„Steuererklärung aus Hürnig anno 1897“

Franz-Werner Bungart

Steuern und Abgaben waren von jeher bei vielen Bürgern „unbeliebt“. Dass bereits vor 100 Jahren auch Steuerzahler im Kreis Ahrweiler nicht immer mit dem Steuerbescheid der Finanzbehörde einverstanden waren und hiergegen Widerspruch einlegten, wird durch einen Brief aus dem Jahre 1897 belegt.

Der Schreiber, Martin Ginsterblum (Jahrgang 1851), wohnte in dem kleinen Weiler Hürnig. Bis heute besteht diese Siedlung aus nicht mehr als vier oder fünf Häusern, die zur Gemeinde Kirchsahr gehören. Herr Ginsterblum war einer der besser gestellten Bauern der Umgebung, der rund um Hürnig einen größeren Landbesitz sein eigen nennen konnte. Sein Schreiben und auch weitere von ihm erhaltene Kauf- und Tauschverträge belegen, dass er sich, wenn auch aus heutiger Sicht auf etwas befremdliche Weise, recht geschickt schriftlich auszudrücken verstand.

Dieses war zu jener Zeit zumindest für den ländlichen Bereich nicht selbstverständlich.

Leider ist auf das Schreiben von Martin Ginsterblum keine Antwort der damaligen Finanzbehörde bekannt. Der Brief von Martin Ginsterblum an den damaligen Landrat Heising, der auch Vorsitzender der Steuer-Veranlagungskommission war, ist ein aufschlussreiches Dokument und wird hier vollständig abgedruckt. Ob den Ausführungen des Schreibers, der sein gesamtes Einkommen auf 0 Mark rechnet, Glauben geschenkt werden kann, ist nicht mehr nachvollziehbar. Sprichwörtliche „Bauernschläue“ kann ihm aber noch heute bescheinigt werden.

An den Vorsitzenden der Veranlagungs-Commission

Herrn Landrath Heising
Hochwohlgeborn zu Ahrweiler

Beschwerde
des Martin Ginsterblum zu Hürnig
gegen die Einkommenssteuer pro 1897/98

                                                                                                                        Hürnig den 00 April 1897

Aus der am 14. dieses Monats eingegangenen Veranlagung zur Einkommens- und Ergänzungssteuer habe ich ersehen, dass ich mit 9 Mark Einkommenssteuer bedacht worden bin. Demgemäß müsste ich ein Einkommen von mehr als 1050 haben. Dieses ist aber nicht der Fall, sondern mein Einkommen ist wie folgt:

1.   Korn cirka 00 Scheffel    gleich 00    Mark       Pfennig
   Doppelzentner der
Doppelzentner zu 11 M.  
  

 „

 „

2.   Hafer cirka 00 Scheffel  

 macht

 „

 „

3.   Buchweizen 00 Scheffel       „    „
4.   Kartoffeln 00 Centner    a 00 Mark  „    „
5.   Heu circa 00 Centner    a 00 Mark  00
6.   Aus dem Vieh Erlös cirka    a 00 Mark  00
         Summa Mark 000  

Bemerkung

Aus dem Vieh habe ich im verflossenen Jahr nicht gehabt als etwas Milch. Eine frisch gekalbte Kuh habe ich abschaffen müssen, und das Kalb ist auch verendet. Auch glaube ich bemerken zu müssen, das bei Veranlagung der Einkommenssteuer mein Grundbesitz viel maßgebend gewesen ist. Hürnig hat aber die schlechteste Lage von unserer Gemeinde, weil es auf so hohen Berge gelegen ist, aus welchem Grund auch ein ganz dünner Boden meistens angetroffen wird. Auch ist hier vieles Oedland welches jarnichts einbringt. Meine Haushaltung besteht aus mir, meiner Frau, und 4 Söhne, wovon der älteste 22 Jahre alt und der jüngste noch nicht schulpflichtig ist.

Meine Frau leidet seit Jahren an Lungenschwindsucht und muß deshalb meine Söhne die häusliche Arbeit mit verrichten lassen, aus welchem Grunde dieselben mir sonst nicht viel verdienen können.

An Tagelohn werden noch durchschnittlich 50 Mark verdient. Weil mir für den Schulpflichtigen, von meinem Einkommen abgerechnet werden, deshalb habe ich 50 Mark Tagelohn nicht als Einkommen bezeichnet. Mein Einkommen ist also ohne Abzug für Verschleiß von Ackergeräthe 000 M. Aus diesem Grunde stelle ich an Euer Hochwohlgebor die Bitte, dahin wirken zu wollen, dass meine Einkommenssteuer auf 6 Mark ermäßigt werde. Der Gewährung dieser Bitte entgegensehend harrt unterthänigst

Martin Ginsterblum