2006: Mayschoß feiert 900 Jahre

Von „Meinscozen“ zu Mayschoß

Christine Schulze

Mayschoß – Herzogenrath/Kerkrade

Mayschoß, das Weindorf an zwei Umlaufbergender Ahr, ist mit Sicherheit eine uralte Siedlung. Älter als die 900 Jahre, die die Gemeinde im Jahr 2006 nach allen Regeln der Kunst feierte. Aber immerhin: Die älteste Urkunde, in der Mayschoß als „Meinscozen“ verewigt ist, die „Annales Rodenses, stammt aus der Zeit von 1141 bis 1179. Das Schriftstück bezieht sich auch auf die Gründung des Klosters Rode beziehungsweise Klosterrath, jetzt Kongresszentrum Rolduc, im Grenzegebiet bei Aachen (Herzogenrath/Kerkrade). Ein Kapitel befasst sich mit den Jahren 1104 bis 1108. Da findet sich auch die Ortsbezeichnung Meinscozen. Bei der 900-Jahr-Feier des Klosters Rode 2004 erinnerten die Mayschosser mit ihrer historischen Weinlieferung an die alten Verbindungen; zwei Jahre später feierten fast 1000 Gäste aus Herzogenrath und Kerkrade in Mayschoß mit. Das Jubiläum erstreckte sich vom Weinblütenfest bis in den späten Herbst 2006.In historischen Gewändern hatte sich 2004 eine Gruppe von der Ahr über Wald- und Feldwege auf die Wanderung nach Herzogenrath gemacht. Beim Festzug präsentierte sich die Gruppe dort mit einem schönen Fass Rotwein auf dem Zweispänner. Bei der 900-Jahr-Feier in Mayschoß reihten sich nunmehr Abordnungen zahlreicher Schützen-, Musik- und Brauchtumsvereine aus Herzogenrath und Kerkrade in malerischen Uniformen in den großen Festzug zum Weinblütenfest am 18. Juni 2006 ein. Beide Städte hatten außerdem 20 Staffelläufer auf den Weg geschickt. Jede der drei Gruppen legte 35 Kilometer zurück. Das Ziel Mayschoß erreichten sie gegen Mittag an dem sonnigen, heißen Frühsommertag.

Gemeinsamkeiten

Zurück zu den Wurzeln der Gemeinsamkeit. Sie liegen bei den Herren der Saffenburg auf dem Mayschosser Burgberg. Deren Macht und Reichtum erstreckten sich weit über das Ahrtal hinaus.

Ankunft des Staffellaufs aus Herzogenrath/Kerkrade in Mayschoß

Bürgermeister Hubertus Kunz (l.)erhält von Staatssekretär Roger Lewentz den Wappenteller des Landes Rheinland-Pfalz.

Auch die Burg Rode im heutigen Herzogenrath gehörte zu den Besitztümern. In der Nähe dieser Burg schenkte Graf Adelbertus von Saphenberg (Adalbert von Saffenburg), einfrommer und gottesfürchtiger Mann, dem Priester Ailbert von Antoing Land für eine Klostergründung. Das berichten die Annales Rodenses.

Kloster Marienthal

Danach tritt Embrico auf den Plan, ein Ministeriale (Dienstmann) des Grafen Adalbert von Saffenburg, ebenso fromm wie sein Herr, in„Meynschossin“ ansässig, verheiratet mit Adelida, zur Familie gehören die Kinder Herimannus und Margareta. Als Embrico von dem gottesfürchtigen Wandel des Priesters Ailbert hört,„drängte ihn nun aufgrund göttlicher Eingebung der Wille, ins Kloster zu gehen“, verzeichnen die Annales weiter. Mit Frau und Kindern zieht er nach Klosterrath, bringt sein Gesinde und all seine Besitztümer, Felder und Weinberge, mit ein. Weitere Frauen kommen hinzu, und so entsteht in Klosterrath neben dem Männer- ein Frauenkloster. Priester Ailbert stößt sich daran, dass Schwestern und Brüder die selbe Messe besuchen. Diese Situation wird durch Gründung des Klosters Marienthal an der Ahr im Jahre 1137 bereinigt. Die Augustinerinnen von Klosterrath gründeten dort das vermutlich älteste Kloster im Ahrtal als Filiale ihres Mutterhauses - auf einem von den Saffenburgern gestifteten Grundstück.

