch heute ist Sonntag. Die Sonne scheint und wir genießen einen der seltenen Sommertage in diesem Jahr und so geht es wohl auch der entgegenkommenden Gruppe. Doch dann sind wir irritiert. Irgend etwas stimmt nicht. Etwas ist anders, ist fremd. Das Bild ist noch unscharf, aber irgendwie eintönig, einheitlich braun oder bräunlich. Doch dann stockt der Atem, unser Blick wird starr. Braune Uniformen? Das ist eine Gruppe von Uniformierten. Erstaunt und etwas ängstlich fragen wir uns, was wollen die hier mitten im Wald, im friedlichen Zissener Ländchen? Und im Näherkommen, im Aufeinanderzugehen, bevor wir erkennen, welche Uniform sie tragen, kommen mir so einige Gedanken:

Eigentlich hasse ich Uniformen. Nein, hassen ist vielleicht nicht der richtige Ausdruck. Sie machen mir Angst, flößen mir Respekt ein. Am liebsten mache ich einen großen Bogen um alles, was uniformiert ist. Es erinnert an Soldaten, an Krieg, an Polizei, an Unfreiheit.

Das war aber nicht immer so. Als junges Mädchen lief ich neben den Uniformen her, lief mit ihnen mit. Wenn die grüne Zunft der Förs­ter und Jäger mit ihren Jagdhörnern in den Festumzügen, den Schützenfesten oder Maidemonstrationen ihr Halali oder „Hirsch tot“ schmetterten, wenn sie mir zulächelten, dann sah ich nur die schicken, schnittigen, grünen Uniformen. Vielleicht gehörte mir später mal eine. Vielleicht war es aber gar nicht die Uniform, die ich wollte.

Langsam kommt die Gruppe näher. Dreißig, vielleicht auch fünfunddreißig Personen.

Was heißt eigentlich uniform? Das Duden-Lexikon sagt: „uniform (frz.), gleich-, einförmig, einheitlich“ und zu Uniform (groß geschrieben) steht: „Uniform (frz.), nach Material, Farbe und Form einheitliche Dienstkleidung, besonders des Militärs und der Polizei, die Verwendung von U.en kam in größerem Umfange erst im 17. Jh. mit der Errichtung stehender Heere auf; U.en werden heute auch von Postbeamten und Angehörigen anderer Berufe getragen.“

Warum eigentlich? Dazu steht nichts im Lexikon. Nun sicher nicht aus Schönheitsgründen, eher wohl wegen der Notwendigkeit und praktischer Überlegungen. Feuerwehr, Verkehrspolizei und Bahnbeamte, die im öffentlichen Dienst oder besser im öffentlichen Interesse stehen, sollen schnell erkannt werden. Sie tragen ihre Uniformen gleichsam als Ausweis, nur größer, sichtbar, von allen lesbar, unverwechselbar. Andere tragen sie als Berufs-/Arbeitsbekleidung. Ich denke da z. B. an Ärzte und Schwestern. Ihre weißen Kittel, Hauben und Schürzen besitzen eine wichtige hygienische Funktion. Ja und wenn wir gar an den glücksbringenden Schornsteinfeger oder die Zirkusclowns denken, dann werden uns Uniformen wieder recht sympathisch.

Doch wenn ich so überlege, selten trifft man diese oder andere Uniformierte in geballter Form beim Sonntagsspaziergang. Die Uniformen des Schützen- oder Karnevalvereins hab ich ja schon mal im Festgottesdienst in der Kirche bewundert, aber sonst.

Ärzte und Krankenhäuser sollte man möglichst meiden, Polizisten aus dem Weg gehen, Schornsteinfeger kommen maximal einmal im Jahr ins Haus. Förster und Jäger sehe ich leider auch nur noch sehr, sehr selten.

„Uniformierte beim Sonntagsspaziergang“?