Jubiläumsfeier

So verdankt Mayschoß den Aufzeichnungen aus Klosterrath wichtige Informationen über seine Geschichte. Das Weindorf an der Ahr und die beiden Städte dies- und jenseits der deutsch-niederländischen Grenze waren sich schon vor Jahren ihrer historischen Gemeinsamkeit bewusst geworden und hatten neue Beziehungen geknüpft. Folglich gehörten zu den Ehrengästen beim Jubiläum in Mayschoß auch die Bürgermeister von Herzogenrath und Kerkrade, Gerd Zimmermann und Jos Som. Josef Paqué, in Herzogenrath zuständig für die Pflege von Partnerschaften, organisierte eine große Freilichtbühne für Mayschoß, kümmerte sich um die Aufstellung des Festzugs. Denn Bürgermeister Hubertus Kunz hatte alle Händevoll zu tun. Auch Gäste aus Spanien waren gekommen: Alcalde (Bürgermeister) Luis Tena und eine 20-köpfige Delegation aus Sant Jordi im spanischen Valencia, in der Nähe des Mittelmeers. Sant Jordi ist die neue Partnergemeinde der Gemeinde Mayschoß, und beim Jubiläum sollte der Partnerschaftsvertrag unterzeichnet werden, der bereits im November 2005, bei einem Besuch von mehr als 100 Mayschossern in Sant Jordi, dort besiegelt worden war. Den Festakt bei der 900-Jahr-Feier gestaltete Mayschoß zu einer eindrucksvollen Open-Air-Zeremonie. Mit dabei waren Weinkönigin Claudia Ley, die Prinzessinnen Maria Baltes und Nathalie Knieps, der Bürgermeister der Verbandsgemeinde Altenahr, Achim Haag, sowie viele Gäste und Schaulustige. Die klatschten und sangen die Hymnen der Partner begeistert mit.

Fröhlich ging´s am Samstag weiter. Prinz Pierre von Arenberg, zu dessen Eigentum das Saffenburg-Plateau mit den Resten der einst großen und bedeutenden Burg gehört, besuchte zusammen mit Mitgliedern seiner Familie das Weindorf. Sein Jubiläumsgeschenk: ein Auftritt der Kölner Voice-Academie mit Operntenor Mario Tagadhossi und einem echt Mayschosser Mädchen: Fabricia Josten. Der große Auftritt mit Gesang und Tanz zu vorgerückter Stundebegeisterte sowohl die Gäste aus Spanien, aus den Niederlanden und Herzogenrath, als auch die Mayschosser und ihren Sponsor, Prinz Pierre. „Mayschoß ist heute 900 Jahre jung“, konstatierte der angesichts der fröhlich-ausgelassenen Stimmung.

Zu den Höhepunkten beim Fest gehörte mit Sicherheit das Hochamt am Sonntag in der Pfarrkirche. Dabei spielte die Königliche Harmonie Kerkrade, ein Blasorchester, und der Männerchor aus Kerkrade sang „Ich bete an die Macht der Liebe“. Vom Mittag an bis in den frühen Abend war die Bundesstraße durch Mayschoß gesperrt. Als der Festzug sich in der vollen Mittagssonne in Bewegung setzte, war kein Platz mehr im Schatten zu finden.