Wenn mich jemand gefragt hätte, ob man so etwas erleben kann oder ob es so etwas gibt, hätt ich wohl aus Erfahrung eher nein als ja gesagt.

Aber bevor man nein sagt, sollte man immer überlegen. Was ist mir in meinem langen Leben denn schon alles mit Uniformen passiert? Am Anfang hatte ich ja schon die Grünröcke erwähnt. Sie waren mir lieb und teuer. Sicher auch wegen der Tatsache, dass ich die Tochter eines Försters und leidenschaftlichen Jägers war. Und später dann?

Da fällt mir die Kommunion unserer Enkeltochter ein und noch etwas. Das ganze große Volk der Chinesen. Wer hat nicht die Bilder mit den Millionen Chinesen in ihrer Mao-Bluse oder Mao-Jacke vor Augen, wenn er an China denkt. Einheitlicher und grauer geht es wohl kaum.

Und wenn man die Zöglinge mancher Schulen in Uniformen steckt, sieht man auch nur Zucht und Ordnung, äußerliche Gleichheit. Doch auch sie hat ihre Berechtigung. Kinder sind grausam untereinander. Sie hänseln und sticheln: „Ätsch ich hab einen Gameboy“; „ich hab Adidas-Schuhe“; „ich hab’ ne Levi’s.“ Um solchen Gehässigkeiten vorzubeugen, wird halt mancherorts Einheitskleidung vorgeschrieben.

So etwas Ähnliches gab es auch bei der Erstkommunion. In einem hübschen, kleinen Ort in Bayern kam man auf die Idee, allen Kommunionkindern ein langes weißes Cape, eine Art Mönchskutte umzuhängen. Die Kinder waren damit nicht nur vor dem Herrn gleich, sondern auch vor uns Gästen. Die Kutten wurden von der Kirche ausgeliehen, nach dem Fest wieder abgegeben und das jedes Jahr von Neuem. Nicht schön, aber praktisch und billig.

Ganz langsam kommen sie näher. Und nun erkennen wir, dass es eine gemischte Gruppe ist. Immer deutlicher wird das Bild. Frauen und Männer, ältere und jüngere, kleine Mädchen und größere, auch Jungen. Wir schauen, sie schauen. Ihre Gesichter sind freundlich und hell, sie lächeln. Viele von ihnen grüßen, so wie es die Wanderer hier in der Eifel meist tun. Wir grüßen zurück, versuchen nicht zu aufdringlich zu schau’n, verstecken unser Erstaunen. Trotz ihrer Uniformität sieht ein jeder anders aus. Groß und schlank, klein und dick, muskulös und kräftig, ein bisschen rund und schwabblig, manches knackig braun, grazil bis knochig, alles ist vertreten. Dann, wir sind an dem Trupp der Uniformierten fast vorbei. Ein älterer groß gewachsener, gut aussehender Herr streckt uns im Vorbeigehen einen weißen Zettel entgegen. Etwas erschreckt, ein bisschen verschämt, mehr weg- als hinschauend schütteln wir den Kopf und gehen schnell weiter. Dann kam das befreiende Lächeln.

Eifellandschaft bei Brenk (2005)

Sie haben es sicher schon lange erraten: Eine Gruppe nackter Wanderer! So nackt, wie sie der Herr erschaffen hat!
Während wir das letzte Stückchen Weg nach Hause gehen ärgern wir uns, den Zettel nicht genommen zu haben. Wir rätseln was darauf stand. Vielleicht war es eine Einladung:

„Haben Sie Lust in unseren Club einzutreten?“

„Erster nudistischer Wanderverein der Eifel“ ENWdE e.V.

Wir wandern nackt, billig, praktisch und gesund!

P.S.
Kaum einer glaubt uns die Geschichte, die wir am 1. August 2004 erlebt haben. Und ich möchte gar zu gern wissen, ob so etwas erlaubt oder im Rahmen eines Wellness-Programms vielleicht sogar gefördert wird?