Die Staffelläufer, die Klompenprinzen aus Noppenberg und die Winzer von Rolduc zogen mit im Festzug durch Mayschoß. Den Weinberg beim Kloster Rolduc haben Mayschosser Winzer angepflanzt – wie sie auch im Frühjahr2006 einen Weinberg in Sant Jordi bepflanzten. Die Schützenvereine waren mit ihren Majestäten in prächtigen Kostümen dabei. Sie präsentierten ihre Standarten und schwangen die Fahnen. Die Schützengesellschaft Merkstein verteilte 1000 frisch gebackene süße Brezeln unter die Zuschauer. Beeindruckend waren die Armbrustschützen mit ihren mächtigen Schusswaffen und über und über mit Schildern und Plaketten behängt.

Mayschosser Vereine stellten im Festzug wichtige Episoden aus der Geschichte des Dorfs dar. Mit weißen Gewändern und Lorbeerkränzen hatten sich die Möhnen in stattliche Römerinnen verwandelt, die Winzergenossenschaft präsentierte noch einmal die historische Weinlieferung nach Herzogenrath mit Bürgermeister Hubertus Kunz als Adalbert von Saffenburg und dem Vorsitzenden der Genossenschaft, Rudolf Mies, als frommer Embrico. Als mittelalterliche Bauern waren die Campingplatz-Bewohner mit von der Partie. Die Ernennung von Mayschoß zur eigenständigen Pfarrei im Jahre1537 hatte sich der Kirchenchor zum Thema gemacht. Mit Gebimmel, Fahnen, Messdienern, Pfaffen und der Kirche auf dem Wagen zog die Gruppe daher. Der Chor erinnerte auch an die Pestzeit 100 Jahre später. Die Gründung der ersten Schule gut 100 Jahre später wurde von der Grundschule dokumentiert.

Mit Akribie hatten die Junggesellen die Zerstörung der Saffenburg im Jahre 1704 in Szene gesetzt. Die Ruine stand auf einem Wagen, dahinter waren im Gebüsch noch die Kanonenversteckt, Landsknechte gaben ohrenbetäubende Schüsse ab. Mit den ersten Weinbergsschützen (1586), die die Wingerte vor der Ausplünderung durch schwarze Vögel bewahrten, und dem ersten Nachtwächter (1773) befassten sich die Karnevalsgesellschaft Närrische Freunde Mayschoß und der Angelsportverein. Der Winzerstammtisch thematisierte ein für Mayschoß nachhaltig wichtiges Ereignis: die Gründung der Winzergenossenschaft im Jahre1868. In mehreren Zugnummern stellte der Eifelverein zusammen mit der Brauchtumsgruppe, dem Kindergarten und einer Gruppe aus Weibern die Stiftung des Klosters Mayschoß durch die Geschwister Coßmann dar. Gezeigt wird die Szene beim Notar mit Pfarrer und Stifterinnen. Steinmetze aus Weibern behauen den Tuff für das mehrstöckige Gebäude. In Bollerwagen ziehen Nonnen Kinder durch die Straßen. In der Nähschule drängen sich Frauen um eine altertümliche Nähmaschine. Bei Brot und Wein verbringen die Alten einen geselligen Lebensabend.

Mit Petticoat-Mädchen und Rock´n´Roll dokumentierte der Sportverein die 1950er Jahre, in denen Mayschoß sein Weinfest im Oktober erfand, bei dem es regelmäßig feucht-fröhlich und hoch her ging. Ursula Maur, die Mayschosserin, die 1984/85 Deutsche Weinkönigin war, fuhr mit im Zug. Freilich auch die Mayschosser Majestäten, Weinköniginnen aus der Nachbarschaft und Ahrweinkönigin Diana Knieps. Nach dem Weinblütenfest freuten sich die Mayschosser auf die Präsentation der Chronik ihres Dorfs, an der Heimatforscher Sebastian Schmitz viele Jahre lang gearbeitet hat. Die Gemeinde lässt das umfangreiche Werke in einer Auflage von 1000 Stück drucken. Für November 2006 ist ein Festkommers angekündigt.